pse_501.001 Während das sprachliche Bild bis zu einem gewissen Grad pse_501.002 die epische Fortbewegung aufhebt, wird sie durch die Satzbewegung pse_501.003 besonders gefördert. Gerade hier können sich die pse_501.004 beiden Formen des breiten und des knappen Erzählens auswirken. pse_501.005 Wie entscheidend die Rededynamik für die epische pse_501.006 Gestaltung ist, erkennt man, wenn man besonders ausgeprägte pse_501.007 epische Kunstwerke vergleicht: so Homers Epen neben der pse_501.008 Art des altgermanischen Heldenliedes, oder die epische Art pse_501.009 Kleists neben der Stifters. Goethe ist als Epiker gekennzeichnet pse_501.010 durch die Ruhe trotz der Füllung des Vorgangs, G. Keller pse_501.011 dagegen füllt die große Bewegung mit kleinen und bewegten pse_501.012 Gliedern an, und während Goethe Meister des ruhigen Fortströmens pse_501.013 ist, konstruiert Th. Mann vielfach mit immer neuen pse_501.014 Ansätzen und aus immer neuen Gliedern einen Ablauf.
pse_501.015 Entscheidend ist die Sprachkunst an den Schritten beteiligt, pse_501.016 die zu immer weiter gesteigerter Verwesentlichung führen. pse_501.017 Schon die Bilder, in denen die Wirklichkeit eingefangen pse_501.018 wird, und die Satzbewegung des stoßhaften immer wieder pse_501.019 ansetzenden Packens der Wirklichkeit oder der aus einer pse_501.020 errungenen geistigen Haltung enthobenen Gestaltung spielen pse_501.021 hier eine Rolle. Am deutlichsten ist aber der stilistische pse_501.022 Weg von der Prosa zu den Versen erkennbar. Der pse_501.023 Sinn des Weges von Prosa, natürlich sprachkünstlerischer pse_501.024 Prägung, zu den strengsten Versgebilden ist eindeutig die pse_501.025 Verwesentlichung: immer stärkeres Abheben von Alltagsbezug, pse_501.026 immer deutlicheres Emporheben in die allgemeinmenschlichen, pse_501.027 ewigen, gültigen Bereiche. Freilich gibt es da pse_501.028 verschiedene Möglichkeiten. Ein "Hyperion" steht auf dieser pse_501.029 Leiter viel höher als das Hexameterepos von Wildgans "Der pse_501.030 Kirbisch". Die Prosa des Hyperion schafft einen starken pse_501.031 menschlichen, persönlichen Ton, aber Wortschatz und Satzbewegung pse_501.032 führen in hohe Bereiche hinauf: es ist eine Fülle der pse_501.033 Welt vom Allerpersönlichsten, das kaum die erhöhte Form pse_501.034 der Verse verträgt, bis zu den Höhen des Heiligen, Ewigen und pse_501.035 Gültigen, zu denen dieses Werk emporführt. Im "Kirbisch" pse_501.036 wird das unmittelbarste und alltäglichste Leben des kleinen pse_501.037 Mannes, des Dorfes gepackt, man bleibt in dieser Sphäre, pse_501.038 aber durch den Vers, und noch dazu durch den Hexameter,
pse_501.001 Während das sprachliche Bild bis zu einem gewissen Grad pse_501.002 die epische Fortbewegung aufhebt, wird sie durch die Satzbewegung pse_501.003 besonders gefördert. Gerade hier können sich die pse_501.004 beiden Formen des breiten und des knappen Erzählens auswirken. pse_501.005 Wie entscheidend die Rededynamik für die epische pse_501.006 Gestaltung ist, erkennt man, wenn man besonders ausgeprägte pse_501.007 epische Kunstwerke vergleicht: so Homers Epen neben der pse_501.008 Art des altgermanischen Heldenliedes, oder die epische Art pse_501.009 Kleists neben der Stifters. Goethe ist als Epiker gekennzeichnet pse_501.010 durch die Ruhe trotz der Füllung des Vorgangs, G. Keller pse_501.011 dagegen füllt die große Bewegung mit kleinen und bewegten pse_501.012 Gliedern an, und während Goethe Meister des ruhigen Fortströmens pse_501.013 ist, konstruiert Th. Mann vielfach mit immer neuen pse_501.014 Ansätzen und aus immer neuen Gliedern einen Ablauf.
