rades, und hier scheint der früher genannte Cowper werkthätig eingegriffen zu haben, denn die weiter oben erwähnten Verbesserungen traten an den neuen amerikanischen Fahrrädern zum erstenmale zu Tage. Hierbei traten bezüglich der Form des Vehikels die mannigfachsten Abweichungen hervor, vornehmlich was die Räder anbelangt. Das Vorderrad entwickelte sich bis zu den erstaunlichsten Dimen- sionen, während das Miniatur-Hinterrad nur zur Stütze des Sattels und des Gestelles diente. So entstand das Hochrad, dem seine englischen und amerikanischen Constructeure die Bezeichnung "Bicycle" beilegten.
Die Fortschritte, welche man in der Construction machte, namentlich die Einführung des Kugellagers, brachten den neuen Fahrapparat dem allgemeinen
[Abbildung]
Fig. 683.
M. Revis' "Manumotive" (1839).
Gebrauch immer näher. Man wendete diese Principien auf das längst vergessene Dreirad und Vierrad an und gab der alten Draisine ein modernes Gewand. Sie stieg von den Schienen wieder auf die Straße und trat in den Dienst des Publicums. Die Constructeure verfolgten zunächst zwei Rich- tungen: einerseits dem Sport zu dienen, was mit dem Hoch- rade erreicht wurde, andererseits ein praktisches Gebrauchsrad zu schaffen, dessen beste Form wohl in dem heutigen Militärrad zu finden ist. Nebenher machte man das Zweirad für die Benützung mehrerer Personen geeignet (Tandem) und gab ihm auch Formen, welche es für den Gebrauch der Damen geeignet machte. Damit war der Sieg des Niederrades über das Hochrad entschieden.
Da das Niederrad den Typus des modernen Fahrrades abgiebt, müssen wir uns mit dessen Construction eingehend beschäftigen. Die Hauptbestandtheile desselben sind: Vorderrad, Hinterrad, Gestell mit Sattel und Lenkstange, Kurbeln mit Pedal und Transmission. Das Princip der Fortbewegung beruht auf der Uebertragung der Antriebskraft, welche vom Fahrer durch Treten auf die Kurbeln ausgeübt wird, auf das Hinterrad, während das Vorderrad Lenk- oder Steuerrad ist. Hierbei ist eine Transmissionskette in der Weise thätig, daß sie von einem größeren, mit der Achse der Tretkurbeln zusammenfallenden Zahnrad auf ein mit der Achse des Hinterrades zusammenfallendes kleineres Zahnrad übergreift. Dadurch wird das Vehikel in Gang versetzt. Das Vorderrad entbehrt also den Antriebs- mechanismus und rollt nur mit. Es hat aber nebenbei die Aufgabe, gemeinsam mit dem Hinterrade das Gestell zu tragen.
Erſter Abſchnitt.
rades, und hier ſcheint der früher genannte Cowper werkthätig eingegriffen zu haben, denn die weiter oben erwähnten Verbeſſerungen traten an den neuen amerikaniſchen Fahrrädern zum erſtenmale zu Tage. Hierbei traten bezüglich der Form des Vehikels die mannigfachſten Abweichungen hervor, vornehmlich was die Räder anbelangt. Das Vorderrad entwickelte ſich bis zu den erſtaunlichſten Dimen- ſionen, während das Miniatur-Hinterrad nur zur Stütze des Sattels und des Geſtelles diente. So entſtand das Hochrad, dem ſeine engliſchen und amerikaniſchen Conſtructeure die Bezeichnung »Bicycle« beilegten.
Die Fortſchritte, welche man in der Conſtruction machte, namentlich die Einführung des Kugellagers, brachten den neuen Fahrapparat dem allgemeinen
[Abbildung]
Fig. 683.
M. Revis' »Manumotive« (1839).
Gebrauch immer näher. Man wendete dieſe Principien auf das längſt vergeſſene Dreirad und Vierrad an und gab der alten Draiſine ein modernes Gewand. Sie ſtieg von den Schienen wieder auf die Straße und trat in den Dienſt des Publicums. Die Conſtructeure verfolgten zunächſt zwei Rich- tungen: einerſeits dem Sport zu dienen, was mit dem Hoch- rade erreicht wurde, andererſeits ein praktiſches Gebrauchsrad zu ſchaffen, deſſen beſte Form wohl in dem heutigen Militärrad zu finden iſt. Nebenher machte man das Zweirad für die Benützung mehrerer Perſonen geeignet (Tandem) und gab ihm auch Formen, welche es für den Gebrauch der Damen geeignet machte. Damit war der Sieg des Niederrades über das Hochrad entſchieden.
