pse_097.001 er sieht die Welt also überhaupt als Erhabenes, anderes geht pse_097.002 in seine Weltauffassung nicht ein. Voraussetzung für eine solche pse_097.003 Weltsicht ist der Zug des Menschen zum Großen. Dieser Zug pse_097.004 ist ihm ein seelisches Bedürfnis. Der Drang zum Großen läßt in pse_097.005 solch erfaßter Welt das Gewaltige in den Vordergrund treten: pse_097.006 Gewitter, Meeressturm, Urgebirge, aber auch im Menschen: pse_097.007 das hohe Planen, die kühne Tat usw. Damit öffnet sich aber pse_097.008 ein Hintergründiges, das in dieser Sicht des Erhabenen offenbar pse_097.009 wird. Ästhetische Gebilde des Erhabenen sind eben dadurch pse_097.010 ausgezeichnet, daß in ihrer Gestalt Hintergründiges pse_097.011 greifbar wird. So dringt solche Weltauffassung zum Überirdischen, pse_097.012 zum Ewigen. Damit zeigt sich, wie von den ästhetischen pse_097.013 Gebilden des Erhabenen her ein Weg zum Religiösen pse_097.014 betretbar ist. Die Haltung, mit der der Mensch dem Erhabenen pse_097.015 entgegentritt, ist durch eine Spannung gegeben: Widerstreben pse_097.016 und Zustimmung treffen zusammen. Widerstreben pse_097.017 gegen das, was uns vernichten und zermalmen könnte (Blitzschlag, pse_097.018 Hochflut, Erdbeben, grauenhafte Kühnheit), und doch pse_097.019 Zustimmung, da dieses Große uns innerlich erhebt, da wir pse_097.020 doch einen Aufschwung erleben. Wir fühlen also neben der pse_097.021 Bedrohung auch eine innere Überlegenheit, durch die wir pse_097.022 dieser Größe gewachsen sind.
pse_097.023 Nicht bloß Dinge und Verhältnisse der Natur können als pse_097.024 erhaben aufgefaßt werden, sondern auch Menschen und ihr pse_097.025 Tun und Sein. Wir nennen dann dieses Tun heroisch. Das pse_097.026 wäre eine engere Auffassung des Wortes "Held", das ja sonst pse_097.027 oft die Hauptperson einer epischen oder dramatischen Dichtung pse_097.028 bezeichnet. Die Spannung im Wortgehalt erleben wir, pse_097.029 wenn wir etwa einen Johannes Vokerath in G. Hauptmanns pse_097.030 "Einsamen Menschen" oder einen Ulrich in Musils "Mann pse_097.031 ohne Eigenschaften" als Helden bezeichnen. Wirkliche erhabene pse_097.032 Menschen bewundern wir, sie ragen, oft auch nur pse_097.033 durch eine Seite ihres Wesens, die auch rücksichtslos hervorgetrieben pse_097.034 sein kann, über das Menschliche hinaus. Ihr Einsatz pse_097.035 für höchste Werte reißt auch uns mit. Aber es macht einen pse_097.036 Unterschied aus, worin sie dieses Höchste sehen. Hier liegen pse_097.037 die Wurzeln der gesamten Heldendichtung und ihrer Spielarten. pse_097.038 Wenn sich Heldentum auch verzerren kann durch
pse_097.001 er sieht die Welt also überhaupt als Erhabenes, anderes geht pse_097.002 in seine Weltauffassung nicht ein. Voraussetzung für eine solche pse_097.003 Weltsicht ist der Zug des Menschen zum Großen. Dieser Zug pse_097.004 ist ihm ein seelisches Bedürfnis. Der Drang zum Großen läßt in pse_097.005 solch erfaßter Welt das Gewaltige in den Vordergrund treten: pse_097.006 Gewitter, Meeressturm, Urgebirge, aber auch im Menschen: pse_097.007 das hohe Planen, die kühne Tat usw. Damit öffnet sich aber pse_097.008 ein Hintergründiges, das in dieser Sicht des Erhabenen offenbar pse_097.009 wird. Ästhetische Gebilde des Erhabenen sind eben dadurch pse_097.010 ausgezeichnet, daß in ihrer Gestalt Hintergründiges