kriege mit dem Einzellader nicht mehr zufrieden und bediente man sich schon damals der Repetirgewehre.
Im deutsch-französischen Kriege sehen wir einzelne Cavalleriekörper der Loire- Armee mit dem Spencer-Carabiner ausgerüstet, doch scheint sich derselbe nach fachmännischem Urtheile nicht bewährt zu haben. Bessere Erfahrungen über die Repetirwaffen wurden im russisch-türkischen Kriege 1877/78 gemacht, vornehmlich in den Kämpfen um Plevna, bei welchen die hauptsächlich mit dem Winchester- Carabiner ausgerüsteten Vertheidiger den angreifenden Russen und Rumänen Verluste bis zu 43 Procent beibrachten. Nach diesen Erfahrungen traten die meisten Militärstaaten der Repetirgewehrfrage näher. Auch hier versuchte man anfangs sich mit Umänderungsmodellen zu behelfen, ohne bessere Erfolge zu erzielen, als seinerzeit bei der Umgestaltung der vorhandenen Vorderlader in Hinterlader. Die weiteren Experimente führten dahin, am Gewehre selbst ein fixes Magazin anzu- bringen, welches eine bestimmte Anzahl von Patronen, den Repetirvorrath, auf- nahm. Durch einen mit dem Verschluß in Verbindung stehenden und durch diesen activirten Theil, dem "Zubringer", wurden die Patronen einzeln aus dem Magazin in eine derartige Lage gebracht, das der schließende Verschluß die Patrone in den Laderaum brachte. An den meisten dieser Gewehre finden wir eine Vorrichtung, die "Repetirsperre", welche es ermöglicht, den Repetirvorrath abzusperren, so daß selbst bei gefülltem Magazin das Gewehr anstandslos als Einlader verwendet werden kann, während der Repetirvorrath nur für wichtige Gefechtsmomente auf- gespart wird.
Zu diesen Systemen, die übrigens gegenwärtig kaum mehr als modern gelten, gehören: das deutsche Mauser-Gewehr Modell 1871/84 (Umänderungs- modell), das französische Lebel-Gewehr und das österreichisch-ungarische Kro- patschek-Gewehr. In Frankreich, wo 1874 an Stelle des Chassepot-Gewehres das 11 Millimeter-Gras-Gewehr trat, war die Idee der Einführung des Repetir- gewehres der Marine immer sympathischer als der Landarmee. Bei ersterer wurde denn auch 1878 das Kropatschek-Gewehr als "Fusil de marine, modele 1878" eingeführt. Nach dem russisch-türkischen Kriege 1877/78 schenkte man dieser Frage größere Aufmerksamkeit und befreundete sich nach und nach damit, auch bei der Landarmee das Repetirgewehr einzuführen. Das Marinegewehr zeigte sich indeß zu schwer. Man dachte also zunächst daran, die Gras-Gewehre in Repetirer um- zuwandeln, und erprobte 1883 die Construction der Gewehrfabrikanten Werndl und Vetterli (Schweiz). Gleichzeitig beschäftigte sich Gras mit einer Verbesserung des Kropatschek'schen Gewehres. So entstand das nach seinem Erzeugungsorte benannte "Fusil de Chatellerault, modele 1884", das sich in Tonking vorzüglich bewährte.
Die Construction des Repetirgewehres gestattet die Anbringung des Magazins im Vorderschaft, in einer Röhre unter dem Lauf, als Vorderschaftsmagazin, im Mittelschaft als Mittelschaftsmagazin und endlich im Kolben als Kolbenmagazin.
Dritter Abſchnitt.
kriege mit dem Einzellader nicht mehr zufrieden und bediente man ſich ſchon damals der Repetirgewehre.
Im deutſch-franzöſiſchen Kriege ſehen wir einzelne Cavalleriekörper der Loire- Armee mit dem Spencer-Carabiner ausgerüſtet, doch ſcheint ſich derſelbe nach fachmänniſchem Urtheile nicht bewährt zu haben. Beſſere Erfahrungen über die Repetirwaffen wurden im ruſſiſch-türkiſchen Kriege 1877/78 gemacht, vornehmlich in den Kämpfen um Plevna, bei welchen die hauptſächlich mit dem Wincheſter- Carabiner ausgerüſteten Vertheidiger den angreifenden Ruſſen und Rumänen Verluſte bis zu 43 Procent beibrachten. Nach dieſen Erfahrungen traten die meiſten Militärſtaaten der Repetirgewehrfrage näher. Auch hier verſuchte man anfangs ſich mit Umänderungsmodellen zu behelfen, ohne beſſere Erfolge zu erzielen, als ſeinerzeit bei der Umgeſtaltung der vorhandenen Vorderlader in Hinterlader. Die weiteren Experimente führten dahin, am Gewehre ſelbſt ein fixes Magazin anzu- bringen, welches eine beſtimmte Anzahl von Patronen, den Repetirvorrath, auf- nahm. Durch einen mit dem Verſchluß in Verbindung ſtehenden und durch dieſen activirten Theil, dem »Zubringer«, wurden die Patronen einzeln aus dem Magazin in eine derartige Lage gebracht, das der ſchließende Verſchluß die Patrone in den Laderaum brachte. An den meiſten dieſer Gewehre finden wir eine Vorrichtung, die »Repetirſperre«, welche es ermöglicht, den Repetirvorrath abzuſperren, ſo daß ſelbſt bei gefülltem Magazin das Gewehr anſtandslos als Einlader verwendet werden kann, während der Repetirvorrath nur für wichtige Gefechtsmomente auf- geſpart wird.
