Siemensofen, mit seiner 5 Meter langen und 5 Meter breiten Kammer gebracht. Es ist noch zu erwähnen, daß außer diesem Ofen, rückwärts desselben, ein zweiter Martinofen vorhanden ist, welcher den für die Compoundpanzerplatten erforder- lichen harten Stahl liefert. Mit diesem letzteren übergießt man die weichen weiß- glühenden Platten aus Nickelstahl, einem Material, das mit der Elasticitätsgrenze des Stahles die Zähigkeit des Flußeisens verbindet.
Nachdem das Anwärmen der Platte vollendet ist, wird die Ofenthüre geöffnet und das mächtige Walzstück rollt auf der fahrbaren Sohle aus der Kammer über die Grube davor. Die Platte ruht auf niedrigen Klötzen aus feuerfesten Steinen, wodurch es ermöglicht wird, große starke Kettenhaken unter die vier Ecken der Platte einzuführen und diese durch den Krahn zu heben. Es ist erstaunlich, diese gewaltige Masse in der Luft schweben zu sehen. Der Krahn bringt nun das Stück zum Walzwerk, welches es mehr als hundertmal zurücklegen muß, um die vor- geschriebene Dicke von 30 Centimeter zu erreichen. Dem Walzen in die Breite ist durch die wirksame Länge der Walzcylinder (4 Meter) eine Grenze gesteckt; sowie diese erreicht ist, findet das Auswalzen nur mehr im Sinne der Länge und Dicke statt. Das Herabsinken der letzteren wird durch einen Zeiger angedeutet, und es belehrt uns das Maß seines Vorrückens, daß es sich bei einem jedesmaligen Durch- gange des Walzstückes nur um wenige Millimeter handelt. Daher die lange Dauer des Processes, der sich im Uebrigen ganz automatisch abspielt. Zu diesem Zwecke sind verschiedene Hilfsmaschinen zur Hand, welche die erforderlichen Nebenarbeiten verrichten.
Die ausgewalzte Platte hat noch Rothgluth und wandert nun in die Biege- presse, eine Vorrichtung, von deren Kolossalität einige Ziffern die richtige Vor- stellung vermitteln werden. Die Biegepresse besteht zunächst aus einem Tische, dessen Stahlplatte die unglaubliche Abmessung von 2 Meter Dicke hat. Vier, etwa fuß- dicke Gußstahlcylinder bilden die Füße. Eine zweite mächtige Platte befindet sich darunter und wird mit dem kolossalen hydraulischen Druck von 5 Millionen Kilo- gramm gehoben. In diese Presse nun gelangt die rothglühende Panzerplatte, wobei sie an zwei Enden durch Stahlprismen unterstützt wird, während ein drittes Prisma mitten darauf zu liegen kommt. Es findet in diesem Falle eine Durchbiegung nach unten statt; soll umgekehrt verfahren werden, so werden die Prismen in entgegen- gesetzter Weise angeordnet.
Auf diesem Walzwerke werden neben Panzerplatten auch mächtige Kessel- bleche hergestellt und hat ein solches Erzeugniß gelegentlich der letzten Ausstellung in Chicago durch seine außergewöhnlichen Abmessungen berechtigtes Aufsehen erregt. Das Blechstück hatte eine Länge von 20 Meter, eine Breite von 3.3 Meter, eine Dicke von 3.2 Centimeter und wog 16.2 Tonnen. Die Herstellung von Blechen solcher Abmessungen gestattet die Anfertigung von Kesseln größter Dimension aus möglichst wenig Blechen mit nur einer Nietenbindung im Umfange. Während die größten bisher hergestellten Kesselbleche dieser Dicke durchschnittlich nur 10 bis
Hüttenwerke.