pse_097.011 greifbar wird. So dringt solche Weltauffassung zum Überirdischen, pse_097.012 zum Ewigen. Damit zeigt sich, wie von den ästhetischen pse_097.013 Gebilden des Erhabenen her ein Weg zum Religiösen pse_097.014 betretbar ist. Die Haltung, mit der der Mensch dem Erhabenen pse_097.015 entgegentritt, ist durch eine Spannung gegeben: Widerstreben pse_097.016 und Zustimmung treffen zusammen. Widerstreben pse_097.017 gegen das, was uns vernichten und zermalmen könnte (Blitzschlag, pse_097.018 Hochflut, Erdbeben, grauenhafte Kühnheit), und doch pse_097.019 Zustimmung, da dieses Große uns innerlich erhebt, da wir pse_097.020 doch einen Aufschwung erleben. Wir fühlen also neben der pse_097.021 Bedrohung auch eine innere Überlegenheit, durch die wir pse_097.022 dieser Größe gewachsen sind.
pse_097.023 Nicht bloß Dinge und Verhältnisse der Natur können als pse_097.024 erhaben aufgefaßt werden, sondern auch Menschen und ihr pse_097.025 Tun und Sein. Wir nennen dann dieses Tun heroisch. Das pse_097.026 wäre eine engere Auffassung des Wortes »Held«, das ja sonst pse_097.027 oft die Hauptperson einer epischen oder dramatischen Dichtung pse_097.028 bezeichnet. Die Spannung im Wortgehalt erleben wir, pse_097.029 wenn wir etwa einen Johannes Vokerath in G. Hauptmanns pse_097.030 »Einsamen Menschen« oder einen Ulrich in Musils »Mann pse_097.031 ohne Eigenschaften« als Helden bezeichnen. Wirkliche erhabene pse_097.032 Menschen bewundern wir, sie ragen, oft auch nur pse_097.033 durch eine Seite ihres Wesens, die auch rücksichtslos hervorgetrieben pse_097.034 sein kann, über das Menschliche hinaus. Ihr Einsatz pse_097.035 für höchste Werte reißt auch uns mit. Aber es macht einen pse_097.036 Unterschied aus, worin sie dieses Höchste sehen. Hier liegen pse_097.037 die Wurzeln der gesamten Heldendichtung und ihrer Spielarten. pse_097.038 Wenn sich Heldentum auch verzerren kann durch
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pse_097.001
er sieht die Welt also überhaupt als Erhabenes, anderes geht pse_097.002
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Weltsicht ist der Zug des Menschen zum Großen. Dieser Zug pse_097.004
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Gewitter, Meeressturm, Urgebirge, aber auch im Menschen: pse_097.007
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ausgezeichnet, daß in ihrer Gestalt Hintergründiges pse_097.011
greifbar wird. So dringt solche Weltauffassung zum Überirdischen, pse_097.012
zum Ewigen. Damit zeigt sich, wie von den ästhetischen pse_097.013
Gebilden des Erhabenen her ein Weg zum Religiösen pse_097.014
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Bedrohung auch eine innere Überlegenheit, durch die wir pse_097.022
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pse_097.023
Nicht bloß Dinge und Verhältnisse der Natur können als pse_097.024
erhaben aufgefaßt werden, sondern auch Menschen und ihr pse_097.025
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ohne Eigenschaften« als Helden bezeichnen. Wirkliche erhabene pse_097.032
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durch eine Seite ihres Wesens, die auch rücksichtslos hervorgetrieben pse_097.034
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/113>, abgerufen am 21.11.2024.
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