pse_327.001 wird, sind wir im Bereich der Dichtung. Aber es ist pse_327.002 bekannt, daß Dichtungen auch andere Werterlebnisse auslösen pse_327.003 können: ethische, theoretische, religiöse usw. Hier ist pse_327.004 aber eine klare Unterscheidung nötig: die anderen Werte pse_327.005 werden an dem erfahren, was in der Dichtung der sogenannte pse_327.006 Gehalt ist, an dem, was die Dichtung aussagt. Aber das ist pse_327.007 gerade nicht der Bereich, an dem der ästhetische Wert erfahren pse_327.008 wird. Denn der ist uns an der Gestalt, an all dem, was pse_327.009 wir in diesem Teil betrachten, gegeben. Nicht an der Gestalt pse_327.010 als solcher, sondern an einer bestimmten Qualität, die man pse_327.011 auf der einen Seite im weitesten Sinn als schön bezeichnet, pse_327.012 auf der anderen Seite eben dadurch genauer bestimmen kann, pse_327.013 daß in ihrer Vollendetheit Tieferes sich uns offenbart. Überall, pse_327.014 wo uns ein Gebilde als solches in seiner Form, in seinem Sosein pse_327.015 einen solchen Eindruck macht, daß uns dadurch Hintergründigeres pse_327.016 in ihm aufgeht, daß wir selbst dadurch im Innersten pse_327.017 angesprochen werden, haben wir es mit einem ästhetischen pse_327.018 Werterleben zu tun. In der Gestalt einer Dichtung und pse_327.019 nur in ihr ist uns aber auch der Gehalt gegeben. Das Verstehen pse_327.020 des Sinnes gehört auch zum Erleben der Dichtung, weil ja pse_327.021 ihre Gestalt einen Gehalt, einen Sinn hat. Damit kommen pse_327.022 aber auch die anderen Werte, die aus dem Sinn erfahren pse_327.023 werden, zur Geltung. Doch sie sind -- das ergibt sich aus dem pse_327.024 Wesen der Dichtung als eines Kunstwerkes von selber -- in pse_327.025 das ästhetische Gebilde eingefügt. Die Werte des Dargestellten pse_327.026 sind nicht die Werte der Darstellung, aber sie fundieren sie pse_327.027 teilweise, sind ihnen einverleibt. Umgekehrt werden diese pse_327.028 fundierenden Werte durch den sie überwölbenden ästhetischen pse_327.029 Wert teilweise umgeformt. Das Religiöse wird in einer pse_327.030 Dichtung anders erlebt als etwa unmittelbar im Gottesdienst, pse_327.031 ethische Werte anders als im sozialen Handeln usw. Daraus pse_327.032 ergibt sich schon, daß dem ästhetisch Erlebenden auch die pse_327.033 anderen Werte zugänglich sein müssen, sonst kann er das pse_327.034 Ganze der Dichtung nie im Innersten erfahren. Es braucht also pse_327.035 schon eine große Wertaufgeschlossenheit dazu. Daher sind pse_327.036 auch die Wirkungen um so tiefer. Die Begegnung mit einem pse_327.037 Kunstwerk ist eine Vertiefung des Menschen, ist eine große pse_327.038 Bereicherung unseres Inneren; sie wühlt uns auf und ergreift
pse_327.001 wird, sind wir im Bereich der Dichtung. Aber es ist pse_327.002 bekannt, daß Dichtungen auch andere Werterlebnisse auslösen pse_327.003 können: ethische, theoretische, religiöse usw. Hier ist pse_327.004 aber eine klare Unterscheidung nötig: die anderen Werte pse_327.005 werden an dem erfahren, was in der Dichtung der sogenannte pse_327.006 Gehalt ist, an dem, was die Dichtung aussagt. Aber das ist pse_327.007 gerade nicht der Bereich, an dem der ästhetische Wert erfahren pse_327.008 wird. Denn der ist uns an der Gestalt, an all dem, was pse_327.009 wir in diesem Teil betrachten, gegeben. Nicht an der Gestalt pse_327.010 als solcher, sondern an einer bestimmten Qualität, die man pse_327.011 auf der einen Seite im weitesten Sinn als schön bezeichnet, pse_327.012 auf der anderen Seite eben dadurch genauer bestimmen kann, pse_327.013 daß in ihrer Vollendetheit Tieferes sich uns offenbart. Überall, pse_327.014 wo uns ein Gebilde als solches in seiner Form, in seinem Sosein pse_327.015 einen solchen Eindruck macht, daß uns dadurch Hintergründigeres pse_327.016 in ihm aufgeht, daß wir selbst dadurch im Innersten pse_327.017 angesprochen werden, haben wir es mit einem ästhetischen pse_327.018 Werterleben zu tun. In der Gestalt einer Dichtung und pse_327.019 nur in ihr ist uns aber auch der Gehalt gegeben. Das Verstehen pse_327.020 des Sinnes gehört auch zum Erleben der Dichtung, weil ja pse_327.021 ihre Gestalt einen Gehalt, einen Sinn hat. Damit kommen pse_327.022 aber auch die anderen Werte, die aus dem Sinn erfahren pse_327.023 werden, zur Geltung. Doch sie sind — das ergibt sich aus dem pse_327.024 Wesen der Dichtung als eines Kunstwerkes von selber — in pse_327.025 das ästhetische Gebilde eingefügt. Die Werte des Dargestellten pse_327.026 sind nicht die Werte der Darstellung, aber sie fundieren sie pse_327.027 teilweise, sind ihnen einverleibt. Umgekehrt werden diese pse_327.028 fundierenden Werte durch den sie überwölbenden ästhetischen pse_327.029 Wert teilweise umgeformt. Das Religiöse wird in einer pse_327.030 Dichtung anders erlebt als etwa unmittelbar im Gottesdienst, pse_327.031 ethische Werte anders als im sozialen Handeln usw. Daraus pse_327.032 ergibt sich schon, daß dem ästhetisch Erlebenden auch die pse_327.033 anderen Werte zugänglich sein müssen, sonst kann er das pse_327.034 Ganze der Dichtung nie im Innersten erfahren. Es braucht also pse_327.035 schon eine große Wertaufgeschlossenheit dazu. Daher sind pse_327.036 auch die Wirkungen um so tiefer. Die Begegnung mit einem pse_327.037 Kunstwerk ist eine Vertiefung des Menschen, ist eine große pse_327.038 Bereicherung unseres Inneren; sie wühlt uns auf und ergreift
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wird, sind wir im Bereich der Dichtung. Aber es ist pse_327.002
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Gehalt ist, an dem, was die Dichtung aussagt. Aber das ist pse_327.007
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auf der einen Seite im weitesten Sinn als schön bezeichnet, pse_327.012
auf der anderen Seite eben dadurch genauer bestimmen kann, pse_327.013
daß in ihrer Vollendetheit Tieferes sich uns offenbart. Überall, pse_327.014
wo uns ein Gebilde als solches in seiner Form, in seinem Sosein pse_327.015
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Bereicherung unseres Inneren; sie wühlt uns auf und ergreift
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/343>, abgerufen am 21.11.2024.
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