pse_546.001 Vorgänge von anderen Standpunkten angeleuchtet, so daß pse_546.002 durch solche "vielpersonige Bewußtseinsdarstellung" (Auerbach) pse_546.003 die Menschen und Vorgänge mit der Zeit gegenseitig pse_546.004 immer heller in ihrer Art heraustreten. Der Erzähler macht pse_546.005 sich hier nicht mehr persönlich bemerkbar, sondern das pse_546.006 Tiefere enthüllt sich gerade im Bau und in solcher mannigfaltigen pse_546.007 Anlage. Es kann soweit kommen, daß, etwa im pse_546.008 "Ulysses", die einheitstiftende Erzählsituation überhaupt pse_546.009 fehlt. Man könnte sie höchstens noch im Bewußtseinsstrom pse_546.010 des Autors im Augenblick des Konzeptionsvorgangs sehen, pse_546.011 wie man das beim "Ulysses" getan hat. Damit aber würde pse_546.012 wieder der Erzähler, allerdings selbst in einer ganz konkreten pse_546.013 Situation außerhalb des Romangeschehens, durchdringen. pse_546.014 Sicherlich tritt in gewissen modernen Romanen, und gewiß pse_546.015 gerade in künstlerisch bedeutenden, der Erzähler als menschliches pse_546.016 Wesen zurück. Man darf das aber nicht verallgemeinern pse_546.017 und zu einem Zug aller Epik machen. Denn demgegenüber pse_546.018 steht eine auffällige andere Tatsache: daß man im modernen pse_546.019 Theater dafür den Autor als den Einrichter, Ordner und Gestalter pse_546.020 der dramatischen Handlung auf der Bühne und im pse_546.021 Ablauf des Dramas deutlich spürbar machen will: das sogenannte pse_546.022 epische Theater. So erhebt sich hier eine deutliche pse_546.023 künstlerische Frage an den modernen Roman: wie können pse_546.024 Überhandnehmen der Gespräche zugleich mit dem Zurücktreten pse_546.025 des Erzählers und ausgebreitete Analyse einzelner innerer pse_546.026 Vorgänge noch mit Gestaltung eines fortlaufenden, erzählbaren pse_546.027 Geschehens verbunden werden?
pse_546.028 Die Menschengestaltung im Roman folgt im allgemeinen pse_546.029 den Grundsätzen, die für epische Dichtung überhaupt gelten. pse_546.030 Es brauchen also hier nur Züge herausgegriffen zu werden, die pse_546.031 besonders dem modernen Roman eignen. Mit dem stärkeren pse_546.032 Zurücktreten des Erzählers drängen die Personen des Romans pse_546.033 selber deutlicher vor. Das zeigt sich in einer starken Zunahme pse_546.034 der Gespräche in modernen Romanen, weiterhin aber vor pse_546.035 allem in der Häufigkeit der erlebten Rede. Mit der Betonung pse_546.036 des personalen Standpunkts ergibt sich das von selbst. Wir pse_546.037 erkennen hier deutlich den Zusammenhang einer geistesgeschichtlichen pse_546.038 Entwicklung mit einer künstlerischen: je
pse_546.001 Vorgänge von anderen Standpunkten angeleuchtet, so daß pse_546.002 durch solche »vielpersonige Bewußtseinsdarstellung« (Auerbach) pse_546.003 die Menschen und Vorgänge mit der Zeit gegenseitig pse_546.004 immer heller in ihrer Art heraustreten. Der Erzähler macht pse_546.005 sich hier nicht mehr persönlich bemerkbar, sondern das pse_546.006 Tiefere enthüllt sich gerade im Bau und in solcher mannigfaltigen pse_546.007 Anlage. Es kann soweit kommen, daß, etwa im pse_546.008 »Ulysses«, die einheitstiftende Erzählsituation überhaupt pse_546.009 fehlt. Man könnte sie höchstens noch im Bewußtseinsstrom pse_546.010 des Autors im Augenblick des Konzeptionsvorgangs sehen, pse_546.011 wie man das beim »Ulysses« getan hat. Damit aber würde pse_546.012 wieder der Erzähler, allerdings selbst in einer ganz konkreten pse_546.013 Situation außerhalb des Romangeschehens, durchdringen. pse_546.014 Sicherlich tritt in gewissen modernen Romanen, und gewiß pse_546.015 gerade in künstlerisch bedeutenden, der Erzähler als menschliches pse_546.016 Wesen zurück. Man darf das aber nicht verallgemeinern pse_546.017 und zu einem Zug aller Epik machen. Denn demgegenüber pse_546.018 steht eine auffällige andere Tatsache: daß man im modernen pse_546.019 Theater dafür den Autor als den Einrichter, Ordner und Gestalter pse_546.020 der dramatischen Handlung auf der Bühne und im pse_546.021 Ablauf des Dramas deutlich spürbar machen will: das sogenannte pse_546.022 epische Theater. So erhebt sich hier eine deutliche pse_546.023 künstlerische Frage an den modernen Roman: wie können pse_546.024 Überhandnehmen der Gespräche zugleich mit dem Zurücktreten pse_546.025 des Erzählers und ausgebreitete Analyse einzelner innerer pse_546.026 Vorgänge noch mit Gestaltung eines fortlaufenden, erzählbaren pse_546.027 Geschehens verbunden werden?
