durch ein Gemenge derselben mit Gasolin (Petroleumbenzin) in Bewegung gesetzt wird. Dieses Gemenge ist explodirbar und wird auch thatsächlich zur Explosion gebracht, sobald das Geschoß einen bestimmten Weg im Geschützrohre zurückgelegt hat. Durch die auf diese Art plötzlich erhöhte Gasspannung bekommt das Geschoß rascher die ihm nöthige lebendige Kraft, und es ist zulässig, das Rohr kürzer zu halten. Die Kanone ist sehr sinnreich construirt, und der Stoß, den das mit Dynamit gefüllte Geschoß bei der Explosion erhält, so gering, daß er demselben nicht gefährlich wird.
James Waid Graydon, Officier der Vereinigten Staaten-Marine, hat eine pneumatische Dynamitkanone construirt, welche mit zusammengepreßter Luft von 210 Atmosphären Spannung schießt und in Folge dessen, trotz geringerer
[Abbildung]
Fig. 620.
Projectile der Dudley-Kanone.
Länge und kleinerer Elevation (flacherer Flugbahn), dennoch 4 Kilometer Schuß- weite besitzt. Von demselben Erfinder rührt auch ein Dynamitgeschoß her, das aus Pulvergeschützen geschossen werden kann. Um den Stoß der Pulverladung abzuschwächen, hat das Geschoß hinten einen Puffer; damit die Wärme, welche von den Pulver- gasen auf das Geschoß übertragen wird, und jene, welche durch die Reibung des Geschosses in der Bohrung entsteht, der Dynamitfüllung nicht gefährlich werde, ist die Geschützhöhlung mit Asbest ausgekleidet. Ein 18 Centimeter- Geschütz dieser Art mit 10 Kilogramm Pulverladung schießt Stahlgeschosse von 50 Kilogramm Gewicht mit 10 Kilogramm Dynamitfüllung auf 2 Kilometer Distanz und richtet an einem 35 Centimeter starken Panzer ganz erhebliche Zer- störungen an.
In jüngster Zeit ist unter den artilleristischen Küstenvertheidigungsmitteln ein neues Geschütz -- die pneumatische Kanone von Dudley -- aufgetaucht. Ent- gegen den vorbesprochenen Typen, welche zur "Abfeuerung" des Geschosses eines besonderen Apparates zur Verdichtung der Luft bedürfen, kommt der Dudley'schen Kanone der Vorzug zu, daß diese complicirte Vorrichtung entfällt. Die Comprimirung der Luft erfolgt nämlich durch den Druck, welchen die Explosion gewöhnlichen Schießpulvers beim Abbrennen im Rohre erzeugt. Das Geschütz stellt sich aus drei parallel angeordneten Rohren dar, welche an einem Gestelle derart montirt sind, daß sie sich gemeinsam um eine verticale Achse des Gestelles drehen lassen. Die drei Rohre sind fest miteinander verbunden; das mittlere (und längste) ist das eigentliche Feuerrohr und wiegt 125 Kilogramm; die beiden seitlichen Rohre sind leichter und communiciren durch ein hohles Verbindungsstück, das an ihren
Erſter Abſchnitt.
durch ein Gemenge derſelben mit Gaſolin (Petroleumbenzin) in Bewegung geſetzt wird. Dieſes Gemenge iſt explodirbar und wird auch thatſächlich zur Exploſion gebracht, ſobald das Geſchoß einen beſtimmten Weg im Geſchützrohre zurückgelegt hat. Durch die auf dieſe Art plötzlich erhöhte Gasſpannung bekommt das Geſchoß raſcher die ihm nöthige lebendige Kraft, und es iſt zuläſſig, das Rohr kürzer zu halten. Die Kanone iſt ſehr ſinnreich conſtruirt, und der Stoß, den das mit Dynamit gefüllte Geſchoß bei der Exploſion erhält, ſo gering, daß er demſelben nicht gefährlich wird.
James Waid Graydon, Officier der Vereinigten Staaten-Marine, hat eine pneumatiſche Dynamitkanone conſtruirt, welche mit zuſammengepreßter Luft von 210 Atmoſphären Spannung ſchießt und in Folge deſſen, trotz geringerer
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Fig. 620.
Projectile der Dudley-Kanone.
Länge und kleinerer Elevation (flacherer Flugbahn), dennoch 4 Kilometer Schuß- weite beſitzt. Von demſelben Erfinder rührt auch ein Dynamitgeſchoß her, das aus Pulvergeſchützen geſchoſſen werden kann. Um den Stoß der Pulverladung abzuſchwächen, hat das Geſchoß hinten einen Puffer; damit die Wärme, welche von den Pulver- gaſen auf das Geſchoß übertragen wird, und jene, welche durch die Reibung des Geſchoſſes in der Bohrung entſteht, der Dynamitfüllung nicht gefährlich werde, iſt die Geſchützhöhlung mit Asbeſt ausgekleidet. Ein 18 Centimeter- Geſchütz dieſer Art mit 10 Kilogramm Pulverladung ſchießt Stahlgeſchoſſe von 50 Kilogramm Gewicht mit 10 Kilogramm Dynamitfüllung auf 2 Kilometer Diſtanz und richtet an einem 35 Centimeter ſtarken Panzer ganz erhebliche Zer- ſtörungen an.