Zu dieſen Syſtemen, die übrigens gegenwärtig kaum mehr als modern gelten, gehören: das deutſche Mauſer-Gewehr Modell 1871/84 (Umänderungs- modell), das franzöſiſche Lebel-Gewehr und das öſterreichiſch-ungariſche Kro- patſchek-Gewehr. In Frankreich, wo 1874 an Stelle des Chaſſepot-Gewehres das 11 Millimeter-Gras-Gewehr trat, war die Idee der Einführung des Repetir- gewehres der Marine immer ſympathiſcher als der Landarmee. Bei erſterer wurde denn auch 1878 das Kropatſchek-Gewehr als »Fusil de marine, modèle 1878« eingeführt. Nach dem ruſſiſch-türkiſchen Kriege 1877/78 ſchenkte man dieſer Frage größere Aufmerkſamkeit und befreundete ſich nach und nach damit, auch bei der Landarmee das Repetirgewehr einzuführen. Das Marinegewehr zeigte ſich indeß zu ſchwer. Man dachte alſo zunächſt daran, die Gras-Gewehre in Repetirer um- zuwandeln, und erprobte 1883 die Conſtruction der Gewehrfabrikanten Werndl und Vetterli (Schweiz). Gleichzeitig beſchäftigte ſich Gras mit einer Verbeſſerung des Kropatſchek'ſchen Gewehres. So entſtand das nach ſeinem Erzeugungsorte benannte »Fusil de Châtellerault, modèle 1884«, das ſich in Tonking vorzüglich bewährte.
Die Conſtruction des Repetirgewehres geſtattet die Anbringung des Magazins im Vorderſchaft, in einer Röhre unter dem Lauf, als Vorderſchaftsmagazin, im Mittelſchaft als Mittelſchaftsmagazin und endlich im Kolben als Kolbenmagazin.
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Dritter Abſchnitt.
kriege mit dem Einzellader nicht mehr zufrieden und bediente man ſich ſchon damals
der Repetirgewehre.
Im deutſch-franzöſiſchen Kriege ſehen wir einzelne Cavalleriekörper der Loire-
Armee mit dem Spencer-Carabiner ausgerüſtet, doch ſcheint ſich derſelbe nach
fachmänniſchem Urtheile nicht bewährt zu haben. Beſſere Erfahrungen über die
Repetirwaffen wurden im ruſſiſch-türkiſchen Kriege 1877/78 gemacht, vornehmlich
in den Kämpfen um Plevna, bei welchen die hauptſächlich mit dem Wincheſter-
Carabiner ausgerüſteten Vertheidiger den angreifenden Ruſſen und Rumänen
Verluſte bis zu 43 Procent beibrachten. Nach dieſen Erfahrungen traten die meiſten
Militärſtaaten der Repetirgewehrfrage näher. Auch hier verſuchte man anfangs
ſich mit Umänderungsmodellen zu behelfen, ohne beſſere Erfolge zu erzielen, als
ſeinerzeit bei der Umgeſtaltung der vorhandenen Vorderlader in Hinterlader. Die
weiteren Experimente führten dahin, am Gewehre ſelbſt ein fixes Magazin anzu-
bringen, welches eine beſtimmte Anzahl von Patronen, den Repetirvorrath, auf-
nahm. Durch einen mit dem Verſchluß in Verbindung ſtehenden und durch dieſen
activirten Theil, dem »Zubringer«, wurden die Patronen einzeln aus dem Magazin
in eine derartige Lage gebracht, das der ſchließende Verſchluß die Patrone in den
Laderaum brachte. An den meiſten dieſer Gewehre finden wir eine Vorrichtung,
die »Repetirſperre«, welche es ermöglicht, den Repetirvorrath abzuſperren, ſo daß
ſelbſt bei gefülltem Magazin das Gewehr anſtandslos als Einlader verwendet
werden kann, während der Repetirvorrath nur für wichtige Gefechtsmomente auf-
geſpart wird.
Zu dieſen Syſtemen, die übrigens gegenwärtig kaum mehr als modern
gelten, gehören: das deutſche Mauſer-Gewehr Modell 1871/84 (Umänderungs-
modell), das franzöſiſche Lebel-Gewehr und das öſterreichiſch-ungariſche Kro-
patſchek-Gewehr. In Frankreich, wo 1874 an Stelle des Chaſſepot-Gewehres
das 11 Millimeter-Gras-Gewehr trat, war die Idee der Einführung des Repetir-
gewehres der Marine immer ſympathiſcher als der Landarmee. Bei erſterer wurde
denn auch 1878 das Kropatſchek-Gewehr als »Fusil de marine, modèle 1878«
eingeführt. Nach dem ruſſiſch-türkiſchen Kriege 1877/78 ſchenkte man dieſer Frage
größere Aufmerkſamkeit und befreundete ſich nach und nach damit, auch bei der
Landarmee das Repetirgewehr einzuführen. Das Marinegewehr zeigte ſich indeß
zu ſchwer. Man dachte alſo zunächſt daran, die Gras-Gewehre in Repetirer um-
zuwandeln, und erprobte 1883 die Conſtruction der Gewehrfabrikanten Werndl
und Vetterli (Schweiz). Gleichzeitig beſchäftigte ſich Gras mit einer Verbeſſerung
des Kropatſchek'ſchen Gewehres. So entſtand das nach ſeinem Erzeugungsorte
benannte »Fusil de Châtellerault, modèle 1884«, das ſich in Tonking vorzüglich
bewährte.
Die Conſtruction des Repetirgewehres geſtattet die Anbringung des Magazins
im Vorderſchaft, in einer Röhre unter dem Lauf, als Vorderſchaftsmagazin, im
Mittelſchaft als Mittelſchaftsmagazin und endlich im Kolben als Kolbenmagazin.
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 792. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/874>, abgerufen am 22.11.2024.
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