pse_X.002 Der Plan der vorliegenden Arbeit reicht weit zurück. Nach der pse_X.003 Vollendung der "Allgemeinen Stilistik" nahm er deutlichere Formen pse_X.004 an. In Vorlesungsreihen an der Universität Innsbruck gedieh pse_X.005 die Ausführung weiter. Die mannigfachen Bemühungen um eine pse_X.006 neue Poetik und deutliche Wandlungen in den grundlegenden pse_X.007 Überlegungen dazu drängten immer mehr nach einer abrundenden pse_X.008 Darstellung. Die Einladung des Verlages trieb endgültig zur Ausarbeitung.
pse_X.009
pse_X.010 Das Buch sollte ursprünglich "Poetik" heißen. Was es bringt, pse_X.011 ist tatsächlich eine Poetik in der Art, wie ich sie auffasse; aber es pse_X.012 schien besser, einen allgemeineren, weniger belasteten Titel zu pse_X.013 wählen, denn die Arbeit versucht, eine Einführung in alle Fragen pse_X.014 zu geben, die die Dichtung an den denkenden Menschen stellt. pse_X.015 Das Buch wendet sich daher an alle Gebildeten, besonders an die pse_X.016 Studierenden aller Zweige der Philologie. In den Beispielen sollte pse_X.017 womöglich Einseitigkeit vermieden werden. Es ist verständlich, pse_X.018 daß ich von der echten und bedeutenden Dichtung aller Völker pse_X.019 und Zeiten auszugehen versuchte, nicht von Bedenklichem und pse_X.020 Gewagtem. Denn nur so ist ein erkennender Zugang zu Wesen, pse_X.021 Formen und Dasein der Dichtung zu gewinnen. Daß ich in den pse_X.022 Zitaten beinahe ausschließlich deutsche Belege wählte, ist einseitig. pse_X.023 Aber Übersetzungen sind immer fragwürdig und daher für unsere pse_X.024 Betrachtung selten vollwertig. Und durch Belege in verschiedenen pse_X.025 fremden Sprachen sollten die Anforderungen an den Leser nicht zu pse_X.026 hoch geschraubt werden; sie steigen ja an sich absichtlich im Lauf pse_X.027 der Darstellung. Zugleich bleibt es eine Selbstverständlichkeit, daß pse_X.028 jedem Menschen zunächst und vor allem sich von der Muttersprache pse_X.029 her der Weg zur Dichtung öffnet. So geht die Richtung pse_X.030 zwar von einem beschränkten Feld aus, zielt aber nichtsdestoweniger pse_X.031 doch zum Kern. Auch von ausgewählten Erscheinungen pse_X.032 aus kann Wesenserhellung betrieben werden. Und wenn das alle pse_X.033 Beflissenen von ihrer Muttersprache aus tun, so öffnet jeder auf pse_X.034 seiner Seite ein Tor zum Wahren und Wesenhaften und trägt zu pse_X.035 Erkenntnis bei.
pse_X.036 Daher bin ich vor allem von der deutschen Forschung zur Dichtung pse_X.037 ausgegangen. Denn jede Sprachgemeinschaft stellt aus der pse_X.038 geistigen Welt ihrer Sprache andere Fragen und sieht und ordnet
pse_X.001 VORWORT
pse_X.002 Der Plan der vorliegenden Arbeit reicht weit zurück. Nach der pse_X.003 Vollendung der „Allgemeinen Stilistik“ nahm er deutlichere Formen pse_X.004 an. In Vorlesungsreihen an der Universität Innsbruck gedieh pse_X.005 die Ausführung weiter. Die mannigfachen Bemühungen um eine pse_X.006 neue Poetik und deutliche Wandlungen in den grundlegenden pse_X.007 Überlegungen dazu drängten immer mehr nach einer abrundenden pse_X.008 Darstellung. Die Einladung des Verlages trieb endgültig zur Ausarbeitung.