Siemensofen, mit ſeiner 5 Meter langen und 5 Meter breiten Kammer gebracht. Es iſt noch zu erwähnen, daß außer dieſem Ofen, rückwärts desſelben, ein zweiter Martinofen vorhanden iſt, welcher den für die Compoundpanzerplatten erforder- lichen harten Stahl liefert. Mit dieſem letzteren übergießt man die weichen weiß- glühenden Platten aus Nickelſtahl, einem Material, das mit der Elaſticitätsgrenze des Stahles die Zähigkeit des Flußeiſens verbindet.
Nachdem das Anwärmen der Platte vollendet iſt, wird die Ofenthüre geöffnet und das mächtige Walzſtück rollt auf der fahrbaren Sohle aus der Kammer über die Grube davor. Die Platte ruht auf niedrigen Klötzen aus feuerfeſten Steinen, wodurch es ermöglicht wird, große ſtarke Kettenhaken unter die vier Ecken der Platte einzuführen und dieſe durch den Krahn zu heben. Es iſt erſtaunlich, dieſe gewaltige Maſſe in der Luft ſchweben zu ſehen. Der Krahn bringt nun das Stück zum Walzwerk, welches es mehr als hundertmal zurücklegen muß, um die vor- geſchriebene Dicke von 30 Centimeter zu erreichen. Dem Walzen in die Breite iſt durch die wirkſame Länge der Walzcylinder (4 Meter) eine Grenze geſteckt; ſowie dieſe erreicht iſt, findet das Auswalzen nur mehr im Sinne der Länge und Dicke ſtatt. Das Herabſinken der letzteren wird durch einen Zeiger angedeutet, und es belehrt uns das Maß ſeines Vorrückens, daß es ſich bei einem jedesmaligen Durch- gange des Walzſtückes nur um wenige Millimeter handelt. Daher die lange Dauer des Proceſſes, der ſich im Uebrigen ganz automatiſch abſpielt. Zu dieſem Zwecke ſind verſchiedene Hilfsmaſchinen zur Hand, welche die erforderlichen Nebenarbeiten verrichten.
Die ausgewalzte Platte hat noch Rothgluth und wandert nun in die Biege- preſſe, eine Vorrichtung, von deren Koloſſalität einige Ziffern die richtige Vor- ſtellung vermitteln werden. Die Biegepreſſe beſteht zunächſt aus einem Tiſche, deſſen Stahlplatte die unglaubliche Abmeſſung von 2 Meter Dicke hat. Vier, etwa fuß- dicke Gußſtahlcylinder bilden die Füße. Eine zweite mächtige Platte befindet ſich darunter und wird mit dem koloſſalen hydrauliſchen Druck von 5 Millionen Kilo- gramm gehoben. In dieſe Preſſe nun gelangt die rothglühende Panzerplatte, wobei ſie an zwei Enden durch Stahlprismen unterſtützt wird, während ein drittes Prisma mitten darauf zu liegen kommt. Es findet in dieſem Falle eine Durchbiegung nach unten ſtatt; ſoll umgekehrt verfahren werden, ſo werden die Prismen in entgegen- geſetzter Weiſe angeordnet.
Auf dieſem Walzwerke werden neben Panzerplatten auch mächtige Keſſel- bleche hergeſtellt und hat ein ſolches Erzeugniß gelegentlich der letzten Ausſtellung in Chicago durch ſeine außergewöhnlichen Abmeſſungen berechtigtes Aufſehen erregt. Das Blechſtück hatte eine Länge von 20 Meter, eine Breite von 3‧3 Meter, eine Dicke von 3‧2 Centimeter und wog 16‧2 Tonnen. Die Herſtellung von Blechen ſolcher Abmeſſungen geſtattet die Anfertigung von Keſſeln größter Dimenſion aus möglichſt wenig Blechen mit nur einer Nietenbindung im Umfange. Während die größten bisher hergeſtellten Keſſelbleche dieſer Dicke durchſchnittlich nur 10 bis
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Hüttenwerke.
Siemensofen, mit ſeiner 5 Meter langen und 5 Meter breiten Kammer gebracht.
