Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

Bild:
<< vorherige Seite
Der eiserne Brückenbau.

Die vollkommenste Versteifung einer Hängebrücke ist das sogenannte "Hänge-
fachwerk", welches in jüngster Zeit in Deutschland die ihm gebührende Beachtung
erfahren hat, besonders seitdem Oberingenieur [Abbildung] Fig. 246.

Kübler's Entwur für die Rheinbrücke bei Bonn-Beuel.


Kübler (Maschinenfabrik Eßlingen) mit zwei her-
vorragenden Entwürfen dieser Art sich bemerkbar
gemacht hat. Der eine dieser Entwürfe steht mit
dem Bonner Wettbewerb in Zusammenhang, in
welchem das Kübler'sche Project eines Haupt-
fachwerkes den zweiten Preis erzielte. Die größte
Spannweite der Mittelöffnung betrug hierbei
200 Meter, erreichte also ungefähr jene Grenze,
über welche hinaus weder Bogenbrücken noch
Kragbrücken, sowohl bezüglich der Kosten als auch
in der äußeren Erscheinung, kaum mehr mit einer
rationell versteiften Kabelbrücke wetteifern können.
In dem Entwurfe Kübler's für die Budapester
Schwurplatzbrücke
-- eine 310 Meter weite
Kabelbrücke -- erwies sich dieselbe allen übrigen
mitconcurrirenden Systemen, ob nun Bogenbrücke
mit Kabelversteifung, reine Bogenbrücke oder Aus-
legerbrücke, im Gewichte weit überlegen. Die
Kabelbrücke wog nämlich nur 5425 Tonnen,
während die übrigen genannten Systeme 7115,
8345 bis 8500 Tonnen Eisengewicht erreichten.

Bei allen diesen Entwürfen erwies sich die
Frage, ob "Kabel" oder "Kette", von mehr oder
weniger einschneidender Bedeutung. Hervorragende
Fachmänner reden unbedingt dem Kabel das
Wort; denn sehr bedeutende Spannweiten können
mit dem Kabel am billigsten und ebenso sicher
überbrückt werden, wie mit der Kette, welch
letztere ganz wesentliche Mehrkosten erfordert.
Dazu kommt, daß angesichts der hohen Stufe, auf
welcher heute die Eisenfabrikate stehen, auch für
die Draht- und Kabelconstruction die Garantie
vorzüglichster Materialherstellung gegeben ist. Auf
Grund der ausgedehnten Hilfsmittel, welche zur
Zeit dem Constructeur zur Verfügung stehen,
unterliegt es keinem Zweifel, daß derselbe in der Lage ist, eine versteifte Hänge-
brücke genau nach den theoretischen Anforderungen zu bauen. Bei diesem Anlasse
sei daran erinnert, daß die alte Kettenbrücke in Budapest seinerzeit als eine Art

Der eiſerne Brückenbau.

Die vollkommenſte Verſteifung einer Hängebrücke iſt das ſogenannte »Hänge-
fachwerk«, welches in jüngſter Zeit in Deutſchland die ihm gebührende Beachtung
erfahren hat, beſonders ſeitdem Oberingenieur [Abbildung] Fig. 246.

Kübler's Entwur für die Rheinbrücke bei Bonn-Beuel.


Kübler (Maſchinenfabrik Eßlingen) mit zwei her-
vorragenden Entwürfen dieſer Art ſich bemerkbar
gemacht hat. Der eine dieſer Entwürfe ſteht mit
dem Bonner Wettbewerb in Zuſammenhang, in
welchem das Kübler'ſche Project eines Haupt-
fachwerkes den zweiten Preis erzielte. Die größte
Spannweite der Mittelöffnung betrug hierbei
200 Meter, erreichte alſo ungefähr jene Grenze,
über welche hinaus weder Bogenbrücken noch
Kragbrücken, ſowohl bezüglich der Koſten als auch
in der äußeren Erſcheinung, kaum mehr mit einer
rationell verſteiften Kabelbrücke wetteifern können.
In dem Entwurfe Kübler's für die Budapeſter
Schwurplatzbrücke
— eine 310 Meter weite
Kabelbrücke — erwies ſich dieſelbe allen übrigen
mitconcurrirenden Syſtemen, ob nun Bogenbrücke
mit Kabelverſteifung, reine Bogenbrücke oder Aus-
legerbrücke, im Gewichte weit überlegen. Die
Kabelbrücke wog nämlich nur 5425 Tonnen,
während die übrigen genannten Syſteme 7115,
8345 bis 8500 Tonnen Eiſengewicht erreichten.

