Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

Schiffahrtscanäle.
quantum von 1000 Millionen Cubikmeter nicht zu hoch gegriffen sein dürfte. Eine
einzige Ueberfluthung würde den Canal gänzlich zerstört haben.

Trotzdem wurde an die Ausführung des Unternehmens geschritten, mit welchem
Erfolge, ist bekannt. Calamitäten aller Art, worunter solche klimatischer Natur
sich besonders fühlbar machten, brachten das Unternehmen bald zum Stillstande.
Auch bezüglich der Arbeitsverhältnisse lagen hier die Verhältnisse ganz anders wie
in Aegypten. Des mörderischen Klimas wegen konnte nur auf einheimische Arbeiter,
ein sehr minderwerthiges Material, gerechnet werden, das aber gleichfalls den klima-
tischen Einwirkungen nicht Stand hielt. Dazu kamen finanzielle Schwierigkeiten,
welche das Unternehmen bald ins Stocken brachten. Nie ist ein großes Unternehmen
derart in den Sand verlaufen, wie dieses. Man schied von der Arbeitsstätte und
überließ alles bereits Geschaffene den Naturgewalten, welche, rascher als man es
sich versehen konnte, sich des gestörten Besitzes wieder bemächtigten. Die Arbeits-
plätze überzogen sich mit einer wild wuchernden Vegetation, die Maschinen ver-

[Abbildung] Fig. 409.

Situationsplan des Nicaraguacanales.

blieben an Ort und Stelle und verrosteten, die Arbeiterbaracken wurden zum Unter-
schlupf von allerlei Gethier -- kurz, aus dem Objecte einer weitgehenden, leider
verunglückten Speculation wurde eine Wüste eigenartiger Romantik, welche vor
Augen führte, wie ein modernes Culturwerk plötzlich wieder den wilden Gewalten
der Natur zur Beute wurde.

Die Arbeiten am Panamacanal wurden am 1. Februar 1881 in Angriff
genommen, etwas über acht Jahre später (15. März 1889) wurden sie eingestellt,
nachdem etwa 55 Millionen Cubikmeter Erde ausgehoben worden waren. Actien-
capital und Obligationen belaufen sich auf circa 1172 Millionen Francs, wogegen
die Activa neben 255.000 Hektar Urland und den ausgeführten Arbeiten nur
circa 231 Millionen Francs betragen, einschließlich der von der Gesellschaft im
Juni 1882 für 94 Millionen Francs erworbenen Panama-Eisenbahn.

Dem Panama-Unternehmen erwuchs alsbald ein gefährlicher Rivale in dem
sogenannten Nicaraguacanal. Da die leichte Ausführbarkeit des letzteren auch
nicht dem geringsten Zweifel mehr unterlag, ferner der Kostenvoranschlag sich auf
die mäßige Summe von 90 Millionen Dollars bezifferte, bildete sich im Jahre

Schiffahrtscanäle.
quantum von 1000 Millionen Cubikmeter nicht zu hoch gegriffen ſein dürfte. Eine
einzige Ueberfluthung würde den Canal gänzlich zerſtört haben.

Trotzdem wurde an die Ausführung des Unternehmens geſchritten, mit welchem
Erfolge, iſt bekannt. Calamitäten aller Art, worunter ſolche klimatiſcher Natur
ſich beſonders fühlbar machten, brachten das Unternehmen bald zum Stillſtande.
Auch bezüglich der Arbeitsverhältniſſe lagen hier die Verhältniſſe ganz anders wie
in Aegypten. Des mörderiſchen Klimas wegen konnte nur auf einheimiſche Arbeiter,
ein ſehr minderwerthiges Material, gerechnet werden, das aber gleichfalls den klima-
tiſchen Einwirkungen nicht Stand hielt. Dazu kamen finanzielle Schwierigkeiten,
welche das Unternehmen bald ins Stocken brachten. Nie iſt ein großes Unternehmen
derart in den Sand verlaufen, wie dieſes. Man ſchied von der Arbeitsſtätte und
überließ alles bereits Geſchaffene den Naturgewalten, welche, raſcher als man es
ſich verſehen konnte, ſich des geſtörten Beſitzes wieder bemächtigten. Die Arbeits-
plätze überzogen ſich mit einer wild wuchernden Vegetation, die Maſchinen ver-

[Abbildung] Fig. 409.

