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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Zweiter Abschnitt.
Arbeiter preis. Ueberall sieht man sie wie Fliegen am Panzerkleide oder an den
Schraubenwellen kleben. Andere hocken vollends auf den mächtigen Schrauben-
flügeln, wie Pygmäen auf dem Leibe eines Riesen.

Für den Laien am interessantesten ist der Besuch des Werftstapel, deren es
in großen Etablissements eine Anzahl giebt und auf welchen man die Herstellung
des Schiffsrumpfes in den verschiedensten Stadien beobachten kann. Große über-
deckte "Hellinge", Schutz gegen den Einfluß der Witterung gewährend, sind in der
unmittelbaren Nähe des Wassers aufgebaut; unter ihnen stehen die in Bau begriffenen
Schiffe "auf Stapel", d. h. auf jenen langen Reihen von starken Klötzen in der
Mitte der Helling, auf welchem der Kiel des in Bau begriffenen Schiffes ruht, und
welche Klotz- und Pfahlrostunterlage sich in gleicher schräger Richtung nach dem
Wasser bis unter dessen Oberfläche fortsetzt, so daß das ablaufende Schiff auf
einer festen Bahn dahingleitet, bis es tief genug in das Wasser gekommen ist, um
sich durch seine eigene Schwimmkraft flott zu erhalten.

Der Stapellauf eines modernen Kriegsschiffes ist eine ziemlich heikle Sache.
Derselbe geht in anderer Weise vor sich, als früher bei den Holzschiffen. Bisher
ruhte das Schiff unmittelbar auf einer schiefen Ebene und rutschte auf dieser dem
Wasser zu herunter, nachdem man sie mit Talg eingeschmiert hatte. Das Rutschen
begann aber erst, nachdem man eine gegen den Hintersteven sich stemmende Stütze
weggehauen hatte. Das Schiff setzte sich nach dem beschriebenen Vorgange meist
so rasch in Bewegung, daß der Arbeiter, welcher damit betraut war, kaum Zeit
hatte, bei Seite zu springen. Jetzt gestaltet sich die Sache durchaus gefahrlos. Die
Stütze am Hintersteven ist weggefallen und durch einen starken Balken ersetzt, der
dem Lande zu einerseits mit dem Schlitten verbunden ist, auf dem das Schiff ruht,
andererseits in der Erde verankert ist. Dieser Balken wird einfach abgesägt, worauf
sich der Schiffskoloß in Bewegung setzt. Dieses Absägen aber ist gänzlich gefahrlos,
weil der Balken, wie oben bemerkt, unter dem Vordersteven angeordnet ist. Das
Schiff aber rutscht sammt dem Schlitten ins Wasser und ruht daher nicht unmittelbar
auf dem Stapel. Der Schlitten wird nach dem Stapellauf wieder aufgefischt. Für
den Fall jedoch, daß das Schiff nicht von selbst in Bewegung geräth, trotz der
Talglage zwischen Schlitten und Stapel, sind am Vordersteven mehrere starke Winden
angeordnet, welche dem Schiffsrumpf den nothwendigen Anstoß geben. Doch ist dies in
den seltensten Fällen erforderlich.

Ist die Wasserbreite so gering, daß das vom Stapel gelassene Schiff der
Werft gegenüber auflaufen könnte, so wird neuerdings dessen Lauf nach dem Ver-
lassen des Stapels auf folgende eigenartige Weise gehemmt: man befestigt an dem
Bug eine Anzahl schwerster Ketten von bedeutender Länge; die Reibung der freien
Enden dieser Ketten auf dem Erdboden ist so groß, daß das schwerste Schiff bald
in seinem Laufe gehemmt wird. ... Wo kein genügend weiter Wasserraum vor der
Werft zur Verfügung steht, ist man gezwungen, die Schiffe quer ablaufen zu lassen,
weil dann das Fahrzeug durch den erhöhten Widerstand, den es beim Eintritt in

Zweiter Abſchnitt.
Arbeiter preis. Ueberall ſieht man ſie wie Fliegen am Panzerkleide oder an den
Schraubenwellen kleben. Andere hocken vollends auf den mächtigen Schrauben-
flügeln, wie Pygmäen auf dem Leibe eines Rieſen.