Da das Niederrad den Typus des modernen Fahrrades abgiebt, müſſen wir uns mit deſſen Conſtruction eingehend beſchäftigen. Die Hauptbeſtandtheile desſelben ſind: Vorderrad, Hinterrad, Geſtell mit Sattel und Lenkſtange, Kurbeln mit Pedal und Transmiſſion. Das Princip der Fortbewegung beruht auf der Uebertragung der Antriebskraft, welche vom Fahrer durch Treten auf die Kurbeln ausgeübt wird, auf das Hinterrad, während das Vorderrad Lenk- oder Steuerrad iſt. Hierbei iſt eine Transmiſſionskette in der Weiſe thätig, daß ſie von einem größeren, mit der Achſe der Tretkurbeln zuſammenfallenden Zahnrad auf ein mit der Achſe des Hinterrades zuſammenfallendes kleineres Zahnrad übergreift. Dadurch wird das Vehikel in Gang verſetzt. Das Vorderrad entbehrt alſo den Antriebs- mechanismus und rollt nur mit. Es hat aber nebenbei die Aufgabe, gemeinſam mit dem Hinterrade das Geſtell zu tragen.
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[822/0904]
Erſter Abſchnitt.
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amerikaniſchen Fahrrädern zum erſtenmale zu Tage. Hierbei traten bezüglich der
Form des Vehikels die mannigfachſten Abweichungen hervor, vornehmlich was die
Räder anbelangt. Das Vorderrad entwickelte ſich bis zu den erſtaunlichſten Dimen-
ſionen, während das Miniatur-Hinterrad nur zur Stütze des Sattels und des
Geſtelles diente. So entſtand das Hochrad, dem ſeine engliſchen und amerikaniſchen
Conſtructeure die Bezeichnung »Bicycle« beilegten.
Die Fortſchritte, welche man in der Conſtruction machte, namentlich die
Einführung des Kugellagers, brachten den neuen Fahrapparat dem allgemeinen
[Abbildung Fig. 683. M. Revis' »Manumotive« (1839).]
Gebrauch immer näher. Man
wendete dieſe Principien auf
das längſt vergeſſene Dreirad
und Vierrad an und gab der
alten Draiſine ein modernes
Gewand. Sie ſtieg von den
Schienen wieder auf die Straße
und trat in den Dienſt des
Publicums. Die Conſtructeure
verfolgten zunächſt zwei Rich-
tungen: einerſeits dem Sport
zu dienen, was mit dem Hoch-
rade erreicht wurde, andererſeits
ein praktiſches Gebrauchsrad zu
ſchaffen, deſſen beſte Form wohl
in dem heutigen Militärrad zu finden iſt. Nebenher machte man das Zweirad für
die Benützung mehrerer Perſonen geeignet (Tandem) und gab ihm auch Formen,
welche es für den Gebrauch der Damen geeignet machte. Damit war der Sieg des
Niederrades über das Hochrad entſchieden.
Da das Niederrad den Typus des modernen Fahrrades abgiebt, müſſen
wir uns mit deſſen Conſtruction eingehend beſchäftigen. Die Hauptbeſtandtheile
desſelben ſind: Vorderrad, Hinterrad, Geſtell mit Sattel und Lenkſtange, Kurbeln
mit Pedal und Transmiſſion. Das Princip der Fortbewegung beruht auf der
Uebertragung der Antriebskraft, welche vom Fahrer durch Treten auf die Kurbeln
ausgeübt wird, auf das Hinterrad, während das Vorderrad Lenk- oder Steuerrad
iſt. Hierbei iſt eine Transmiſſionskette in der Weiſe thätig, daß ſie von einem
größeren, mit der Achſe der Tretkurbeln zuſammenfallenden Zahnrad auf ein mit
der Achſe des Hinterrades zuſammenfallendes kleineres Zahnrad übergreift. Dadurch
wird das Vehikel in Gang verſetzt. Das Vorderrad entbehrt alſo den Antriebs-
mechanismus und rollt nur mit. Es hat aber nebenbei die Aufgabe, gemeinſam
mit dem Hinterrade das Geſtell zu tragen.
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 822. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/904>, abgerufen am 22.11.2024.
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