Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

Bild:
<< vorherige Seite


Erster Abschnitt.



Die Eisenarchitektur.

Der Eindrücke voll, welche wir im Krupp'schen Etablissement gewonnen
haben, wäre es nun am Platze, den Spuren dieser Thätigkeit, die in
all den mannigfaltigen constructiven Anlagen, wie Maschinenbau und

Fabrikswesen, in den unübersehbaren Kleinbetrieben, in denen das scheinbar Unbe-
deutende von weittragender Wichtigkeit ist, zu folgen. Nun, ein solches Beginnen
würde den Raum von vielen Bänden füllen und sich zu einer Encyklopädie des
Eisengewerbes gestalten, zu dessen Bewältigung Dutzende von Federn in Bewegung
gesetzt werden müßten. Man vergesse ferner nicht, daß das Eisengewerbe die ganze
Erde umspannt, daß neben den deutschen Arbeitsstätten unzählige andere, darunter
sehr bedeutende -- wie in Belgien, Frankreich, Großbritannien und in den Ver-
einigten Staaten von Amerika -- in Thätigkeit stehen, deren Leistungen zum Theile
noch bewunderungswerther sind als jene, die uns auf heimatlichem Boden vor Augen
treten.

Wie wäre es möglich, allen diesen Erscheinungen gerecht zu werden? Be-
schränken wir uns also darauf, dasjenige herauszugreifen, was -- soweit die Eisen-
architektur in Betracht kommt -- in den letzten Jahren geschaffen wurde und von
Bedeutung ist. Bei den Brückenconstructionen können wir dann weiter ausgreifen
und eine orientirende Uebersicht über die Entwickelung und Ausgestaltung der ein-
zelnen Systeme etc. entrollen. Die nebensächlichen Einzelheiten aber müssen wir von
diesen Schilderungen fernhalten. Es würde dem Laien kaum etwas fruchten und
dem Werke einen Ballast aufbürden, der ihm nicht zum Vortheile gereichen würde.

Wenn von den großen Leistungen der Eisenarchitektur die Rede ist, hat der
Laie in erster Linie jenes Bauwerk vor Augen, das während der Pariser Aus-
stellung im Jahre 1889 einen der großen Anziehungspunkte bildete -- den Eiffel-
thurm
. Obwohl keinem praktischen Zwecke dienend, verkörpert er unbestritten eine
Riesenleistung im modernen Eisenbau. Noch vor wenigen Jahrzehnten würde man
die Möglichkeit, ein solches Werk zu schaffen, nicht zu ahnen gewagt haben. Die



Erſter Abſchnitt.



Die Eiſenarchitektur.

Der Eindrücke voll, welche wir im Krupp'ſchen Etabliſſement gewonnen
haben, wäre es nun am Platze, den Spuren dieſer Thätigkeit, die in
all den mannigfaltigen conſtructiven Anlagen, wie Maſchinenbau und

Fabriksweſen, in den unüberſehbaren Kleinbetrieben, in denen das ſcheinbar Unbe-
deutende von weittragender Wichtigkeit iſt, zu folgen. Nun, ein ſolches Beginnen
würde den Raum von vielen Bänden füllen und ſich zu einer Encyklopädie des
Eiſengewerbes geſtalten, zu deſſen Bewältigung Dutzende von Federn in Bewegung
geſetzt werden müßten. Man vergeſſe ferner nicht, daß das Eiſengewerbe die ganze
Erde umſpannt, daß neben den deutſchen Arbeitsſtätten unzählige andere, darunter
ſehr bedeutende — wie in Belgien, Frankreich, Großbritannien und in den Ver-
einigten Staaten von Amerika — in Thätigkeit ſtehen, deren Leiſtungen zum Theile
noch bewunderungswerther ſind als jene, die uns auf heimatlichem Boden vor Augen
treten.