Für den Laien am intereſſanteſten iſt der Beſuch des Werftſtapel, deren es
in großen Etabliſſements eine Anzahl giebt und auf welchen man die Herſtellung
des Schiffsrumpfes in den verſchiedenſten Stadien beobachten kann. Große über-
deckte »Hellinge«, Schutz gegen den Einfluß der Witterung gewährend, ſind in der
unmittelbaren Nähe des Waſſers aufgebaut; unter ihnen ſtehen die in Bau begriffenen
Schiffe »auf Stapel«, d. h. auf jenen langen Reihen von ſtarken Klötzen in der
Mitte der Helling, auf welchem der Kiel des in Bau begriffenen Schiffes ruht, und
welche Klotz- und Pfahlroſtunterlage ſich in gleicher ſchräger Richtung nach dem
Waſſer bis unter deſſen Oberfläche fortſetzt, ſo daß das ablaufende Schiff auf
einer feſten Bahn dahingleitet, bis es tief genug in das Waſſer gekommen iſt, um
ſich durch ſeine eigene Schwimmkraft flott zu erhalten.

Der Stapellauf eines modernen Kriegsſchiffes iſt eine ziemlich heikle Sache.
Derſelbe geht in anderer Weiſe vor ſich, als früher bei den Holzſchiffen. Bisher
ruhte das Schiff unmittelbar auf einer ſchiefen Ebene und rutſchte auf dieſer dem
Waſſer zu herunter, nachdem man ſie mit Talg eingeſchmiert hatte. Das Rutſchen
begann aber erſt, nachdem man eine gegen den Hinterſteven ſich ſtemmende Stütze
weggehauen hatte. Das Schiff ſetzte ſich nach dem beſchriebenen Vorgange meiſt
ſo raſch in Bewegung, daß der Arbeiter, welcher damit betraut war, kaum Zeit
hatte, bei Seite zu ſpringen. Jetzt geſtaltet ſich die Sache durchaus gefahrlos. Die
Stütze am Hinterſteven iſt weggefallen und durch einen ſtarken Balken erſetzt, der
dem Lande zu einerſeits mit dem Schlitten verbunden iſt, auf dem das Schiff ruht,
andererſeits in der Erde verankert iſt. Dieſer Balken wird einfach abgeſägt, worauf
ſich der Schiffskoloß in Bewegung ſetzt. Dieſes Abſägen aber iſt gänzlich gefahrlos,
weil der Balken, wie oben bemerkt, unter dem Vorderſteven angeordnet iſt. Das
Schiff aber rutſcht ſammt dem Schlitten ins Waſſer und ruht daher nicht unmittelbar
auf dem Stapel. Der Schlitten wird nach dem Stapellauf wieder aufgefiſcht. Für
den Fall jedoch, daß das Schiff nicht von ſelbſt in Bewegung geräth, trotz der
Talglage zwiſchen Schlitten und Stapel, ſind am Vorderſteven mehrere ſtarke Winden
angeordnet, welche dem Schiffsrumpf den nothwendigen Anſtoß geben. Doch iſt dies in
den ſeltenſten Fällen erforderlich.

Iſt die Waſſerbreite ſo gering, daß das vom Stapel gelaſſene Schiff der
Werft gegenüber auflaufen könnte, ſo wird neuerdings deſſen Lauf nach dem Ver-
laſſen des Stapels auf folgende eigenartige Weiſe gehemmt: man befeſtigt an dem
Bug eine Anzahl ſchwerſter Ketten von bedeutender Länge; die Reibung der freien
Enden dieſer Ketten auf dem Erdboden iſt ſo groß, daß das ſchwerſte Schiff bald
in ſeinem Laufe gehemmt wird. ... Wo kein genügend weiter Waſſerraum vor der
Werft zur Verfügung ſteht, iſt man gezwungen, die Schiffe quer ablaufen zu laſſen,
weil dann das Fahrzeug durch den erhöhten Widerſtand, den es beim Eintritt in