pse_X.009
pse_X.010 Das Buch sollte ursprünglich „Poetik“ heißen. Was es bringt, pse_X.011 ist tatsächlich eine Poetik in der Art, wie ich sie auffasse; aber es pse_X.012 schien besser, einen allgemeineren, weniger belasteten Titel zu pse_X.013 wählen, denn die Arbeit versucht, eine Einführung in alle Fragen pse_X.014 zu geben, die die Dichtung an den denkenden Menschen stellt. pse_X.015 Das Buch wendet sich daher an alle Gebildeten, besonders an die pse_X.016 Studierenden aller Zweige der Philologie. In den Beispielen sollte pse_X.017 womöglich Einseitigkeit vermieden werden. Es ist verständlich, pse_X.018 daß ich von der echten und bedeutenden Dichtung aller Völker pse_X.019 und Zeiten auszugehen versuchte, nicht von Bedenklichem und pse_X.020 Gewagtem. Denn nur so ist ein erkennender Zugang zu Wesen, pse_X.021 Formen und Dasein der Dichtung zu gewinnen. Daß ich in den pse_X.022 Zitaten beinahe ausschließlich deutsche Belege wählte, ist einseitig. pse_X.023 Aber Übersetzungen sind immer fragwürdig und daher für unsere pse_X.024 Betrachtung selten vollwertig. Und durch Belege in verschiedenen pse_X.025 fremden Sprachen sollten die Anforderungen an den Leser nicht zu pse_X.026 hoch geschraubt werden; sie steigen ja an sich absichtlich im Lauf pse_X.027 der Darstellung. Zugleich bleibt es eine Selbstverständlichkeit, daß pse_X.028 jedem Menschen zunächst und vor allem sich von der Muttersprache pse_X.029 her der Weg zur Dichtung öffnet. So geht die Richtung pse_X.030 zwar von einem beschränkten Feld aus, zielt aber nichtsdestoweniger pse_X.031 doch zum Kern. Auch von ausgewählten Erscheinungen pse_X.032 aus kann Wesenserhellung betrieben werden. Und wenn das alle pse_X.033 Beflissenen von ihrer Muttersprache aus tun, so öffnet jeder auf pse_X.034 seiner Seite ein Tor zum Wahren und Wesenhaften und trägt zu pse_X.035 Erkenntnis bei.
pse_X.036 Daher bin ich vor allem von der deutschen Forschung zur Dichtung pse_X.037 ausgegangen. Denn jede Sprachgemeinschaft stellt aus der pse_X.038 geistigen Welt ihrer Sprache andere Fragen und sieht und ordnet
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Der Plan der vorliegenden Arbeit reicht weit zurück. Nach der pse_X.003
Vollendung der „Allgemeinen Stilistik“ nahm er deutlichere Formen pse_X.004
an. In Vorlesungsreihen an der Universität Innsbruck gedieh pse_X.005
die Ausführung weiter. Die mannigfachen Bemühungen um eine pse_X.006
neue Poetik und deutliche Wandlungen in den grundlegenden pse_X.007
Überlegungen dazu drängten immer mehr nach einer abrundenden pse_X.008
Darstellung. Die Einladung des Verlages trieb endgültig zur Ausarbeitung.
pse_X.009
pse_X.010
Das Buch sollte ursprünglich „Poetik“ heißen. Was es bringt, pse_X.011
ist tatsächlich eine Poetik in der Art, wie ich sie auffasse; aber es pse_X.012
schien besser, einen allgemeineren, weniger belasteten Titel zu pse_X.013
wählen, denn die Arbeit versucht, eine Einführung in alle Fragen pse_X.014
zu geben, die die Dichtung an den denkenden Menschen stellt. pse_X.015
Das Buch wendet sich daher an alle Gebildeten, besonders an die pse_X.016
Studierenden aller Zweige der Philologie. In den Beispielen sollte pse_X.017
womöglich Einseitigkeit vermieden werden. Es ist verständlich, pse_X.018
daß ich von der echten und bedeutenden Dichtung aller Völker pse_X.019
und Zeiten auszugehen versuchte, nicht von Bedenklichem und pse_X.020
Gewagtem. Denn nur so ist ein erkennender Zugang zu Wesen, pse_X.021
Formen und Dasein der Dichtung zu gewinnen. Daß ich in den pse_X.022
Zitaten beinahe ausschließlich deutsche Belege wählte, ist einseitig. pse_X.023
Aber Übersetzungen sind immer fragwürdig und daher für unsere pse_X.024
Betrachtung selten vollwertig. Und durch Belege in verschiedenen pse_X.025
fremden Sprachen sollten die Anforderungen an den Leser nicht zu pse_X.026
hoch geschraubt werden; sie steigen ja an sich absichtlich im Lauf pse_X.027
der Darstellung. Zugleich bleibt es eine Selbstverständlichkeit, daß pse_X.028
jedem Menschen zunächst und vor allem sich von der Muttersprache pse_X.029
her der Weg zur Dichtung öffnet. So geht die Richtung pse_X.030
zwar von einem beschränkten Feld aus, zielt aber nichtsdestoweniger pse_X.031
doch zum Kern. Auch von ausgewählten Erscheinungen pse_X.032
aus kann Wesenserhellung betrieben werden. Und wenn das alle pse_X.033
Beflissenen von ihrer Muttersprache aus tun, so öffnet jeder auf pse_X.034
seiner Seite ein Tor zum Wahren und Wesenhaften und trägt zu pse_X.035
Erkenntnis bei.
pse_X.036
Daher bin ich vor allem von der deutschen Forschung zur Dichtung pse_X.037
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. RX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/14>, abgerufen am 21.11.2024.
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