In jüngſter Zeit iſt unter den artilleriſtiſchen Küſtenvertheidigungsmitteln ein neues Geſchütz — die pneumatiſche Kanone von Dudley — aufgetaucht. Ent- gegen den vorbeſprochenen Typen, welche zur »Abfeuerung« des Geſchoſſes eines beſonderen Apparates zur Verdichtung der Luft bedürfen, kommt der Dudley'ſchen Kanone der Vorzug zu, daß dieſe complicirte Vorrichtung entfällt. Die Comprimirung der Luft erfolgt nämlich durch den Druck, welchen die Exploſion gewöhnlichen Schießpulvers beim Abbrennen im Rohre erzeugt. Das Geſchütz ſtellt ſich aus drei parallel angeordneten Rohren dar, welche an einem Geſtelle derart montirt ſind, daß ſie ſich gemeinſam um eine verticale Achſe des Geſtelles drehen laſſen. Die drei Rohre ſind feſt miteinander verbunden; das mittlere (und längſte) iſt das eigentliche Feuerrohr und wiegt 125 Kilogramm; die beiden ſeitlichen Rohre ſind leichter und communiciren durch ein hohles Verbindungsſtück, das an ihren
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Erſter Abſchnitt.
durch ein Gemenge derſelben mit Gaſolin (Petroleumbenzin) in Bewegung geſetzt
wird. Dieſes Gemenge iſt explodirbar und wird auch thatſächlich zur Exploſion
gebracht, ſobald das Geſchoß einen beſtimmten Weg im Geſchützrohre zurückgelegt
hat. Durch die auf dieſe Art plötzlich erhöhte Gasſpannung bekommt das Geſchoß
raſcher die ihm nöthige lebendige Kraft, und es iſt zuläſſig, das Rohr kürzer zu
halten. Die Kanone iſt ſehr ſinnreich conſtruirt, und der Stoß, den das mit
Dynamit gefüllte Geſchoß bei der Exploſion erhält, ſo gering, daß er demſelben
nicht gefährlich wird.
James Waid Graydon, Officier der Vereinigten Staaten-Marine, hat
eine pneumatiſche Dynamitkanone conſtruirt, welche mit zuſammengepreßter Luft
von 210 Atmoſphären Spannung ſchießt und in Folge deſſen, trotz geringerer
[Abbildung Fig. 620. Projectile der Dudley-Kanone.]
Länge und kleinerer Elevation (flacherer
Flugbahn), dennoch 4 Kilometer Schuß-
weite beſitzt. Von demſelben Erfinder
rührt auch ein Dynamitgeſchoß her,
das aus Pulvergeſchützen geſchoſſen
werden kann. Um den Stoß der
Pulverladung abzuſchwächen, hat das
Geſchoß hinten einen Puffer; damit
die Wärme, welche von den Pulver-
gaſen auf das Geſchoß übertragen wird,
und jene, welche durch die Reibung
des Geſchoſſes in der Bohrung entſteht,
der Dynamitfüllung nicht gefährlich
werde, iſt die Geſchützhöhlung mit Asbeſt ausgekleidet. Ein 18 Centimeter-
Geſchütz dieſer Art mit 10 Kilogramm Pulverladung ſchießt Stahlgeſchoſſe von
50 Kilogramm Gewicht mit 10 Kilogramm Dynamitfüllung auf 2 Kilometer
Diſtanz und richtet an einem 35 Centimeter ſtarken Panzer ganz erhebliche Zer-
ſtörungen an.
In jüngſter Zeit iſt unter den artilleriſtiſchen Küſtenvertheidigungsmitteln ein
neues Geſchütz — die pneumatiſche Kanone von Dudley — aufgetaucht. Ent-
gegen den vorbeſprochenen Typen, welche zur »Abfeuerung« des Geſchoſſes eines
beſonderen Apparates zur Verdichtung der Luft bedürfen, kommt der Dudley'ſchen
Kanone der Vorzug zu, daß dieſe complicirte Vorrichtung entfällt. Die Comprimirung
der Luft erfolgt nämlich durch den Druck, welchen die Exploſion gewöhnlichen
Schießpulvers beim Abbrennen im Rohre erzeugt. Das Geſchütz ſtellt ſich aus
drei parallel angeordneten Rohren dar, welche an einem Geſtelle derart montirt
ſind, daß ſie ſich gemeinſam um eine verticale Achſe des Geſtelles drehen laſſen.
Die drei Rohre ſind feſt miteinander verbunden; das mittlere (und längſte) iſt
das eigentliche Feuerrohr und wiegt 125 Kilogramm; die beiden ſeitlichen Rohre
ſind leichter und communiciren durch ein hohles Verbindungsſtück, das an ihren
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 766. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/846>, abgerufen am 22.11.2024.
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