pse_615.001 allem immer wieder und noch vom gesprochenen Wort, in pse_615.002 dem die künstlerischen Werte der Sprache viel leichter aktualisiert pse_615.003 werden können. Aber auch eine gut durchgeführte Exposition pse_615.004 trägt dazu bei: sie kann tragisch oder heiter stimmen pse_615.005 und zugleich dramatisch spannen: durch ihre Klarheit, auch pse_615.006 wenn sie besonders klar Unverständliches, Rätselhaftes herausstellt pse_615.007 und damit den Wunsch nach Lösung; ferner durch pse_615.008 eine gewisse Eingänglichkeit und Gedrungenheit. In der pse_615.009 Tragödie kommt dann noch die Erregung der Furcht, des pse_615.010 Schauders hinzu. Weiter wirkt die Art, wie der Dichter den pse_615.011 Vorgang gestaltet: ob er langsam immer mehr Weltstoff pse_615.012 einformt, ob er kunstvolle Spannungsbögen vor allem in der pse_615.013 Aktgliederung erzeugt. Auch die Figuren selbst können in pse_615.014 ähnlicher Weise das Interesse, das Mitfühlen wecken. Besonders pse_615.015 innere Größe, Hinaufsteigern von Typen ins Extreme pse_615.016 oder individuelle Besonderheiten regen den Zuschauer zum pse_615.017 Mitleben an.
pse_615.018 Drei Richtungen der Wirkung dramatischer Gestaltung pse_615.019 können am Schluß in theoretischer Sonderung auseindergehalten pse_615.020 werden. 1. Das Drama gestaltet Gemeinschaftsgehalte, pse_615.021 also typische Erlebnisbereiche, Denkformen, Anschauungen, pse_615.022 Einsichten, die im Geiste der Gemeinschaft pse_615.023 leben. Durch die künstlerische Gestaltung werden die tiefsten pse_615.024 Möglichkeiten dieses Gehaltes herausgehoben. Das ist pse_615.025 besonders der Fall bei den alten Griechen, bei Calderon, auch pse_615.026 bei Schillers "Tell". Kolbenheyer spricht hier von der ideogenen pse_615.027 Gestaltung. 2. Das Drama bietet neue Gehalte in künstlerisch pse_615.028 eindringlicher Weise. Durch diese Gestaltung erst pse_615.029 werden die Zuschauer diesen neuen Bildungsgehalten zugeführt pse_615.030 und in ihrem Inneren durch die angebahnte Auseinandersetzung pse_615.031 damit bereichert. Kolbenheyer spricht von pse_615.032 ästhetogener Gestaltung. 3. Die intensivste Wirkung erzielt pse_615.033 die Dramenaufführung, wenn das Gestaltete im Inneren des pse_615.034 Zuschauers Kräfte anregt, durch die die Fülle der Gesichte pse_615.035 und Gehalte erst ganz aufleben und den Menschen formen. pse_615.036 Hier werden also die bildenden Kräfte des Zuschauers selbst pse_615.037 in die Wirkung einbezogen, das Gestaltwerden des Gehalts pse_615.038 vollendet sich erst ganz im erlebenden Menschen.
pse_615.001 allem immer wieder und noch vom gesprochenen Wort, in pse_615.002 dem die künstlerischen Werte der Sprache viel leichter aktualisiert pse_615.003 werden können. Aber auch eine gut durchgeführte Exposition pse_615.004 trägt dazu bei: sie kann tragisch oder heiter stimmen pse_615.005 und zugleich dramatisch spannen: durch ihre Klarheit, auch pse_615.006 wenn sie besonders klar Unverständliches, Rätselhaftes herausstellt pse_615.007 und damit den Wunsch nach Lösung; ferner durch pse_615.008 eine gewisse Eingänglichkeit und Gedrungenheit. In der pse_615.009 Tragödie kommt dann noch die Erregung der Furcht, des pse_615.010 Schauders hinzu. Weiter wirkt die Art, wie der Dichter den pse_615.011 Vorgang gestaltet: ob er langsam immer mehr Weltstoff pse_615.012 einformt, ob er kunstvolle Spannungsbögen vor allem in der pse_615.013 Aktgliederung erzeugt. Auch die Figuren selbst können in pse_615.014 ähnlicher Weise das Interesse, das Mitfühlen wecken. Besonders pse_615.015 innere Größe, Hinaufsteigern von Typen ins Extreme pse_615.016 oder individuelle Besonderheiten regen den Zuschauer zum pse_615.017 Mitleben an.
pse_615.018 Drei Richtungen der Wirkung dramatischer Gestaltung pse_615.019 können am Schluß in theoretischer Sonderung auseindergehalten pse_615.020 werden. 1. Das Drama gestaltet Gemeinschaftsgehalte, pse_615.021 also typische Erlebnisbereiche, Denkformen, Anschauungen, pse_615.022 Einsichten, die im Geiste der Gemeinschaft pse_615.023 leben. Durch die künstlerische Gestaltung werden die tiefsten pse_615.024 Möglichkeiten dieses Gehaltes herausgehoben. Das ist pse_615.025 besonders der Fall bei den alten Griechen, bei Calderón, auch pse_615.026 bei Schillers »Tell«. Kolbenheyer spricht hier von der ideogenen pse_615.027 Gestaltung. 2. Das Drama bietet neue Gehalte in künstlerisch pse_615.028 eindringlicher Weise. Durch diese Gestaltung erst pse_615.029 werden die Zuschauer diesen neuen Bildungsgehalten zugeführt pse_615.030 und in ihrem Inneren durch die angebahnte Auseinandersetzung pse_615.031 damit bereichert. Kolbenheyer spricht von pse_615.032 ästhetogener Gestaltung. 3. Die intensivste Wirkung erzielt pse_615.033 die Dramenaufführung, wenn das Gestaltete im Inneren des pse_615.034 Zuschauers Kräfte anregt, durch die die Fülle der Gesichte pse_615.035 und Gehalte erst ganz aufleben und den Menschen formen. pse_615.036 Hier werden also die bildenden Kräfte des Zuschauers selbst pse_615.037 in die Wirkung einbezogen, das Gestaltwerden des Gehalts pse_615.038 vollendet sich erst ganz im erlebenden Menschen.
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Schauders hinzu. Weiter wirkt die Art, wie der Dichter den pse_615.011
Vorgang gestaltet: ob er langsam immer mehr Weltstoff pse_615.012
einformt, ob er kunstvolle Spannungsbögen vor allem in der pse_615.013
Aktgliederung erzeugt. Auch die Figuren selbst können in pse_615.014
ähnlicher Weise das Interesse, das Mitfühlen wecken. Besonders pse_615.015
innere Größe, Hinaufsteigern von Typen ins Extreme pse_615.016
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 615. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/631>, abgerufen am 22.11.2024.
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