Wie wäre es möglich, allen dieſen Erſcheinungen gerecht zu werden? Be-
ſchränken wir uns alſo darauf, dasjenige herauszugreifen, was — ſoweit die Eiſen-
architektur in Betracht kommt — in den letzten Jahren geſchaffen wurde und von
Bedeutung iſt. Bei den Brückenconſtructionen können wir dann weiter ausgreifen
und eine orientirende Ueberſicht über die Entwickelung und Ausgeſtaltung der ein-
zelnen Syſteme ꝛc. entrollen. Die nebenſächlichen Einzelheiten aber müſſen wir von
dieſen Schilderungen fernhalten. Es würde dem Laien kaum etwas fruchten und
dem Werke einen Ballaſt aufbürden, der ihm nicht zum Vortheile gereichen würde.

Wenn von den großen Leiſtungen der Eiſenarchitektur die Rede iſt, hat der
Laie in erſter Linie jenes Bauwerk vor Augen, das während der Pariſer Aus-
ſtellung im Jahre 1889 einen der großen Anziehungspunkte bildete — den Eiffel-
thurm
. Obwohl keinem praktiſchen Zwecke dienend, verkörpert er unbeſtritten eine
Rieſenleiſtung im modernen Eiſenbau. Noch vor wenigen Jahrzehnten würde man
die Möglichkeit, ein ſolches Werk zu ſchaffen, nicht zu ahnen gewagt haben. Die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0283" n="247"/><lb/>
          <div n="3">
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <head> <hi rendition="#b">Er&#x017F;ter Ab&#x017F;chnitt.</hi> </head>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Die Ei&#x017F;enarchitektur.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>er Eindrücke voll, welche wir im Krupp'&#x017F;chen Etabli&#x017F;&#x017F;ement gewonnen<lb/><hi rendition="#et">haben, wäre es nun am Platze, den Spuren die&#x017F;er Thätigkeit, die in<lb/>
all den mannigfaltigen con&#x017F;tructiven Anlagen, wie Ma&#x017F;chinenbau und</hi><lb/>
Fabrikswe&#x017F;en, in den unüber&#x017F;ehbaren Kleinbetrieben, in denen das &#x017F;cheinbar Unbe-<lb/>
deutende von weittragender Wichtigkeit i&#x017F;t, zu folgen. Nun, ein &#x017F;olches Beginnen<lb/>
würde den Raum von vielen Bänden füllen und &#x017F;ich zu einer Encyklopädie des<lb/>
Ei&#x017F;engewerbes ge&#x017F;talten, zu de&#x017F;&#x017F;en Bewältigung Dutzende von Federn in Bewegung<lb/>
ge&#x017F;etzt werden müßten. Man verge&#x017F;&#x017F;e ferner nicht, daß das Ei&#x017F;engewerbe die ganze<lb/>
Erde um&#x017F;pannt, daß neben den deut&#x017F;chen Arbeits&#x017F;tätten unzählige andere, darunter<lb/>
&#x017F;ehr bedeutende &#x2014; wie in Belgien, Frankreich, Großbritannien und in den Ver-<lb/>
einigten Staaten von Amerika &#x2014; in Thätigkeit &#x017F;tehen, deren Lei&#x017F;tungen zum Theile<lb/>
noch bewunderungswerther &#x017F;ind als jene, die uns auf heimatlichem Boden vor Augen<lb/>
treten.</p><lb/>
            <p>Wie wäre es möglich, allen die&#x017F;en Er&#x017F;cheinungen gerecht zu werden? Be-<lb/>
&#x017F;chränken wir uns al&#x017F;o darauf, dasjenige herauszugreifen, was &#x2014; &#x017F;oweit die Ei&#x017F;en-<lb/>
architektur in Betracht kommt &#x2014; in den letzten Jahren ge&#x017F;chaffen wurde und von<lb/>
Bedeutung i&#x017F;t. Bei den Brückencon&#x017F;tructionen können wir dann weiter ausgreifen<lb/>
und eine orientirende Ueber&#x017F;icht über die Entwickelung und Ausge&#x017F;taltung der ein-<lb/>
