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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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zurück gegen ein höheres Ich gleichsam, wir vernehmen pse_387.002
nicht mehr einen Einzelmenschen, sondern aus einem pse_387.003
Menscheninnern das Herz der Welt.

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Und meine Seele spannte pse_387.005
Weit ihre Flügel aus, pse_387.006
Flog durch die stillen Lande, pse_387.007
Als flöge sie nach Haus.
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Das ist nicht mehr ein einzelner, der singt; sondern im Rhythmus pse_387.009
der Verse, im Klangzauber der Lautgruppen, in der Satzbewegung pse_387.010
und im inneren Gehalt der einzelnen Worte, pse_387.011
ihrem Gefühlsreichtum wird das menschliche Sehnen nach pse_387.012
einem Jenseits überhaupt Gestalt. Daß es aus einem "ich" pse_387.013
spricht, gibt dem Gebilde das Menschliche, wir hören jemanden pse_387.014
unseresgleichen. Und deshalb kann auch das Gedicht in pse_387.015
unsere Tiefen wirken und dort aus den Stilwerten der Sprache pse_387.016
ein Stück menschlich ergriffener Welt enthüllen. Aber schon pse_387.017
hier ist auch zu betonen, daß dieser Bogen vom lyrischen Ich pse_387.018
über die allgemein menschlichen Bereiche der Verwesentlichung pse_387.019
zum empfangenden Menschen zwar ins außerzeitliche pse_387.020
Höhere führt, aber doch immer von einer einmaligen, daher pse_387.021
geschichtlichen Situation ausgeht und im Empfangenden auf pse_387.022
eine solche stößt.

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In der Gebildehaftigkeit des lyrischen Gedichts liegt es, pse_387.024
daß es in sich ruht und so sich gleichsam selbst genug ist: pse_387.025
"Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst" (Mörike). pse_387.026
Und doch ist es ein Kraftfeld verschiedener Spannungen: von pse_387.027
Mensch zu Mensch, von der Realität in die hohen Bereiche, pse_387.028
von Zeitlichkeit in Ewigkeit. Und durch die Kräfte der pse_387.029
Sprache umfaßt es die rationalen und die irrationalen Seiten pse_387.030
des Menschlichen. Im Dasein des lyrischen Gedichts klingen pse_387.031
die Geheimnisse der Welt und des Menschen auf.

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Die Bereiche, auf die der Mensch stößt, von denen er pse_387.033
ergriffen wird, und die er in sich hereinzieht, die Bereiche also, pse_387.034
denen im Gedicht das lyrische Ich begegnet, sind zahlreich. pse_387.035
Die ganze Welt des Äußeren und Inneren bietet Stoff. Man pse_387.036
könnte danach auch die Lyrik einteilen. Aber das wäre pse_387.037
äußerlich; daher seien hier nur Andeutungen gegeben. Am pse_387.038
unmittelbarsten ergreift den Menschen sein eigenes Inneres:

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zurück gegen ein höheres Ich gleichsam, wir vernehmen pse_387.002
nicht mehr einen Einzelmenschen, sondern aus einem pse_387.003
Menscheninnern das Herz der Welt.

pse_387.004
Und meine Seele spannte pse_387.005
Weit ihre Flügel aus, pse_387.006
Flog durch die stillen Lande, pse_387.007
Als flöge sie nach Haus.
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Das ist nicht mehr ein einzelner, der singt; sondern im Rhythmus pse_387.009
der Verse, im Klangzauber der Lautgruppen, in der Satzbewegung pse_387.010
und im inneren Gehalt der einzelnen Worte, pse_387.011
ihrem Gefühlsreichtum wird das menschliche Sehnen nach pse_387.012
einem Jenseits überhaupt Gestalt. Daß es aus einem »ich« pse_387.013
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unseresgleichen. Und deshalb kann auch das Gedicht in pse_387.015
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ein Stück menschlich ergriffener Welt enthüllen. Aber schon pse_387.017
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Höhere führt, aber doch immer von einer einmaligen, daher pse_387.021
geschichtlichen Situation ausgeht und im Empfangenden auf pse_387.022
eine solche stößt.

