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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Der eiserne Brückenbau.
Gitterwerk verbundene Flacheisen gebildet. Die Montirung erfolgte ohne Rüstung,
indem man durch zwei provisorische Aufbauten auf den Pfeilern die Bogenhälften
in Tragarme verwandelte.

Durch den Wegfall der Rüstung konnten die Tuben nur in der Weise an-
einandergefügt werden, daß man sie von den Widerlagern her freischwebend vor-
baute, was durch Anwendung von Kabeln, an welchen die Röhrenstücke hingen,
zu erreichen war. Die Kabel waren an hohen Gerüsten über den Pfeilern befestigt.
Trotzdem nun die Compression, welche jedes der Röhrenstücke durch den Druck
erfuhr, dadurch Rechnung getragen war, daß jedes einzelne Stück entsprechend
länger gehalten wurde (in Summa für jede Bogenhälfte 4 Centimeter), ergab sich
in Folge ungleicher Erwärmung eine störende Differenz. Auch das Mehr der Länge
der Röhrenstücke war, als das Schlußstück eingeführt werden sollte, durch das An-
spannen der Kabel ausgeglichen. Ueberdies ergab sich, daß die beiden Bogenhälften
nicht alignirt waren; das Ende der einen Hälfte lag um 17.1 Centimeter zu niedrig,

[Abbildung] Fig. 263.

Mississippibrücke bei St. Louis. 1874.

das andere um 8.2 Centimeter zu hoch, während in der Horizontalebene die eine
Hälfte um 2.5 Centimeter, die andere um 7.6 Centimeter zu weit seitwärts
standen.

Die Seitenabweichungen konnten vermittelst der Kabel leicht ausgeglichen
werden, nicht aber die verticalen Abweichungen. Man wartete also einen Temperatur-
wechsel ab, der auch thatsächlich eintrat, wodurch die Differenz sich auf 5.7 Centi-
meter verminderte. Um keine Zeit zu verlieren, sollten nun die Gurten auf künst-
lichem Wege abgekühlt werden. Sie wurden mit wasserdichtem Zeuge umhüllt und
hierauf vertheilte man 10 Tonnen Eis über die Träger, das durch 36 Stunden
durch 50 Arbeiter fortwährend erneut wurde. Ein warmer Wind trat der beab-
sichtigten Wirkung theilweise hindernd entgegen, so daß schließlich noch immer eine
Differenz von etwa 1 1/2 Centimeter erübrigte. Man schritt nun dazu, die mittelst
Schrauben auf eine Adjustirung von im Maximum 3.2 Centimetern eingerichteten
Röhrenstücke einzusetzen, was ohne Anstand gelang.

Diese nicht ganz günstigen Erfahrungen, welche man beim Baue der St. Louis-
brücke gemacht hatte, führten zu lebhaften Auseinandersetzungen über das System
der Bogenbrücke, welche von Eads angeregt wurde. Er stellte unter Anderem den von
den meisten Fachgenossen lebhaft bekämpften Satz auf, daß der Bogen in Bezug
auf die Materialmenge die günstigste Trägerform repräsentire, welche selbst der

Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 21


Der eiſerne Brückenbau.
Gitterwerk verbundene Flacheiſen gebildet. Die Montirung erfolgte ohne Rüſtung,
indem man durch zwei proviſoriſche Aufbauten auf den Pfeilern die Bogenhälften
in Tragarme verwandelte.

Durch den Wegfall der Rüſtung konnten die Tuben nur in der Weiſe an-
einandergefügt werden, daß man ſie von den Widerlagern her freiſchwebend vor-
baute, was durch Anwendung von Kabeln, an welchen die Röhrenſtücke hingen,
zu erreichen war. Die Kabel waren an hohen Gerüſten über den Pfeilern befeſtigt.
Trotzdem nun die Compreſſion, welche jedes der Röhrenſtücke durch den Druck
erfuhr, dadurch Rechnung getragen war, daß jedes einzelne Stück entſprechend
länger gehalten wurde (in Summa für jede Bogenhälfte 4 Centimeter), ergab ſich
in Folge ungleicher Erwärmung eine ſtörende Differenz. Auch das Mehr der Länge
der Röhrenſtücke war, als das Schlußſtück eingeführt werden ſollte, durch das An-
ſpannen der Kabel ausgeglichen. Ueberdies ergab ſich, daß die beiden Bogenhälften
nicht alignirt waren; das Ende der einen Hälfte lag um 17‧1 Centimeter zu niedrig,

[Abbildung] Fig. 263.

Miſſiſſippibrücke bei St. Louis. 1874.

das andere um 8‧2 Centimeter zu hoch, während in der Horizontalebene die eine
Hälfte um 2‧5 Centimeter, die andere um 7‧6 Centimeter zu weit ſeitwärts
ſtanden.