zelnen Sy&#x017F;teme &#xA75B;c. entrollen. Die neben&#x017F;ächlichen Einzelheiten aber mü&#x017F;&#x017F;en wir von<lb/>
die&#x017F;en Schilderungen fernhalten. Es würde dem Laien kaum etwas fruchten und<lb/>
dem Werke einen Balla&#x017F;t aufbürden, der ihm nicht zum Vortheile gereichen würde.</p><lb/>
            <p>Wenn von den großen Lei&#x017F;tungen der Ei&#x017F;enarchitektur die Rede i&#x017F;t, hat der<lb/>
Laie in er&#x017F;ter Linie jenes Bauwerk vor Augen, das während der Pari&#x017F;er Aus-<lb/>
&#x017F;tellung im Jahre 1889 einen der großen Anziehungspunkte bildete &#x2014; den <hi rendition="#g">Eiffel-<lb/>
thurm</hi>. Obwohl keinem prakti&#x017F;chen Zwecke dienend, verkörpert er unbe&#x017F;tritten eine<lb/>
Rie&#x017F;enlei&#x017F;tung im modernen Ei&#x017F;enbau. Noch vor wenigen Jahrzehnten würde man<lb/>
die Möglichkeit, ein &#x017F;olches Werk zu &#x017F;chaffen, nicht zu ahnen gewagt haben. Die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0283] Erſter Abſchnitt. Die Eiſenarchitektur. Der Eindrücke voll, welche wir im Krupp'ſchen Etabliſſement gewonnen haben, wäre es nun am Platze, den Spuren dieſer Thätigkeit, die in all den mannigfaltigen conſtructiven Anlagen, wie Maſchinenbau und Fabriksweſen, in den unüberſehbaren Kleinbetrieben, in denen das ſcheinbar Unbe- deutende von weittragender Wichtigkeit iſt, zu folgen. Nun, ein ſolches Beginnen würde den Raum von vielen Bänden füllen und ſich zu einer Encyklopädie des Eiſengewerbes geſtalten, zu deſſen Bewältigung Dutzende von Federn in Bewegung geſetzt werden müßten. Man vergeſſe ferner nicht, daß das Eiſengewerbe die ganze Erde umſpannt, daß neben den deutſchen Arbeitsſtätten unzählige andere, darunter ſehr bedeutende — wie in Belgien, Frankreich, Großbritannien und in den Ver- einigten Staaten von Amerika — in Thätigkeit ſtehen, deren Leiſtungen zum Theile noch bewunderungswerther ſind als jene, die uns auf heimatlichem Boden vor Augen treten. Wie wäre es möglich, allen dieſen Erſcheinungen gerecht zu werden? Be- ſchränken wir uns alſo darauf, dasjenige herauszugreifen, was — ſoweit die Eiſen- architektur in Betracht kommt — in den letzten Jahren geſchaffen wurde und von Bedeutung iſt. Bei den Brückenconſtructionen können wir dann weiter ausgreifen und eine orientirende Ueberſicht über die Entwickelung und Ausgeſtaltung der ein- zelnen Syſteme ꝛc. entrollen. Die nebenſächlichen Einzelheiten aber müſſen wir von dieſen Schilderungen fernhalten. Es würde dem Laien kaum etwas fruchten und dem Werke einen Ballaſt aufbürden, der ihm nicht zum Vortheile gereichen würde. Wenn von den großen Leiſtungen der Eiſenarchitektur die Rede iſt, hat der Laie in erſter Linie jenes Bauwerk vor Augen, das während der Pariſer Aus- ſtellung im Jahre 1889 einen der großen Anziehungspunkte bildete — den Eiffel- thurm. Obwohl keinem praktiſchen Zwecke dienend, verkörpert er unbeſtritten eine Rieſenleiſtung im modernen Eiſenbau. Noch vor wenigen Jahrzehnten würde man die Möglichkeit, ein ſolches Werk zu ſchaffen, nicht zu ahnen gewagt haben. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/283
Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/283>, abgerufen am 21.11.2024.