Situationsplan des Nicaraguacanales.

blieben an Ort und Stelle und verroſteten, die Arbeiterbaracken wurden zum Unter-
ſchlupf von allerlei Gethier — kurz, aus dem Objecte einer weitgehenden, leider
verunglückten Speculation wurde eine Wüſte eigenartiger Romantik, welche vor
Augen führte, wie ein modernes Culturwerk plötzlich wieder den wilden Gewalten
der Natur zur Beute wurde.

Die Arbeiten am Panamacanal wurden am 1. Februar 1881 in Angriff
genommen, etwas über acht Jahre ſpäter (15. März 1889) wurden ſie eingeſtellt,
nachdem etwa 55 Millionen Cubikmeter Erde ausgehoben worden waren. Actien-
capital und Obligationen belaufen ſich auf circa 1172 Millionen Francs, wogegen
die Activa neben 255.000 Hektar Urland und den ausgeführten Arbeiten nur
circa 231 Millionen Francs betragen, einſchließlich der von der Geſellſchaft im
Juni 1882 für 94 Millionen Francs erworbenen Panama-Eiſenbahn.

Dem Panama-Unternehmen erwuchs alsbald ein gefährlicher Rivale in dem
ſogenannten Nicaraguacanal. Da die leichte Ausführbarkeit des letzteren auch
nicht dem geringſten Zweifel mehr unterlag, ferner der Koſtenvoranſchlag ſich auf
die mäßige Summe von 90 Millionen Dollars bezifferte, bildete ſich im Jahre