Es iſt noch zu erwähnen, daß außer dieſem Ofen, rückwärts desſelben, ein zweiter
Martinofen vorhanden iſt, welcher den für die Compoundpanzerplatten erforder-
lichen harten Stahl liefert. Mit dieſem letzteren übergießt man die weichen weiß-
glühenden Platten aus Nickelſtahl, einem Material, das mit der Elaſticitätsgrenze
des Stahles die Zähigkeit des Flußeiſens verbindet.
Nachdem das Anwärmen der Platte vollendet iſt, wird die Ofenthüre geöffnet
und das mächtige Walzſtück rollt auf der fahrbaren Sohle aus der Kammer über
die Grube davor. Die Platte ruht auf niedrigen Klötzen aus feuerfeſten Steinen,
wodurch es ermöglicht wird, große ſtarke Kettenhaken unter die vier Ecken der
Platte einzuführen und dieſe durch den Krahn zu heben. Es iſt erſtaunlich, dieſe
gewaltige Maſſe in der Luft ſchweben zu ſehen. Der Krahn bringt nun das Stück
zum Walzwerk, welches es mehr als hundertmal zurücklegen muß, um die vor-
geſchriebene Dicke von 30 Centimeter zu erreichen. Dem Walzen in die Breite iſt
durch die wirkſame Länge der Walzcylinder (4 Meter) eine Grenze geſteckt; ſowie
dieſe erreicht iſt, findet das Auswalzen nur mehr im Sinne der Länge und Dicke
ſtatt. Das Herabſinken der letzteren wird durch einen Zeiger angedeutet, und es
belehrt uns das Maß ſeines Vorrückens, daß es ſich bei einem jedesmaligen Durch-
gange des Walzſtückes nur um wenige Millimeter handelt. Daher die lange Dauer
des Proceſſes, der ſich im Uebrigen ganz automatiſch abſpielt. Zu dieſem Zwecke
ſind verſchiedene Hilfsmaſchinen zur Hand, welche die erforderlichen Nebenarbeiten
verrichten.
Die ausgewalzte Platte hat noch Rothgluth und wandert nun in die Biege-
preſſe, eine Vorrichtung, von deren Koloſſalität einige Ziffern die richtige Vor-
ſtellung vermitteln werden. Die Biegepreſſe beſteht zunächſt aus einem Tiſche, deſſen
Stahlplatte die unglaubliche Abmeſſung von 2 Meter Dicke hat. Vier, etwa fuß-
dicke Gußſtahlcylinder bilden die Füße. Eine zweite mächtige Platte befindet ſich
darunter und wird mit dem koloſſalen hydrauliſchen Druck von 5 Millionen Kilo-
gramm gehoben. In dieſe Preſſe nun gelangt die rothglühende Panzerplatte, wobei
ſie an zwei Enden durch Stahlprismen unterſtützt wird, während ein drittes Prisma
mitten darauf zu liegen kommt. Es findet in dieſem Falle eine Durchbiegung nach
unten ſtatt; ſoll umgekehrt verfahren werden, ſo werden die Prismen in entgegen-
geſetzter Weiſe angeordnet.
Auf dieſem Walzwerke werden neben Panzerplatten auch mächtige Keſſel-
bleche hergeſtellt und hat ein ſolches Erzeugniß gelegentlich der letzten Ausſtellung
in Chicago durch ſeine außergewöhnlichen Abmeſſungen berechtigtes Aufſehen erregt.
Das Blechſtück hatte eine Länge von 20 Meter, eine Breite von 3‧3 Meter, eine
Dicke von 3‧2 Centimeter und wog 16‧2 Tonnen. Die Herſtellung von Blechen
ſolcher Abmeſſungen geſtattet die Anfertigung von Keſſeln größter Dimenſion aus
möglichſt wenig Blechen mit nur einer Nietenbindung im Umfange. Während die
größten bisher hergeſtellten Keſſelbleche dieſer Dicke durchſchnittlich nur 10 bis
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/183>, abgerufen am 09.11.2024.
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