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In der Gebildehaftigkeit des lyrischen Gedichts liegt es, pse_387.024
daß es in sich ruht und so sich gleichsam selbst genug ist: pse_387.025
»Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst« (Mörike). pse_387.026
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Mensch zu Mensch, von der Realität in die hohen Bereiche, pse_387.028
von Zeitlichkeit in Ewigkeit. Und durch die Kräfte der pse_387.029
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des Menschlichen. Im Dasein des lyrischen Gedichts klingen pse_387.031
die Geheimnisse der Welt und des Menschen auf.

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Die Bereiche, auf die der Mensch stößt, von denen er pse_387.033
ergriffen wird, und die er in sich hereinzieht, die Bereiche also, pse_387.034
denen im Gedicht das lyrische Ich begegnet, sind zahlreich. pse_387.035
Die ganze Welt des Äußeren und Inneren bietet Stoff. Man pse_387.036
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[387/0403] pse_387.001 zurück gegen ein höheres Ich gleichsam, wir vernehmen pse_387.002 nicht mehr einen Einzelmenschen, sondern aus einem pse_387.003 Menscheninnern das Herz der Welt. pse_387.004 Und meine Seele spannte pse_387.005 Weit ihre Flügel aus, pse_387.006 Flog durch die stillen Lande, pse_387.007 Als flöge sie nach Haus. pse_387.008 Das ist nicht mehr ein einzelner, der singt; sondern im Rhythmus pse_387.009 der Verse, im Klangzauber der Lautgruppen, in der Satzbewegung pse_387.010 und im inneren Gehalt der einzelnen Worte, pse_387.011 ihrem Gefühlsreichtum wird das menschliche Sehnen nach pse_387.012 einem Jenseits überhaupt Gestalt. Daß es aus einem »ich« pse_387.013 spricht, gibt dem Gebilde das Menschliche, wir hören jemanden pse_387.014 unseresgleichen. Und deshalb kann auch das Gedicht in pse_387.015 unsere Tiefen wirken und dort aus den Stilwerten der Sprache pse_387.016 ein Stück menschlich ergriffener Welt enthüllen. Aber schon pse_387.017 hier ist auch zu betonen, daß dieser Bogen vom lyrischen Ich pse_387.018 über die allgemein menschlichen Bereiche der Verwesentlichung pse_387.019 zum empfangenden Menschen zwar ins außerzeitliche pse_387.020 Höhere führt, aber doch immer von einer einmaligen, daher pse_387.021 geschichtlichen Situation ausgeht und im Empfangenden auf pse_387.022 eine solche stößt. pse_387.023 In der Gebildehaftigkeit des lyrischen Gedichts liegt es, pse_387.024 daß es in sich ruht und so sich gleichsam selbst genug ist: pse_387.025 »Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst« (Mörike). pse_387.026 Und doch ist es ein Kraftfeld verschiedener Spannungen: von pse_387.027 Mensch zu Mensch, von der Realität in die hohen Bereiche, pse_387.028 von Zeitlichkeit in Ewigkeit. Und durch die Kräfte der pse_387.029 Sprache umfaßt es die rationalen und die irrationalen Seiten pse_387.030 des Menschlichen. Im Dasein des lyrischen Gedichts klingen pse_387.031 die Geheimnisse der Welt und des Menschen auf. pse_387.032 Die Bereiche, auf die der Mensch stößt, von denen er pse_387.033 ergriffen wird, und die er in sich hereinzieht, die Bereiche also, pse_387.034 denen im Gedicht das lyrische Ich begegnet, sind zahlreich. pse_387.035 Die ganze Welt des Äußeren und Inneren bietet Stoff. Man pse_387.036 könnte danach auch die Lyrik einteilen. Aber das wäre pse_387.037 äußerlich; daher seien hier nur Andeutungen gegeben. Am pse_387.038 unmittelbarsten ergreift den Menschen sein eigenes Inneres:

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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/403>, abgerufen am 22.11.2024.