pse_115.001 Götter über einen Gott lachen, und daß dieser Gott angestrengt pse_115.002 schnaufen muß, da er ja hinkt.
pse_115.003 Diese Beispiele führen uns auf das Wesentliche. Zunächst pse_115.004 ist deutlich, daß etwas Unerwartetes geschieht. Dieses Unerwartete pse_115.005 besteht in einem plötzlich geoffenbarten Widerspruch. pse_115.006 Er ist von bestimmter Art: etwas tritt aus der gesetzten pse_115.007 Ordnung heraus, besteht für sich, ist einfach da: das erwartete pse_115.008 Schweben des Idealisten über der Erde wird durch den Fall pse_115.009 in den Graben verdrängt, dieser Fall macht sich aufdringlich pse_115.010 breit, genau so der davonlaufende Richter, der hinkende und pse_115.011 schnaufende Gott. Das Komische fällt aus dem Rahmen der pse_115.012 gegebenen, erwarteten, geheiligten Welt heraus und besteht pse_115.013 nun fraglos und aufdringlich außerhalb des Rahmens. Zwei pse_115.014 Ebenen prallen aufeinander, und zwar in bestimmter Reihenfolge: pse_115.015 zuerst die Ebene des Geordneten, Üblichen, Erwarteten, pse_115.016 dann die Ebene einer unerwarteten, aber sehr aufdringlichen pse_115.017 Tatsache, die sich mit voller Anschaulichkeit breit macht. pse_115.018 Nur beim Aufeinanderprall in dieser Reihenfolge entsteht pse_115.019 das Komische, je größer die Fallhöhe, desto stärker die Komik. pse_115.020 Die Fallhöhe und der damit entstehende Widerspruch pse_115.021 kann auch sprachlich allein gestaltet sein. In Nestroys Judith- pse_115.022 Parodie heißt es über Holofernes:
pse_115.023
Aber sehr frugal speist der Holofernes,pse_115.024 Nur ein Huhn mit Salat und ein Schnitzel, ein kälbernes.
pse_115.025
Der Widerspruch zwischen dem mächtigen Holofernes und pse_115.026 dem Reimwort offenbart eine enttäuschte Erwartung, aber pse_115.027 das "Kälberne" tritt, verursacht durch das Wortmaterial des pse_115.028 zweiten Verses, mit arroganter Selbstverständlichkeit auf. pse_115.029 Im unerwarteten Fall, im aufklaffenden Widerspruch wird pse_115.030 zugleich immer die Entlarvung eines sich werthaft Gebärdenden pse_115.031 offenkundig. In diesem Entgleisen der verschiedensten pse_115.032 Art wird die Schwäche eines Menschen peinlich deutlich, pse_115.033 seine Nichtigkeit enthüllt, der mit dem Schein des Bedeutenden pse_115.034 Auftretende in seine Bedeutungslosigkeit zurückgestoßen. pse_115.035 Die menschliche Nichtigkeit kann in verschiedenen pse_115.036 Bereichen liegen, in körperlichen Mängeln, in sittlichen oder pse_115.037 intellektuellen Schwächen. Zwei Seiten sind noch zu beachten.
pse_115.001 Götter über einen Gott lachen, und daß dieser Gott angestrengt pse_115.002 schnaufen muß, da er ja hinkt.
pse_115.003 Diese Beispiele führen uns auf das Wesentliche. Zunächst pse_115.004 ist deutlich, daß etwas Unerwartetes geschieht. Dieses Unerwartete pse_115.005 besteht in einem plötzlich geoffenbarten Widerspruch. pse_115.006 Er ist von bestimmter Art: etwas tritt aus der gesetzten pse_115.007 Ordnung heraus, besteht für sich, ist einfach da: das erwartete pse_115.008 Schweben des Idealisten über der Erde wird durch den Fall pse_115.009 in den Graben verdrängt, dieser Fall macht sich aufdringlich pse_115.010 breit, genau so der davonlaufende Richter, der hinkende und pse_115.011 schnaufende Gott. Das Komische fällt aus dem Rahmen der pse_115.012 gegebenen, erwarteten, geheiligten Welt heraus und besteht pse_115.013 nun fraglos und aufdringlich außerhalb des Rahmens. Zwei pse_115.014 Ebenen prallen aufeinander, und zwar in bestimmter Reihenfolge: pse_115.015 zuerst die Ebene des Geordneten, Üblichen, Erwarteten, pse_115.016 dann die Ebene einer unerwarteten, aber sehr aufdringlichen pse_115.017 Tatsache, die sich mit voller Anschaulichkeit breit macht. pse_115.018 Nur beim Aufeinanderprall in dieser Reihenfolge entsteht pse_115.019 das Komische, je größer die Fallhöhe, desto stärker die Komik. pse_115.020 Die Fallhöhe und der damit entstehende Widerspruch pse_115.021 kann auch sprachlich allein gestaltet sein. In Nestroys Judith- pse_115.022 Parodie heißt es über Holofernes:
pse_115.023
Aber sehr frugal speist der Holofernes,pse_115.024 Nur ein Huhn mit Salat und ein Schnitzel, ein kälbernes.
pse_115.025
Der Widerspruch zwischen dem mächtigen Holofernes und pse_115.026 dem Reimwort offenbart eine enttäuschte Erwartung, aber pse_115.027 das »Kälberne« tritt, verursacht durch das Wortmaterial des pse_115.028 zweiten Verses, mit arroganter Selbstverständlichkeit auf. pse_115.029 Im unerwarteten Fall, im aufklaffenden Widerspruch wird pse_115.030 zugleich immer die Entlarvung eines sich werthaft Gebärdenden pse_115.031 offenkundig. In diesem Entgleisen der verschiedensten pse_115.032 Art wird die Schwäche eines Menschen peinlich deutlich, pse_115.033 seine Nichtigkeit enthüllt, der mit dem Schein des Bedeutenden pse_115.034 Auftretende in seine Bedeutungslosigkeit zurückgestoßen. pse_115.035 Die menschliche Nichtigkeit kann in verschiedenen pse_115.036 Bereichen liegen, in körperlichen Mängeln, in sittlichen oder pse_115.037 intellektuellen Schwächen. Zwei Seiten sind noch zu beachten.
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pse_115.003
Diese Beispiele führen uns auf das Wesentliche. Zunächst pse_115.004
ist deutlich, daß etwas Unerwartetes geschieht. Dieses Unerwartete pse_115.005
besteht in einem plötzlich geoffenbarten Widerspruch. pse_115.006
Er ist von bestimmter Art: etwas tritt aus der gesetzten pse_115.007
Ordnung heraus, besteht für sich, ist einfach da: das erwartete pse_115.008
Schweben des Idealisten über der Erde wird durch den Fall pse_115.009
in den Graben verdrängt, dieser Fall macht sich aufdringlich pse_115.010
breit, genau so der davonlaufende Richter, der hinkende und pse_115.011
schnaufende Gott. Das Komische fällt aus dem Rahmen der pse_115.012
gegebenen, erwarteten, geheiligten Welt heraus und besteht pse_115.013
nun fraglos und aufdringlich außerhalb des Rahmens. Zwei pse_115.014
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Aber sehr frugal speist der Holofernes, pse_115.024
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Im unerwarteten Fall, im aufklaffenden Widerspruch wird pse_115.030
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intellektuellen Schwächen. Zwei Seiten sind noch zu beachten.
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/131>, abgerufen am 21.11.2024.
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