Die Seitenabweichungen konnten vermittelſt der Kabel leicht ausgeglichen
werden, nicht aber die verticalen Abweichungen. Man wartete alſo einen Temperatur-
wechſel ab, der auch thatſächlich eintrat, wodurch die Differenz ſich auf 5‧7 Centi-
meter verminderte. Um keine Zeit zu verlieren, ſollten nun die Gurten auf künſt-
lichem Wege abgekühlt werden. Sie wurden mit waſſerdichtem Zeuge umhüllt und
hierauf vertheilte man 10 Tonnen Eis über die Träger, das durch 36 Stunden
durch 50 Arbeiter fortwährend erneut wurde. Ein warmer Wind trat der beab-
ſichtigten Wirkung theilweiſe hindernd entgegen, ſo daß ſchließlich noch immer eine
Differenz von etwa 1 ½ Centimeter erübrigte. Man ſchritt nun dazu, die mittelſt
Schrauben auf eine Adjuſtirung von im Maximum 3‧2 Centimetern eingerichteten
Röhrenſtücke einzuſetzen, was ohne Anſtand gelang.

Dieſe nicht ganz günſtigen Erfahrungen, welche man beim Baue der St. Louis-
brücke gemacht hatte, führten zu lebhaften Auseinanderſetzungen über das Syſtem
der Bogenbrücke, welche von Eads angeregt wurde. Er ſtellte unter Anderem den von
den meiſten Fachgenoſſen lebhaft bekämpften Satz auf, daß der Bogen in Bezug
auf die Materialmenge die günſtigſte Trägerform repräſentire, welche ſelbſt der

Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 21
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[321/0361] Der eiſerne Brückenbau. Gitterwerk verbundene Flacheiſen gebildet. Die Montirung erfolgte ohne Rüſtung, indem man durch zwei proviſoriſche Aufbauten auf den Pfeilern die Bogenhälften in Tragarme verwandelte. Durch den Wegfall der Rüſtung konnten die Tuben nur in der Weiſe an- einandergefügt werden, daß man ſie von den Widerlagern her freiſchwebend vor- baute, was durch Anwendung von Kabeln, an welchen die Röhrenſtücke hingen, zu erreichen war. Die Kabel waren an hohen Gerüſten über den Pfeilern befeſtigt. Trotzdem nun die Compreſſion, welche jedes der Röhrenſtücke durch den Druck erfuhr, dadurch Rechnung getragen war, daß jedes einzelne Stück entſprechend länger gehalten wurde (in Summa für jede Bogenhälfte 4 Centimeter), ergab ſich in Folge ungleicher Erwärmung eine ſtörende Differenz. Auch das Mehr der Länge der Röhrenſtücke war, als das Schlußſtück eingeführt werden ſollte, durch das An- ſpannen der Kabel ausgeglichen. Ueberdies ergab ſich, daß die beiden Bogenhälften nicht alignirt waren; das Ende der einen Hälfte lag um 17‧1 Centimeter zu niedrig, [Abbildung Fig. 263. Miſſiſſippibrücke bei St. Louis. 1874.] das andere um 8‧2 Centimeter zu hoch, während in der Horizontalebene die eine Hälfte um 2‧5 Centimeter, die andere um 7‧6 Centimeter zu weit ſeitwärts ſtanden. Die Seitenabweichungen konnten vermittelſt der Kabel leicht ausgeglichen werden, nicht aber die verticalen Abweichungen. Man wartete alſo einen Temperatur- wechſel ab, der auch thatſächlich eintrat, wodurch die Differenz ſich auf 5‧7 Centi- meter verminderte. Um keine Zeit zu verlieren, ſollten nun die Gurten auf künſt- lichem Wege abgekühlt werden. Sie wurden mit waſſerdichtem Zeuge umhüllt und hierauf vertheilte man 10 Tonnen Eis über die Träger, das durch 36 Stunden durch 50 Arbeiter fortwährend erneut wurde. Ein warmer Wind trat der beab- ſichtigten Wirkung theilweiſe hindernd entgegen, ſo daß ſchließlich noch immer eine Differenz von etwa 1 ½ Centimeter erübrigte. Man ſchritt nun dazu, die mittelſt Schrauben auf eine Adjuſtirung von im Maximum 3‧2 Centimetern eingerichteten Röhrenſtücke einzuſetzen, was ohne Anſtand gelang. Dieſe nicht ganz günſtigen Erfahrungen, welche man beim Baue der St. Louis- brücke gemacht hatte, führten zu lebhaften Auseinanderſetzungen über das Syſtem der Bogenbrücke, welche von Eads angeregt wurde. Er ſtellte unter Anderem den von den meiſten Fachgenoſſen lebhaft bekämpften Satz auf, daß der Bogen in Bezug auf die Materialmenge die günſtigſte Trägerform repräſentire, welche ſelbſt der Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 21

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/361>, abgerufen am 21.11.2024.