pse_148.001 Die Eigenart des Sprachkunstwerks besteht also darin, pse_148.002 daß in ihm die Sprache in ihrer Vollkraft schöpferisch wirkt. pse_148.003 Die Sachdarstellung muß von hier aus als Verarmung der pse_148.004 Sprache angesehen werden, so wertvoll in anderer Hinsicht pse_148.005 diese Ökonomisierung ist. Man kann nun scharf so sagen: pse_148.006 was die Sprache des Sprachkunstwerks von der der Sachdarstellung pse_148.007 unterscheidet, ist die Tatsache, daß in ihr die pse_148.008 innerste Haltung des Menschen, das Gemüt, miteingeformt pse_148.009 ist. Es tritt nicht als etwas Sekundäres zu einem Sprachgebilde pse_148.010 hinzu, sondern ist gerade in solchen Sprachwerken noch da, pse_148.011 während es in Sachdarstellungen nicht mehr da ist. Nur dem pse_148.012 vergleichenden Blick auf zwei gleichsam nebeneinander stehende pse_148.013 Sprachwerke der beiden Typen kann es scheinen, daß pse_148.014 im Sprachkunstwerk noch etwas anderes da ist, was im anderen pse_148.015 fehlt. Und diese Züge, die eben dem Sprachkunstwerk pse_148.016 seine Eigenart geben, indem hier das Gemüthafte des Menschen pse_148.017 mitgestaltet ist, wollen wir als Stil bezeichnen. Auch pse_148.018 hier gilt es, zweierlei festzuhalten. Mit völligem Recht kann pse_148.019 man von Stil auch als dem durch die innere Haltung des pse_148.020 schöpferischen Menschen dem Werk als Ganzem aufgedrückten pse_148.021 Gepräge sprechen. Wir müßten also genauer von Sprachstil pse_148.022 sprechen, wenn Mißverständnisse entstehen könnten. Von pse_148.023 einer anderen Verwendungsweise des Wortes auf sprachlichem pse_148.024 Gebiet gleich später. Stil in unserem Sinn hat es also pse_148.025 mit der Struktur der Sprachkunst zu tun, Stil ist das auszeichnende pse_148.026 Gepräge der Sprache in einem Sprachkunstwerk. pse_148.027 Da Sprachkünstlerisches auch in anderen Sprachwerken pse_148.028 möglich ist, kann man sinnvoll auch vom Stil etwa in einer pse_148.029 Konversation, im Alltagsstreitgespräch, in einem Liebesbrief, pse_148.030 in einer Geschichtsdarstellung und in einem öffentlichen pse_148.031 Vortrag usw. reden. Am reinsten ist er aber im reinen Sprachkunstwerk, pse_148.032 vor allem in der Dichtung greifbar.
pse_148.033 Stil ist also eine Möglichkeit der Sprache überhaupt. Weil pse_148.034 in die sprachliche Formung, aus dem Wesen der Sprache pse_148.035 heraus, innerste Haltung mit eingeformt sein kann, ist Stilhaftes pse_148.036 also eine immer vorhandene Möglichkeit der Sprache pse_148.037 als Allgemeinbegriff, ist allen Sprachen eigen, da sie ja alle als pse_148.038 bestimmte Verwirklichungen der Idee Sprache angesehen
pse_148.001 Die Eigenart des Sprachkunstwerks besteht also darin, pse_148.002 daß in ihm die Sprache in ihrer Vollkraft schöpferisch wirkt. pse_148.003 Die Sachdarstellung muß von hier aus als Verarmung der pse_148.004 Sprache angesehen werden, so wertvoll in anderer Hinsicht pse_148.005 diese Ökonomisierung ist. Man kann nun scharf so sagen: pse_148.006 was die Sprache des Sprachkunstwerks von der der Sachdarstellung pse_148.007 unterscheidet, ist die Tatsache, daß in ihr die pse_148.008 innerste Haltung des Menschen, das Gemüt, miteingeformt pse_148.009 ist. Es tritt nicht als etwas Sekundäres zu einem Sprachgebilde pse_148.010 hinzu, sondern ist gerade in solchen Sprachwerken noch da, pse_148.011 während es in Sachdarstellungen nicht mehr da ist. Nur dem pse_148.012 vergleichenden Blick auf zwei gleichsam nebeneinander stehende pse_148.013 Sprachwerke der beiden Typen kann es scheinen, daß pse_148.014 im Sprachkunstwerk noch etwas anderes da ist, was im anderen pse_148.015 fehlt. Und diese Züge, die eben dem Sprachkunstwerk pse_148.016 seine Eigenart geben, indem hier das Gemüthafte des Menschen pse_148.017 mitgestaltet ist, wollen wir als Stil bezeichnen. Auch pse_148.018 hier gilt es, zweierlei festzuhalten. Mit völligem Recht kann pse_148.019 man von Stil auch als dem durch die innere Haltung des pse_148.020 schöpferischen Menschen dem Werk als Ganzem aufgedrückten pse_148.021 Gepräge sprechen. Wir müßten also genauer von Sprachstil pse_148.022 sprechen, wenn Mißverständnisse entstehen könnten. Von pse_148.023 einer anderen Verwendungsweise des Wortes auf sprachlichem pse_148.024 Gebiet gleich später. Stil in unserem Sinn hat es also pse_148.025 mit der Struktur der Sprachkunst zu tun, Stil ist das auszeichnende pse_148.026 Gepräge der Sprache in einem Sprachkunstwerk. pse_148.027 Da Sprachkünstlerisches auch in anderen Sprachwerken pse_148.028 möglich ist, kann man sinnvoll auch vom Stil etwa in einer pse_148.029 Konversation, im Alltagsstreitgespräch, in einem Liebesbrief, pse_148.030 in einer Geschichtsdarstellung und in einem öffentlichen pse_148.031 Vortrag usw. reden. Am reinsten ist er aber im reinen Sprachkunstwerk, pse_148.032 vor allem in der Dichtung greifbar.
pse_148.033 Stil ist also eine Möglichkeit der Sprache überhaupt. Weil pse_148.034 in die sprachliche Formung, aus dem Wesen der Sprache pse_148.035 heraus, innerste Haltung mit eingeformt sein kann, ist Stilhaftes pse_148.036 also eine immer vorhandene Möglichkeit der Sprache pse_148.037 als Allgemeinbegriff, ist allen Sprachen eigen, da sie ja alle als pse_148.038 bestimmte Verwirklichungen der Idee Sprache angesehen
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Die Eigenart des Sprachkunstwerks besteht also darin, pse_148.002
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innerste Haltung des Menschen, das Gemüt, miteingeformt pse_148.009
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Sprachwerke der beiden Typen kann es scheinen, daß pse_148.014
im Sprachkunstwerk noch etwas anderes da ist, was im anderen pse_148.015
fehlt. Und diese Züge, die eben dem Sprachkunstwerk pse_148.016
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man von Stil auch als dem durch die innere Haltung des pse_148.020
schöpferischen Menschen dem Werk als Ganzem aufgedrückten pse_148.021
Gepräge sprechen. Wir müßten also genauer von Sprachstil pse_148.022
sprechen, wenn Mißverständnisse entstehen könnten. Von pse_148.023
einer anderen Verwendungsweise des Wortes auf sprachlichem pse_148.024
Gebiet gleich später. Stil in unserem Sinn hat es also pse_148.025
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Konversation, im Alltagsstreitgespräch, in einem Liebesbrief, pse_148.030
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/164>, abgerufen am 21.11.2024.
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