Bei allen dieſen Entwürfen erwies ſich die
Frage, ob »Kabel« oder »Kette«, von mehr oder
weniger einſchneidender Bedeutung. Hervorragende
Fachmänner reden unbedingt dem Kabel das
Wort; denn ſehr bedeutende Spannweiten können
mit dem Kabel am billigſten und ebenſo ſicher
überbrückt werden, wie mit der Kette, welch
letztere ganz weſentliche Mehrkoſten erfordert.
Dazu kommt, daß angeſichts der hohen Stufe, auf
welcher heute die Eiſenfabrikate ſtehen, auch für
die Draht- und Kabelconſtruction die Garantie
vorzüglichſter Materialherſtellung gegeben iſt. Auf
Grund der ausgedehnten Hilfsmittel, welche zur
Zeit dem Conſtructeur zur Verfügung ſtehen,
unterliegt es keinem Zweifel, daß derſelbe in der Lage iſt, eine verſteifte Hänge-
brücke genau nach den theoretiſchen Anforderungen zu bauen. Bei dieſem Anlaſſe
ſei daran erinnert, daß die alte Kettenbrücke in Budapeſt ſeinerzeit als eine Art

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0337" n="297"/>
              <fw place="top" type="header">Der ei&#x017F;erne Brückenbau.</fw><lb/>
              <p>Die vollkommen&#x017F;te Ver&#x017F;teifung einer Hängebrücke i&#x017F;t das &#x017F;ogenannte »Hänge-<lb/>
fachwerk«, welches in jüng&#x017F;ter Zeit in Deut&#x017F;chland die ihm gebührende Beachtung<lb/>
erfahren hat, be&#x017F;onders &#x017F;eitdem Oberingenieur  <figure><head>Fig. 246.</head><p> Kübler's Entwur für die Rheinbrücke bei Bonn-Beuel.</p></figure><lb/><hi rendition="#g">Kübler</hi> (Ma&#x017F;chinenfabrik Eßlingen) mit zwei her-<lb/>
vorragenden Entwürfen die&#x017F;er Art &#x017F;ich bemerkbar<lb/>
gemacht hat. Der eine die&#x017F;er Entwürfe &#x017F;teht mit<lb/>
dem Bonner Wettbewerb in Zu&#x017F;ammenhang, in<lb/>
welchem das <hi rendition="#g">Kübler</hi>'&#x017F;che Project eines Haupt-<lb/>
fachwerkes den zweiten Preis erzielte. Die größte<lb/>
Spannweite der Mittelöffnung betrug hierbei<lb/>
200 Meter, erreichte al&#x017F;o ungefähr jene Grenze,<lb/>
über welche hinaus weder Bogenbrücken noch<lb/>
Kragbrücken, &#x017F;owohl bezüglich der Ko&#x017F;ten als auch<lb/>
in der äußeren Er&#x017F;cheinung, kaum mehr mit einer<lb/>
rationell ver&#x017F;teiften Kabelbrücke wetteifern können.<lb/>
In dem Entwurfe <hi rendition="#g">Kübler</hi>'s für die <hi rendition="#g">Budape&#x017F;ter<lb/>
Schwurplatzbrücke</hi> &#x2014; eine 310 Meter weite<lb/>
Kabelbrücke &#x2014; erwies &#x017F;ich die&#x017F;elbe allen übrigen<lb/>
mitconcurrirenden Sy&#x017F;temen, ob nun Bogenbrücke<lb/>
mit Kabelver&#x017F;teifung, reine Bogenbrücke oder Aus-<lb/>
legerbrücke, im Gewichte weit überlegen. Die<lb/>
Kabelbrücke wog nämlich nur 5425 Tonnen,<lb/>
während die übrigen genannten Sy&#x017F;teme 7115,<lb/>
8345 bis 8500 Tonnen Ei&#x017F;engewicht erreichten.</p><lb/>
              <p>Bei allen die&#x017F;en Entwürfen erwies &#x017F;ich die<lb/>
Frage, ob »Kabel« oder »Kette«, von mehr oder<lb/>
weniger ein&#x017F;chneidender Bedeutung. Hervorragende<lb/>
Fachmänner reden unbedingt dem Kabel das<lb/>
Wort; denn &#x017F;ehr bedeutende Spannweiten können<lb/>
mit dem Kabel am billig&#x017F;ten und eben&#x017F;o &#x017F;icher<lb/>
überbrückt werden, wie mit der Kette, welch<lb/>
