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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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größer sein als durch eine mit engem. Aber ein Wertvergleich pse_125.002
unbedingter Art ist auch hier nicht möglich. 3. Unsicherheit pse_125.003
und Wohlgegründetheit
des Weltbildes. Wir berühren damit pse_125.004
einen Gegensatz, der gerade in neuester Zeit Beachtung pse_125.005
findet. Es gibt besonders in unserem Jahrhundert -- wenigstens pse_125.006
sind sie hier besonders deutlich greifbar -- eine Gruppe von pse_125.007
Dichtungen, die durch folgende Züge ihres Weltbildes gekennzeichnet pse_125.008
sind: es ist voller Widersprüche nicht nur in dem pse_125.009
Bestand der Gegebenheiten, die geordnet werden, sondern pse_125.010
auch in der geistig-sprachlichen Ordnung selbst; das Unbewußte pse_125.011
wertet anders als der klare Verstand, aber es kommt zu pse_125.012
keiner Überwölbung und vor allem zu keiner Entscheidung. pse_125.013
Es bleibt bei einem mannigfaltigen Sowohl-Als-Auch. In pse_125.014
solchem Weltbild drückt sich Wertunsicherheit aus. Sie führt pse_125.015
weiter zur Zertrümmerung einer Werte-Ordnung mit klarem pse_125.016
Aufbau und zur Unentschiedenheit des Menschen. Man pse_125.017
spricht von Ambivalenz. Besonders die Gestalt des Ulrich in pse_125.018
Musils "Mann ohne Eigenschaften" ist kennzeichnend für pse_125.019
diese Haltung und dieses Weltbild. Aber diese Unsicherheit pse_125.020
oder Ambivalenz als Unwert anzusprechen, birgt die Gefahr pse_125.021
der Voreiligkeit. Drei Möglichkeiten müssen ausgeschaltet pse_125.022
werden. Zunächst müssen wir zwischen Polarität und Ambivalenz pse_125.023
unterscheiden. Ein Weltbild kann durch den Zusammenstoß pse_125.024
von scharfen Gegensätzen gekennzeichnet sein. Wir pse_125.025
werden später sehen, daß hier eine Wurzel der Dramatik pse_125.026
liegt. Diese Gegensätze erfaßt der Mensch, er ordnet sie zu pse_125.027
einem widersprüchlichen Ganzen, dem er entgegensteht und pse_125.028
das er durchhält, ohne dadurch in seinem Innern selbst pse_125.029
zerrissen, d. h. unentschieden, schwankend zu sein. Dann ist pse_125.030
wohl zu unterscheiden, ob eine Gestalt eines Romans oder pse_125.031
eines Dramas etwa diese Züge der Wertunsicherheit und pse_125.032
daher der inneren Auflösung zeigt, oder ob die Dichtung pse_125.033
selbst als Gestaltung eines Weltbildes diese Züge aufweist. pse_125.034
Und endlich kann auch diese Ambivalenz eine Art Durchgangsstufe pse_125.035
zu neuem Bau sein oder überhaupt durch eine pse_125.036
besonders weite Sicht auf das Weltganze überwölbt werden. pse_125.037
Das finden wir vor allem im dichterischen Weltbild Goethes, pse_125.038
etwa im "Faust" neben dem "Wilhelm Meister". Der schauende

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größer sein als durch eine mit engem. Aber ein Wertvergleich pse_125.002
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einem widersprüchlichen Ganzen, dem er entgegensteht und pse_125.028
das er durchhält, ohne dadurch in seinem Innern selbst pse_125.029
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wohl zu unterscheiden, ob eine Gestalt eines Romans oder pse_125.031
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selbst als Gestaltung eines Weltbildes diese Züge aufweist. pse_125.034
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zu neuem Bau sein oder überhaupt durch eine pse_125.036
besonders weite Sicht auf das Weltganze überwölbt werden. pse_125.037
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/141>, abgerufen am 21.11.2024.