pse_036.001 und wie Goethe diese Verse das erstemal geschrieben hat. pse_036.002 Aber zum Gedicht gehört es wesenhaft, zu spüren, daß da pse_036.003 ein tiefes Inneres eines Menschen überhaupt zu sprachlichem pse_036.004 Gebilde geworden ist. Die Du-Anrede schon ist etwas deutlich pse_036.005 Menschliches, das Erleben der tiefen, lösenden Wirkung pse_036.006 der Abendnatur, besonders greifbar im Rhythmus, der zwar pse_036.007 in der Sprache hier dauernde Gestalt geworden, der aber im pse_036.008 Innersten ein menschlicher ist.
pse_036.009 4. Gestalt. Jedes Sprachwerk bringt ein Stück Welterfahrung pse_036.010 in dauernde Gestalt. Daß diese Gestalt ganz besonderer pse_036.011 Art ist im Vergleich zu Gestaltungen in einer toten Materie, pse_036.012 daß sie nämlich die Bewegung, die jede sprachliche Leistung pse_036.013 ist, auch in sich mit aufnimmt, haben wir schon einmal pse_036.014 erwähnt. Aber immerhin: in einem Brief wird das Berichtete pse_036.015 eine jederzeit nachprüfbare Gestalt, ebenso in einem Geschichtsbuch pse_036.016 unser Wissen usw. Wieder ganz besonderer pse_036.017 Art ist nun die Gestalthaftigkeit im sprachlichen Kunstwerk. pse_036.018 Goethes Verse sind ein in sich gerundetes Ganzes, das gerade pse_036.019 in dieser Gestalt, in diesem Satzverlauf, in diesem Rhythmus, pse_036.020 in diesem Zusammenwirken der Wortgehalte eben schon pse_036.021 alles ist, indem es soviel Menschliches in sich, in dieser Gestalt pse_036.022 erscheinen läßt.
pse_036.023 Wir überblicken: der Wirklichkeitsbezug, die Verwesentlichung, pse_036.024 das Menschliche der Leistung und die Gestalthaftigkeit pse_036.025 sind Merkmale, die aus dem Wesen der Sprache jedem pse_036.026 Sprachwerk zukommen. Aber im Sprachkunstwerk haben pse_036.027 diese Merkmale ihre besondere Eigenprägung und Intensität, pse_036.028 die auch nur aus den Möglichkeiten der Sprache erwachsen, pse_036.029 aus dem Schöpferischen, dem Fülligen und dem pse_036.030 Gemüthaften, und damit zu einem ästhetischen Gegenstand pse_036.031 werden. Die höchste Intensität und Reinheit dieser pse_036.032 Merkmale machen nun ein Sprachkunstwerk zu einer Dichtung: pse_036.033 der Wirklichkeitsbezug zeigt sich da in Lebensfülle, pse_036.034 die Verwesentlichung als das Offenbaren des Ewigen, des pse_036.035 Seins, das Menschliche als das Tiefe und Ergreifende und pse_036.036 die wirkende Gestalt als jene In-Sich-Geschlossenheit, die in pse_036.037 höchster Vollendung alles in sich hat und nicht mehr nach pse_036.038 außen weist. Auch dieser Weg war ein Versuch, beschreibend
pse_036.001 und wie Goethe diese Verse das erstemal geschrieben hat. pse_036.002 Aber zum Gedicht gehört es wesenhaft, zu spüren, daß da pse_036.003 ein tiefes Inneres eines Menschen überhaupt zu sprachlichem pse_036.004 Gebilde geworden ist. Die Du-Anrede schon ist etwas deutlich pse_036.005 Menschliches, das Erleben der tiefen, lösenden Wirkung pse_036.006 der Abendnatur, besonders greifbar im Rhythmus, der zwar pse_036.007 in der Sprache hier dauernde Gestalt geworden, der aber im pse_036.008 Innersten ein menschlicher ist.
pse_036.009 4. Gestalt. Jedes Sprachwerk bringt ein Stück Welterfahrung pse_036.010 in dauernde Gestalt. Daß diese Gestalt ganz besonderer pse_036.011 Art ist im Vergleich zu Gestaltungen in einer toten Materie, pse_036.012 daß sie nämlich die Bewegung, die jede sprachliche Leistung pse_036.013 ist, auch in sich mit aufnimmt, haben wir schon einmal pse_036.014 erwähnt. Aber immerhin: in einem Brief wird das Berichtete pse_036.015 eine jederzeit nachprüfbare Gestalt, ebenso in einem Geschichtsbuch pse_036.016 unser Wissen usw. Wieder ganz besonderer pse_036.017 Art ist nun die Gestalthaftigkeit im sprachlichen Kunstwerk. pse_036.018 Goethes Verse sind ein in sich gerundetes Ganzes, das gerade pse_036.019 in dieser Gestalt, in diesem Satzverlauf, in diesem Rhythmus, pse_036.020 in diesem Zusammenwirken der Wortgehalte eben schon pse_036.021 alles ist, indem es soviel Menschliches in sich, in dieser Gestalt pse_036.022 erscheinen läßt.
pse_036.023 Wir überblicken: der Wirklichkeitsbezug, die Verwesentlichung, pse_036.024 das Menschliche der Leistung und die Gestalthaftigkeit pse_036.025 sind Merkmale, die aus dem Wesen der Sprache jedem pse_036.026 Sprachwerk zukommen. Aber im Sprachkunstwerk haben pse_036.027 diese Merkmale ihre besondere Eigenprägung und Intensität, pse_036.028 die auch nur aus den Möglichkeiten der Sprache erwachsen, pse_036.029 aus dem Schöpferischen, dem Fülligen und dem pse_036.030 Gemüthaften, und damit zu einem ästhetischen Gegenstand pse_036.031 werden. Die höchste Intensität und Reinheit dieser pse_036.032 Merkmale machen nun ein Sprachkunstwerk zu einer Dichtung: pse_036.033 der Wirklichkeitsbezug zeigt sich da in Lebensfülle, pse_036.034 die Verwesentlichung als das Offenbaren des Ewigen, des pse_036.035 Seins, das Menschliche als das Tiefe und Ergreifende und pse_036.036 die wirkende Gestalt als jene In-Sich-Geschlossenheit, die in pse_036.037 höchster Vollendung alles in sich hat und nicht mehr nach pse_036.038 außen weist. Auch dieser Weg war ein Versuch, beschreibend
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und wie Goethe diese Verse das erstemal geschrieben hat. pse_036.002
Aber zum Gedicht gehört es wesenhaft, zu spüren, daß da pse_036.003
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Menschliches, das Erleben der tiefen, lösenden Wirkung pse_036.006
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in der Sprache hier dauernde Gestalt geworden, der aber im pse_036.008
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4. Gestalt. Jedes Sprachwerk bringt ein Stück Welterfahrung pse_036.010
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Goethes Verse sind ein in sich gerundetes Ganzes, das gerade pse_036.019
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Wir überblicken: der Wirklichkeitsbezug, die Verwesentlichung, pse_036.024
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höchster Vollendung alles in sich hat und nicht mehr nach pse_036.038
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/52>, abgerufen am 27.11.2024.
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