pse_125.001 größer sein als durch eine mit engem. Aber ein Wertvergleich pse_125.002 unbedingter Art ist auch hier nicht möglich. 3. Unsicherheit pse_125.003 und Wohlgegründetheit des Weltbildes. Wir berühren damit pse_125.004 einen Gegensatz, der gerade in neuester Zeit Beachtung pse_125.005 findet. Es gibt besonders in unserem Jahrhundert -- wenigstens pse_125.006 sind sie hier besonders deutlich greifbar -- eine Gruppe von pse_125.007 Dichtungen, die durch folgende Züge ihres Weltbildes gekennzeichnet pse_125.008 sind: es ist voller Widersprüche nicht nur in dem pse_125.009 Bestand der Gegebenheiten, die geordnet werden, sondern pse_125.010 auch in der geistig-sprachlichen Ordnung selbst; das Unbewußte pse_125.011 wertet anders als der klare Verstand, aber es kommt zu pse_125.012 keiner Überwölbung und vor allem zu keiner Entscheidung. pse_125.013 Es bleibt bei einem mannigfaltigen Sowohl-Als-Auch. In pse_125.014 solchem Weltbild drückt sich Wertunsicherheit aus. Sie führt pse_125.015 weiter zur Zertrümmerung einer Werte-Ordnung mit klarem pse_125.016 Aufbau und zur Unentschiedenheit des Menschen. Man pse_125.017 spricht von Ambivalenz. Besonders die Gestalt des Ulrich in pse_125.018 Musils "Mann ohne Eigenschaften" ist kennzeichnend für pse_125.019 diese Haltung und dieses Weltbild. Aber diese Unsicherheit pse_125.020 oder Ambivalenz als Unwert anzusprechen, birgt die Gefahr pse_125.021 der Voreiligkeit. Drei Möglichkeiten müssen ausgeschaltet pse_125.022 werden. Zunächst müssen wir zwischen Polarität und Ambivalenz pse_125.023 unterscheiden. Ein Weltbild kann durch den Zusammenstoß pse_125.024 von scharfen Gegensätzen gekennzeichnet sein. Wir pse_125.025 werden später sehen, daß hier eine Wurzel der Dramatik pse_125.026 liegt. Diese Gegensätze erfaßt der Mensch, er ordnet sie zu pse_125.027 einem widersprüchlichen Ganzen, dem er entgegensteht und pse_125.028 das er durchhält, ohne dadurch in seinem Innern selbst pse_125.029 zerrissen, d. h. unentschieden, schwankend zu sein. Dann ist pse_125.030 wohl zu unterscheiden, ob eine Gestalt eines Romans oder pse_125.031 eines Dramas etwa diese Züge der Wertunsicherheit und pse_125.032 daher der inneren Auflösung zeigt, oder ob die Dichtung pse_125.033 selbst als Gestaltung eines Weltbildes diese Züge aufweist. pse_125.034 Und endlich kann auch diese Ambivalenz eine Art Durchgangsstufe pse_125.035 zu neuem Bau sein oder überhaupt durch eine pse_125.036 besonders weite Sicht auf das Weltganze überwölbt werden. pse_125.037 Das finden wir vor allem im dichterischen Weltbild Goethes, pse_125.038 etwa im "Faust" neben dem "Wilhelm Meister". Der schauende
pse_125.001 größer sein als durch eine mit engem. Aber ein Wertvergleich pse_125.002 unbedingter Art ist auch hier nicht möglich. 3. Unsicherheit pse_125.003 und Wohlgegründetheit des Weltbildes. Wir berühren damit pse_125.004 einen Gegensatz, der gerade in neuester Zeit Beachtung pse_125.005 findet. Es gibt besonders in unserem Jahrhundert — wenigstens pse_125.006 sind sie hier besonders deutlich greifbar — eine Gruppe von pse_125.007 Dichtungen, die durch folgende Züge ihres Weltbildes gekennzeichnet pse_125.008 sind: es ist voller Widersprüche nicht nur in dem pse_125.009 Bestand der Gegebenheiten, die geordnet werden, sondern pse_125.010 auch in der geistig-sprachlichen Ordnung selbst; das Unbewußte pse_125.011 wertet anders als der klare Verstand, aber es kommt zu pse_125.012 keiner Überwölbung und vor allem zu keiner Entscheidung. pse_125.013 Es bleibt bei einem mannigfaltigen Sowohl-Als-Auch. In pse_125.014 solchem Weltbild drückt sich Wertunsicherheit aus. Sie führt pse_125.015 weiter zur Zertrümmerung einer Werte-Ordnung mit klarem pse_125.016 Aufbau und zur Unentschiedenheit des Menschen. Man pse_125.017 spricht von Ambivalenz. Besonders die Gestalt des Ulrich in pse_125.018 Musils »Mann ohne Eigenschaften« ist kennzeichnend für pse_125.019 diese Haltung und dieses Weltbild. Aber diese Unsicherheit pse_125.020 oder Ambivalenz als Unwert anzusprechen, birgt die Gefahr pse_125.021 der Voreiligkeit. Drei Möglichkeiten müssen ausgeschaltet pse_125.022 werden. Zunächst müssen wir zwischen Polarität und Ambivalenz pse_125.023 unterscheiden. Ein Weltbild kann durch den Zusammenstoß pse_125.024 von scharfen Gegensätzen gekennzeichnet sein. Wir pse_125.025 werden später sehen, daß hier eine Wurzel der Dramatik pse_125.026 liegt. Diese Gegensätze erfaßt der Mensch, er ordnet sie zu pse_125.027 einem widersprüchlichen Ganzen, dem er entgegensteht und pse_125.028 das er durchhält, ohne dadurch in seinem Innern selbst pse_125.029 zerrissen, d. h. unentschieden, schwankend zu sein. Dann ist pse_125.030 wohl zu unterscheiden, ob eine Gestalt eines Romans oder pse_125.031 eines Dramas etwa diese Züge der Wertunsicherheit und pse_125.032 daher der inneren Auflösung zeigt, oder ob die Dichtung pse_125.033 selbst als Gestaltung eines Weltbildes diese Züge aufweist. pse_125.034 Und endlich kann auch diese Ambivalenz eine Art Durchgangsstufe pse_125.035 zu neuem Bau sein oder überhaupt durch eine pse_125.036 besonders weite Sicht auf das Weltganze überwölbt werden. pse_125.037 Das finden wir vor allem im dichterischen Weltbild Goethes, pse_125.038 etwa im »Faust« neben dem »Wilhelm Meister«. Der schauende
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unbedingter Art ist auch hier nicht möglich. 3. Unsicherheit pse_125.003
und Wohlgegründetheit des Weltbildes. Wir berühren damit pse_125.004
einen Gegensatz, der gerade in neuester Zeit Beachtung pse_125.005
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sind sie hier besonders deutlich greifbar — eine Gruppe von pse_125.007
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Bestand der Gegebenheiten, die geordnet werden, sondern pse_125.010
auch in der geistig-sprachlichen Ordnung selbst; das Unbewußte pse_125.011
wertet anders als der klare Verstand, aber es kommt zu pse_125.012
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Es bleibt bei einem mannigfaltigen Sowohl-Als-Auch. In pse_125.014
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diese Haltung und dieses Weltbild. Aber diese Unsicherheit pse_125.020
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der Voreiligkeit. Drei Möglichkeiten müssen ausgeschaltet pse_125.022
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zu neuem Bau sein oder überhaupt durch eine pse_125.036
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etwa im »Faust« neben dem »Wilhelm Meister«. Der schauende
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/141>, abgerufen am 21.11.2024.
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