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0597" n="537"/><fw place="top" type="header">Schiffahrtscanäle.</fw><lb/>
quantum von 1000 Millionen Cubikmeter nicht zu hoch gegriffen &#x017F;ein dürfte. Eine<lb/>
einzige Ueberfluthung würde den Canal gänzlich zer&#x017F;tört haben.</p><lb/>
              <p>Trotzdem wurde an die Ausführung des Unternehmens ge&#x017F;chritten, mit welchem<lb/>
Erfolge, i&#x017F;t bekannt. Calamitäten aller Art, worunter &#x017F;olche klimati&#x017F;cher Natur<lb/>
&#x017F;ich be&#x017F;onders fühlbar machten, brachten das Unternehmen bald zum Still&#x017F;tande.<lb/>
Auch bezüglich der Arbeitsverhältni&#x017F;&#x017F;e lagen hier die Verhältni&#x017F;&#x017F;e ganz anders wie<lb/>
in Aegypten. Des mörderi&#x017F;chen Klimas wegen konnte nur auf einheimi&#x017F;che Arbeiter,<lb/>
ein &#x017F;ehr minderwerthiges Material, gerechnet werden, das aber gleichfalls den klima-<lb/>
ti&#x017F;chen Einwirkungen nicht Stand hielt. Dazu kamen finanzielle Schwierigkeiten,<lb/>
welche das Unternehmen bald ins Stocken brachten. Nie i&#x017F;t ein großes Unternehmen<lb/>
derart in den Sand verlaufen, wie die&#x017F;es. Man &#x017F;chied von der Arbeits&#x017F;tätte und<lb/>
überließ alles bereits Ge&#x017F;chaffene den Naturgewalten, welche, ra&#x017F;cher als man es<lb/>
&#x017F;ich ver&#x017F;ehen konnte, &#x017F;ich des ge&#x017F;törten Be&#x017F;itzes wieder bemächtigten. Die Arbeits-<lb/>
plätze überzogen &#x017F;ich mit einer wild wuchernden Vegetation, die Ma&#x017F;chinen ver-<lb/><figure><head>Fig. 409.</head><p> Situationsplan des Nicaraguacanales.</p></figure><lb/>
blieben an Ort und Stelle und verro&#x017F;teten, die Arbeiterbaracken wurden zum Unter-<lb/>
&#x017F;chlupf von allerlei Gethier &#x2014; kurz, aus dem Objecte einer weitgehenden, leider<lb/>
verunglückten Speculation wurde eine Wü&#x017F;te eigenartiger Romantik, welche vor<lb/>
Augen führte, wie ein modernes Culturwerk plötzlich wieder den wilden Gewalten<lb/>
der Natur zur Beute wurde.</p><lb/>
              <p>Die Arbeiten am Panamacanal wurden am 1. Februar 1881 in Angriff<lb/>
genommen, etwas über acht Jahre &#x017F;päter (15. März 1889) wurden &#x017F;ie einge&#x017F;tellt,<lb/>
nachdem etwa 55 Millionen Cubikmeter Erde ausgehoben worden waren. Actien-<lb/>
capital und Obligationen belaufen &#x017F;ich auf circa 1172 Millionen Francs, wogegen<lb/>
die Activa neben 255.000 Hektar Urland und den ausgeführten Arbeiten nur<lb/>
circa 231 Millionen Francs betragen, ein&#x017F;chließlich der von der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft im<lb/>
Juni 1882 für 94 Millionen Francs erworbenen Panama-Ei&#x017F;enbahn.</p><lb/>
              <p>Dem Panama-Unternehmen erwuchs alsbald ein gefährlicher Rivale in dem<lb/>
&#x017F;ogenannten <hi rendition="#g">Nicaraguacanal</hi>. Da die leichte Ausführbarkeit des letzteren auch<lb/>
nicht dem gering&#x017F;ten Zweifel mehr unterlag, ferner der Ko&#x017F;tenvoran&#x017F;chlag &#x017F;ich auf<lb/>
die mäßige Summe von 90 Millionen Dollars bezifferte, bildete &#x017F;ich im Jahre<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[537/0597] Schiffahrtscanäle. quantum von 1000 Millionen Cubikmeter nicht zu hoch gegriffen ſein dürfte. Eine einzige Ueberfluthung würde den Canal gänzlich zerſtört haben. Trotzdem wurde an die Ausführung des Unternehmens geſchritten, mit welchem Erfolge, iſt bekannt. Calamitäten aller Art, worunter ſolche klimatiſcher Natur ſich beſonders fühlbar machten, brachten das Unternehmen bald zum Stillſtande. Auch bezüglich der Arbeitsverhältniſſe lagen hier die Verhältniſſe ganz anders wie in Aegypten. Des mörderiſchen Klimas wegen konnte nur auf einheimiſche Arbeiter, ein ſehr minderwerthiges Material, gerechnet werden, das aber gleichfalls den klima- tiſchen Einwirkungen nicht Stand hielt. Dazu kamen finanzielle Schwierigkeiten, welche das Unternehmen bald ins Stocken brachten. Nie iſt ein großes Unternehmen derart in den Sand verlaufen, wie dieſes. Man ſchied von der Arbeitsſtätte und überließ alles bereits Geſchaffene den Naturgewalten, welche, raſcher als man es ſich verſehen konnte, ſich des geſtörten Beſitzes wieder bemächtigten. Die Arbeits- plätze überzogen ſich mit einer wild wuchernden Vegetation, die Maſchinen ver- [Abbildung Fig. 409. Situationsplan des Nicaraguacanales.] blieben an Ort und Stelle und verroſteten, die Arbeiterbaracken wurden zum Unter- ſchlupf von allerlei Gethier — kurz, aus dem Objecte einer weitgehenden, leider verunglückten Speculation wurde eine Wüſte eigenartiger Romantik, welche vor Augen führte, wie ein modernes Culturwerk plötzlich wieder den wilden Gewalten der Natur zur Beute wurde. Die Arbeiten am Panamacanal wurden am 1. Februar 1881 in Angriff genommen, etwas über acht Jahre ſpäter (15. März 1889) wurden ſie eingeſtellt, nachdem etwa 55 Millionen Cubikmeter Erde ausgehoben worden waren. Actien- capital und Obligationen belaufen ſich auf circa 1172 Millionen Francs, wogegen die Activa neben 255.000 Hektar Urland und den ausgeführten Arbeiten nur circa 231 Millionen Francs betragen, einſchließlich der von der Geſellſchaft im Juni 1882 für 94 Millionen Francs erworbenen Panama-Eiſenbahn. Dem Panama-Unternehmen erwuchs alsbald ein gefährlicher Rivale in dem ſogenannten Nicaraguacanal. Da die leichte Ausführbarkeit des letzteren auch nicht dem geringſten Zweifel mehr unterlag, ferner der Koſtenvoranſchlag ſich auf die mäßige Summe von 90 Millionen Dollars bezifferte, bildete ſich im Jahre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/597
Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/597>, abgerufen am 26.06.2024.