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[638/0710] Zweiter Abſchnitt. Arbeiter preis. Ueberall ſieht man ſie wie Fliegen am Panzerkleide oder an den Schraubenwellen kleben. Andere hocken vollends auf den mächtigen Schrauben- flügeln, wie Pygmäen auf dem Leibe eines Rieſen. Für den Laien am intereſſanteſten iſt der Beſuch des Werftſtapel, deren es in großen Etabliſſements eine Anzahl giebt und auf welchen man die Herſtellung des Schiffsrumpfes in den verſchiedenſten Stadien beobachten kann. Große über- deckte »Hellinge«, Schutz gegen den Einfluß der Witterung gewährend, ſind in der unmittelbaren Nähe des Waſſers aufgebaut; unter ihnen ſtehen die in Bau begriffenen Schiffe »auf Stapel«, d. h. auf jenen langen Reihen von ſtarken Klötzen in der Mitte der Helling, auf welchem der Kiel des in Bau begriffenen Schiffes ruht, und welche Klotz- und Pfahlroſtunterlage ſich in gleicher ſchräger Richtung nach dem Waſſer bis unter deſſen Oberfläche fortſetzt, ſo daß das ablaufende Schiff auf einer feſten Bahn dahingleitet, bis es tief genug in das Waſſer gekommen iſt, um ſich durch ſeine eigene Schwimmkraft flott zu erhalten. Der Stapellauf eines modernen Kriegsſchiffes iſt eine ziemlich heikle Sache. Derſelbe geht in anderer Weiſe vor ſich, als früher bei den Holzſchiffen. Bisher ruhte das Schiff unmittelbar auf einer ſchiefen Ebene und rutſchte auf dieſer dem Waſſer zu herunter, nachdem man ſie mit Talg eingeſchmiert hatte. Das Rutſchen begann aber erſt, nachdem man eine gegen den Hinterſteven ſich ſtemmende Stütze weggehauen hatte. Das Schiff ſetzte ſich nach dem beſchriebenen Vorgange meiſt ſo raſch in Bewegung, daß der Arbeiter, welcher damit betraut war, kaum Zeit hatte, bei Seite zu ſpringen. Jetzt geſtaltet ſich die Sache durchaus gefahrlos. Die Stütze am Hinterſteven iſt weggefallen und durch einen ſtarken Balken erſetzt, der dem Lande zu einerſeits mit dem Schlitten verbunden iſt, auf dem das Schiff ruht, andererſeits in der Erde verankert iſt. Dieſer Balken wird einfach abgeſägt, worauf ſich der Schiffskoloß in Bewegung ſetzt. Dieſes Abſägen aber iſt gänzlich gefahrlos, weil der Balken, wie oben bemerkt, unter dem Vorderſteven angeordnet iſt. Das Schiff aber rutſcht ſammt dem Schlitten ins Waſſer und ruht daher nicht unmittelbar auf dem Stapel. Der Schlitten wird nach dem Stapellauf wieder aufgefiſcht. Für den Fall jedoch, daß das Schiff nicht von ſelbſt in Bewegung geräth, trotz der Talglage zwiſchen Schlitten und Stapel, ſind am Vorderſteven mehrere ſtarke Winden angeordnet, welche dem Schiffsrumpf den nothwendigen Anſtoß geben. Doch iſt dies in den ſeltenſten Fällen erforderlich. Iſt die Waſſerbreite ſo gering, daß das vom Stapel gelaſſene Schiff der Werft gegenüber auflaufen könnte, ſo wird neuerdings deſſen Lauf nach dem Ver- laſſen des Stapels auf folgende eigenartige Weiſe gehemmt: man befeſtigt an dem Bug eine Anzahl ſchwerſter Ketten von bedeutender Länge; die Reibung der freien Enden dieſer Ketten auf dem Erdboden iſt ſo groß, daß das ſchwerſte Schiff bald in ſeinem Laufe gehemmt wird. ... Wo kein genügend weiter Waſſerraum vor der Werft zur Verfügung ſteht, iſt man gezwungen, die Schiffe quer ablaufen zu laſſen, weil dann das Fahrzeug durch den erhöhten Widerſtand, den es beim Eintritt in

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 638. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/710>, abgerufen am 22.11.2024.