letztere ganz we&#x017F;entliche Mehrko&#x017F;ten erfordert.<lb/>
Dazu kommt, daß ange&#x017F;ichts der hohen Stufe, auf<lb/>
welcher heute die Ei&#x017F;enfabrikate &#x017F;tehen, auch für<lb/>
die Draht- und Kabelcon&#x017F;truction die Garantie<lb/>
vorzüglich&#x017F;ter Materialher&#x017F;tellung gegeben i&#x017F;t. Auf<lb/>
Grund der ausgedehnten Hilfsmittel, welche zur<lb/>
Zeit dem Con&#x017F;tructeur zur Verfügung &#x017F;tehen,<lb/>
unterliegt es keinem Zweifel, daß der&#x017F;elbe in der Lage i&#x017F;t, eine ver&#x017F;teifte Hänge-<lb/>
brücke genau nach den theoreti&#x017F;chen Anforderungen zu bauen. Bei die&#x017F;em Anla&#x017F;&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ei daran erinnert, daß die alte Kettenbrücke in Budape&#x017F;t &#x017F;einerzeit als eine Art<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0337] Der eiſerne Brückenbau. Die vollkommenſte Verſteifung einer Hängebrücke iſt das ſogenannte »Hänge- fachwerk«, welches in jüngſter Zeit in Deutſchland die ihm gebührende Beachtung erfahren hat, beſonders ſeitdem Oberingenieur [Abbildung Fig. 246. Kübler's Entwur für die Rheinbrücke bei Bonn-Beuel.] Kübler (Maſchinenfabrik Eßlingen) mit zwei her- vorragenden Entwürfen dieſer Art ſich bemerkbar gemacht hat. Der eine dieſer Entwürfe ſteht mit dem Bonner Wettbewerb in Zuſammenhang, in welchem das Kübler'ſche Project eines Haupt- fachwerkes den zweiten Preis erzielte. Die größte Spannweite der Mittelöffnung betrug hierbei 200 Meter, erreichte alſo ungefähr jene Grenze, über welche hinaus weder Bogenbrücken noch Kragbrücken, ſowohl bezüglich der Koſten als auch in der äußeren Erſcheinung, kaum mehr mit einer rationell verſteiften Kabelbrücke wetteifern können. In dem Entwurfe Kübler's für die Budapeſter Schwurplatzbrücke — eine 310 Meter weite Kabelbrücke — erwies ſich dieſelbe allen übrigen mitconcurrirenden Syſtemen, ob nun Bogenbrücke mit Kabelverſteifung, reine Bogenbrücke oder Aus- legerbrücke, im Gewichte weit überlegen. Die Kabelbrücke wog nämlich nur 5425 Tonnen, während die übrigen genannten Syſteme 7115, 8345 bis 8500 Tonnen Eiſengewicht erreichten. Bei allen dieſen Entwürfen erwies ſich die Frage, ob »Kabel« oder »Kette«, von mehr oder weniger einſchneidender Bedeutung. Hervorragende Fachmänner reden unbedingt dem Kabel das Wort; denn ſehr bedeutende Spannweiten können mit dem Kabel am billigſten und ebenſo ſicher überbrückt werden, wie mit der Kette, welch letztere ganz weſentliche Mehrkoſten erfordert. Dazu kommt, daß angeſichts der hohen Stufe, auf welcher heute die Eiſenfabrikate ſtehen, auch für die Draht- und Kabelconſtruction die Garantie vorzüglichſter Materialherſtellung gegeben iſt. Auf Grund der ausgedehnten Hilfsmittel, welche zur Zeit dem Conſtructeur zur Verfügung ſtehen, unterliegt es keinem Zweifel, daß derſelbe in der Lage iſt, eine verſteifte Hänge- brücke genau nach den theoretiſchen Anforderungen zu bauen. Bei dieſem Anlaſſe ſei daran erinnert, daß die alte Kettenbrücke in Budapeſt ſeinerzeit als eine Art

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/337
Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/337>, abgerufen am 21.11.2024.