pse_422.001 c) Welterlebnis aus unmittelbarer Erfahrung muß nicht pse_422.002 immer in der völligen Verschmelzung von außen und innen, pse_422.003 von lyrischem Ich und Welt bestehen. Es kann auch eine pse_422.004 Distanz vorhanden sein, aus der heraus das Ich die Welt erlebt. pse_422.005 Es hält sie sich gleichsam vom Leibe, um sie im ganzen pse_422.006 erfassen und überblicken zu können. Und trotzdem ist das pse_422.007 Ich wie gebannt von dem Erlebten, zutiefst von ihm betroffen, pse_422.008 beansprucht. In der Dichtung dann werden diese beiden Bereiche pse_422.009 zusammengespannt zu einer neuen künstlerischen Einheit. pse_422.010 Diese lyrischen Arten werden also immer eine gewisse pse_422.011 innere Gespanntheit aufweisen: eine deutliche Getrenntheit pse_422.012 von lyrischem Ich und ergriffener Welt und doch eine Einheit pse_422.013 aus der Betroffenheit des Ich heraus. In solchen Gedichten pse_422.014 wird also immer auch etwas Reflektierendes enthalten pse_422.015 sein, der Mensch ist bis in die klaren Bewußtseinsbereiche, pse_422.016 bis in die rationalen Schichten hinein beansprucht. Es heben pse_422.017 sich ziemlich deutlich vier Arten ab, in denen sich solche pse_422.018 lyrische Gestaltung ausprägt.
pse_422.019 Man hat in neuester Zeit eine dichterische Form als eigenartiges pse_422.020 Gebilde abheben können, die sich besonders in der pse_422.021 angloamerikanischen Literatur findet. Man nennt sie "Dramatic pse_422.022 Monologue", dramatischen Monolog. Ich nenne zuerst pse_422.023 einige Beispiele. Bekannt geworden ist diese Art durch Dichtungen pse_422.024 R. Brownings, z. B. "My last duchess" oder "Child pse_422.025 Roland"; dann A. Tennysons "Ulysses" und "Tithonus" und pse_422.026 T. S. Eliots "Prufrock", "Ash Wednesday", bis zu einem gewissen pse_422.027 Grade auch "Waste Land" und die "Four Quartetts". pse_422.028 Auch Swinburne, Yeats und E. Pound haben solche Dichtungen pse_422.029 geschrieben. Man kann sie etwa so kennzeichnen: es pse_422.030 spricht eine bestimmte Person, meist eine aus der Geschichte pse_422.031 bekannte, zu einem Hörer. Die Worte erwachsen aus einem pse_422.032 tiefen und fülligen Erlebnis der Person. Es ist, wie Ezra Pound pse_422.033 reizvoll sagt, der lyrische Teil eines Dramas, dessen Rest der pse_422.034 Phantasie des Lesers überlassen bleibt. Also eine Aussage aus pse_422.035 einer ganz konkreten Situation, in der diese Situation und pse_422.036 alles, was damit zusammenhängt, lebendig wird, zugleich pse_422.037 aber auch das Erlebnis dieser Situation, die Ergriffenheit der pse_422.038 Person und damit auch ihr tiefes Inneres. Im "Ulysses" Tennysons
pse_422.001 c) Welterlebnis aus unmittelbarer Erfahrung muß nicht pse_422.002 immer in der völligen Verschmelzung von außen und innen, pse_422.003 von lyrischem Ich und Welt bestehen. Es kann auch eine pse_422.004 Distanz vorhanden sein, aus der heraus das Ich die Welt erlebt. pse_422.005 Es hält sie sich gleichsam vom Leibe, um sie im ganzen pse_422.006 erfassen und überblicken zu können. Und trotzdem ist das pse_422.007 Ich wie gebannt von dem Erlebten, zutiefst von ihm betroffen, pse_422.008 beansprucht. In der Dichtung dann werden diese beiden Bereiche pse_422.009 zusammengespannt zu einer neuen künstlerischen Einheit. pse_422.010 Diese lyrischen Arten werden also immer eine gewisse pse_422.011 innere Gespanntheit aufweisen: eine deutliche Getrenntheit pse_422.012 von lyrischem Ich und ergriffener Welt und doch eine Einheit pse_422.013 aus der Betroffenheit des Ich heraus. In solchen Gedichten pse_422.014 wird also immer auch etwas Reflektierendes enthalten pse_422.015 sein, der Mensch ist bis in die klaren Bewußtseinsbereiche, pse_422.016 bis in die rationalen Schichten hinein beansprucht. Es heben pse_422.017 sich ziemlich deutlich vier Arten ab, in denen sich solche pse_422.018 lyrische Gestaltung ausprägt.
pse_422.019 Man hat in neuester Zeit eine dichterische Form als eigenartiges pse_422.020 Gebilde abheben können, die sich besonders in der pse_422.021 angloamerikanischen Literatur findet. Man nennt sie »Dramatic pse_422.022 Monologue«, dramatischen Monolog. Ich nenne zuerst pse_422.023 einige Beispiele. Bekannt geworden ist diese Art durch Dichtungen pse_422.024 R. Brownings, z. B. »My last duchess« oder »Child pse_422.025 Roland«; dann A. Tennysons »Ulysses« und »Tithonus« und pse_422.026 T. S. Eliots »Prufrock«, »Ash Wednesday«, bis zu einem gewissen pse_422.027 Grade auch »Waste Land« und die »Four Quartetts«. pse_422.028 Auch Swinburne, Yeats und E. Pound haben solche Dichtungen pse_422.029 geschrieben. Man kann sie etwa so kennzeichnen: es pse_422.030 spricht eine bestimmte Person, meist eine aus der Geschichte pse_422.031 bekannte, zu einem Hörer. Die Worte erwachsen aus einem pse_422.032 tiefen und fülligen Erlebnis der Person. Es ist, wie Ezra Pound pse_422.033 reizvoll sagt, der lyrische Teil eines Dramas, dessen Rest der pse_422.034 Phantasie des Lesers überlassen bleibt. Also eine Aussage aus pse_422.035 einer ganz konkreten Situation, in der diese Situation und pse_422.036 alles, was damit zusammenhängt, lebendig wird, zugleich pse_422.037 aber auch das Erlebnis dieser Situation, die Ergriffenheit der pse_422.038 Person und damit auch ihr tiefes Inneres. Im »Ulysses« Tennysons
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Diese lyrischen Arten werden also immer eine gewisse pse_422.011
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aus der Betroffenheit des Ich heraus. In solchen Gedichten pse_422.014
wird also immer auch etwas Reflektierendes enthalten pse_422.015
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lyrische Gestaltung ausprägt.
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Man hat in neuester Zeit eine dichterische Form als eigenartiges pse_422.020
Gebilde abheben können, die sich besonders in der pse_422.021
angloamerikanischen Literatur findet. Man nennt sie »Dramatic pse_422.022
Monologue«, dramatischen Monolog. Ich nenne zuerst pse_422.023
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R. Brownings, z. B. »My last duchess« oder »Child pse_422.025
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Auch Swinburne, Yeats und E. Pound haben solche Dichtungen pse_422.029
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Person und damit auch ihr tiefes Inneres. Im »Ulysses« Tennysons
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/438>, abgerufen am 22.11.2024.
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