pse_501.015 Entscheidend ist die Sprachkunst an den Schritten beteiligt, pse_501.016 die zu immer weiter gesteigerter Verwesentlichung führen. pse_501.017 Schon die Bilder, in denen die Wirklichkeit eingefangen pse_501.018 wird, und die Satzbewegung des stoßhaften immer wieder pse_501.019 ansetzenden Packens der Wirklichkeit oder der aus einer pse_501.020 errungenen geistigen Haltung enthobenen Gestaltung spielen pse_501.021 hier eine Rolle. Am deutlichsten ist aber der stilistische pse_501.022 Weg von der Prosa zu den Versen erkennbar. Der pse_501.023 Sinn des Weges von Prosa, natürlich sprachkünstlerischer pse_501.024 Prägung, zu den strengsten Versgebilden ist eindeutig die pse_501.025 Verwesentlichung: immer stärkeres Abheben von Alltagsbezug, pse_501.026 immer deutlicheres Emporheben in die allgemeinmenschlichen, pse_501.027 ewigen, gültigen Bereiche. Freilich gibt es da pse_501.028 verschiedene Möglichkeiten. Ein »Hyperion« steht auf dieser pse_501.029 Leiter viel höher als das Hexameterepos von Wildgans »Der pse_501.030 Kirbisch«. Die Prosa des Hyperion schafft einen starken pse_501.031 menschlichen, persönlichen Ton, aber Wortschatz und Satzbewegung pse_501.032 führen in hohe Bereiche hinauf: es ist eine Fülle der pse_501.033 Welt vom Allerpersönlichsten, das kaum die erhöhte Form pse_501.034 der Verse verträgt, bis zu den Höhen des Heiligen, Ewigen und pse_501.035 Gültigen, zu denen dieses Werk emporführt. Im »Kirbisch« pse_501.036 wird das unmittelbarste und alltäglichste Leben des kleinen pse_501.037 Mannes, des Dorfes gepackt, man bleibt in dieser Sphäre, pse_501.038 aber durch den Vers, und noch dazu durch den Hexameter,
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die epische Fortbewegung aufhebt, wird sie durch die Satzbewegung pse_501.003
besonders gefördert. Gerade hier können sich die pse_501.004
beiden Formen des breiten und des knappen Erzählens auswirken. pse_501.005
Wie entscheidend die Rededynamik für die epische pse_501.006
Gestaltung ist, erkennt man, wenn man besonders ausgeprägte pse_501.007
epische Kunstwerke vergleicht: so Homers Epen neben der pse_501.008
Art des altgermanischen Heldenliedes, oder die epische Art pse_501.009
Kleists neben der Stifters. Goethe ist als Epiker gekennzeichnet pse_501.010
durch die Ruhe trotz der Füllung des Vorgangs, G. Keller pse_501.011
dagegen füllt die große Bewegung mit kleinen und bewegten pse_501.012
Gliedern an, und während Goethe Meister des ruhigen Fortströmens pse_501.013
ist, konstruiert Th. Mann vielfach mit immer neuen pse_501.014
Ansätzen und aus immer neuen Gliedern einen Ablauf.
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Entscheidend ist die Sprachkunst an den Schritten beteiligt, pse_501.016
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Verwesentlichung: immer stärkeres Abheben von Alltagsbezug, pse_501.026
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menschlichen, persönlichen Ton, aber Wortschatz und Satzbewegung pse_501.032
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/517>, abgerufen am 24.11.2024.
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