pse_546.028 Die Menschengestaltung im Roman folgt im allgemeinen pse_546.029 den Grundsätzen, die für epische Dichtung überhaupt gelten. pse_546.030 Es brauchen also hier nur Züge herausgegriffen zu werden, die pse_546.031 besonders dem modernen Roman eignen. Mit dem stärkeren pse_546.032 Zurücktreten des Erzählers drängen die Personen des Romans pse_546.033 selber deutlicher vor. Das zeigt sich in einer starken Zunahme pse_546.034 der Gespräche in modernen Romanen, weiterhin aber vor pse_546.035 allem in der Häufigkeit der erlebten Rede. Mit der Betonung pse_546.036 des personalen Standpunkts ergibt sich das von selbst. Wir pse_546.037 erkennen hier deutlich den Zusammenhang einer geistesgeschichtlichen pse_546.038 Entwicklung mit einer künstlerischen: je
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durch solche »vielpersonige Bewußtseinsdarstellung« (Auerbach) pse_546.003
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sich hier nicht mehr persönlich bemerkbar, sondern das pse_546.006
Tiefere enthüllt sich gerade im Bau und in solcher mannigfaltigen pse_546.007
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»Ulysses«, die einheitstiftende Erzählsituation überhaupt pse_546.009
fehlt. Man könnte sie höchstens noch im Bewußtseinsstrom pse_546.010
des Autors im Augenblick des Konzeptionsvorgangs sehen, pse_546.011
wie man das beim »Ulysses« getan hat. Damit aber würde pse_546.012
wieder der Erzähler, allerdings selbst in einer ganz konkreten pse_546.013
Situation außerhalb des Romangeschehens, durchdringen. pse_546.014
Sicherlich tritt in gewissen modernen Romanen, und gewiß pse_546.015
gerade in künstlerisch bedeutenden, der Erzähler als menschliches pse_546.016
Wesen zurück. Man darf das aber nicht verallgemeinern pse_546.017
und zu einem Zug aller Epik machen. Denn demgegenüber pse_546.018
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Theater dafür den Autor als den Einrichter, Ordner und Gestalter pse_546.020
der dramatischen Handlung auf der Bühne und im pse_546.021
Ablauf des Dramas deutlich spürbar machen will: das sogenannte pse_546.022
epische Theater. So erhebt sich hier eine deutliche pse_546.023
künstlerische Frage an den modernen Roman: wie können pse_546.024
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des Erzählers und ausgebreitete Analyse einzelner innerer pse_546.026
Vorgänge noch mit Gestaltung eines fortlaufenden, erzählbaren pse_546.027
Geschehens verbunden werden?
pse_546.028
Die Menschengestaltung im Roman folgt im allgemeinen pse_546.029
den Grundsätzen, die für epische Dichtung überhaupt gelten. pse_546.030
Es brauchen also hier nur Züge herausgegriffen zu werden, die pse_546.031
besonders dem modernen Roman eignen. Mit dem stärkeren pse_546.032
Zurücktreten des Erzählers drängen die Personen des Romans pse_546.033
selber deutlicher vor. Das zeigt sich in einer starken Zunahme pse_546.034
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Entwicklung mit einer künstlerischen: je
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/562>, abgerufen am 22.11.2024.
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