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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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konnten schon früher manche herausheben: welche Kriterien pse_330.002
sind maßgebend? Soll der Gehalt berücksichtigt werden, der pse_330.003
Umfang oder die Größe einer Dichtung, ihre Weltanschauung? pse_330.004
Dabei wandelt sich der Geschmack. Das hat für große, pse_330.005
umfassende Dichtungen weniger Bedeutung. Denn sie enthüllen pse_330.006
anderen Zeiten und anderen Geschmackseinstellungen pse_330.007
wieder neue Seiten ihres Daseins und wachsen damit in ihrer pse_330.008
Bedeutsamkeit nur um so mehr heraus. Aber gerade in der pse_330.009
Lyrik erleben wir starken Geschmackswandel. Was vor zwei pse_330.010
Generationen noch geschätzt wurde, z. B. die Gedichte von pse_330.011
Rückert, Heyse, Bierbaum und Falke, ist heute beinahe schon pse_330.012
der Vergessenheit verfallen, dafür haben seit etwa 40 Jahren pse_330.013
Hölderlin, Mörike und jetzt auch manche Barocklyriker einen pse_330.014
hohen Rang errungen.

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Trotzdem ist Wertung eine Aufgabe der Dichtungswissenschaft. pse_330.016
Nicht nur für die literaturgeschichtliche Einordnung pse_330.017
einer Dichtung ist sie wichtig, sondern vor allem, um eine pse_330.018
Dichtung in ihrem ganzen Dasein zu erfassen, und endlich auch pse_330.019
als Einführung in das Erlebnis der Dichtung, um die Menschen pse_330.020
der Dichtkunst aufzuschließen.

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Von der Wertung sind andere Einstellungen zu unterscheiden. pse_330.022
Die Wirkungsgeschichte einer Dichtung hat mit pse_330.023
der Wertung und dem Werterleben nichts zu tun. Sie ist pse_330.024
aber insofern wichtig, als sie uns vom Dasein einer Dichtung pse_330.025
in der geschichtlichen Welt Kunde gibt. Die Wirkung, die pse_330.026
etwa Vergil durch das ganze Mittelalter ausgeübt hat, die pse_330.027
Wirkung Shakespeares in den verschiedenen Epochen deutscher pse_330.028
Literatur und auf verschiedene deutsche Dichter, das pse_330.029
Nachwirken Schillers im 19. und 20. Jahrhundert: das sind pse_330.030
Tatbestände, die auch zur Erfassung der Dichtung gehören, pse_330.031
die aber in den Bereich der Dichtung als geschichtlicher pse_330.032
Wirklichkeit einzuordnen sind. Eng mit diesen Fragen verwandt pse_330.033
sind die nach der Wertung der Dichtung durch andere. pse_330.034
Wir haben gerade starke Umwertungen erwähnt. Wie Dichtung pse_330.035
von anderen Menschen, von früheren Epochen, von bestimmten pse_330.036
Dichtern gewertet wurde, gibt uns eine sehr wesentliche pse_330.037
Ergänzung zu den literaturgeschichtlichen Zusammenhängen. pse_330.038
Für die Poetik haben solche Erkenntnisse methodischen

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sind maßgebend? Soll der Gehalt berücksichtigt werden, der pse_330.003
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Bedeutsamkeit nur um so mehr heraus. Aber gerade in der pse_330.009
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der Vergessenheit verfallen, dafür haben seit etwa 40 Jahren pse_330.013
Hölderlin, Mörike und jetzt auch manche Barocklyriker einen pse_330.014
hohen Rang errungen.

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Trotzdem ist Wertung eine Aufgabe der Dichtungswissenschaft. pse_330.016
Nicht nur für die literaturgeschichtliche Einordnung pse_330.017
einer Dichtung ist sie wichtig, sondern vor allem, um eine pse_330.018
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als Einführung in das Erlebnis der Dichtung, um die Menschen pse_330.020
der Dichtkunst aufzuschließen.

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Von der Wertung sind andere Einstellungen zu unterscheiden. pse_330.022
Die Wirkungsgeschichte einer Dichtung hat mit pse_330.023
der Wertung und dem Werterleben nichts zu tun. Sie ist pse_330.024
aber insofern wichtig, als sie uns vom Dasein einer Dichtung pse_330.025
in der geschichtlichen Welt Kunde gibt. Die Wirkung, die pse_330.026
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Literatur und auf verschiedene deutsche Dichter, das pse_330.029
Nachwirken Schillers im 19. und 20. Jahrhundert: das sind pse_330.030
Tatbestände, die auch zur Erfassung der Dichtung gehören, pse_330.031
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von anderen Menschen, von früheren Epochen, von bestimmten pse_330.036
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/346>, abgerufen am 21.11.2024.