Seiler, Georg Friedrich: Ueber das wahre thätige Christenthum. Erlangen, 1789.se Menge seiner Fehler zehlen, ach! verzeihe mir mei- ren
ſe Menge ſeiner Fehler zehlen, ach! verzeihe mir mei- ren
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0034" n="30"/> ſe Menge ſeiner Fehler zehlen, ach! verzeihe mir mei-<lb/> ne mir zum Theil ſelbſt verborgenen Sünden! Hätte<lb/> ich nicht meine Begierden und Leidenſchaften mehr<lb/> zähmen? Hätte ich nicht meine Seele von allen un-<lb/> ordentlichen Neigungen noch mehr reinigen, Haß und<lb/> Neid, Wolluſt und Zorn aus meinem Herzen vertilgen<lb/> und mich dir ganz heiligen ſollen? Dazu haſt du,<lb/> mein Vater! mir deinen Geiſt und hinlängliche Kräfte<lb/> gegeben; nur meine Schuld iſt es, daß ich noch nicht<lb/> ſo weit in jeder Tugend gekommen bin, als es meine<lb/> Pflicht, und als es die Liebe erforderte, mit der ich<lb/> dich immerhin dankbar verehren ſollte. Wie oft hätte<lb/> ich das Exempt! meines Erlöſers nachahmen, hätte<lb/> ſanftmüthiger, gelinder, demüthiger, milder und dienſt-<lb/> fertiger gegen meine Mitchriſten ſeyn ſollen? Verzei-<lb/> he mir doch, gütiger Gott! ſo viele Nachläſſigkeit in<lb/> dem groſſen Werke meiner Selbſtbeſſerung. Fahre<lb/> fort, daſſelbe in mir zu vollenden; du haſt mir das<lb/> Wollen gegeben, ach! gieb mir auch das Vollbringen.<lb/> Die Liebe zu Jeſu erfülle meine ganze Seele; ſie ſtär-<lb/> ke mich im Kampfe gegen meine eigene Begierden; ſie<lb/> mache mich gleichgültig gegen dieſe eitle und vergäng-<lb/> liche Welt. Herr Jeſu! der du auch mich geliebet<lb/> und dich für mich in den Tod gegeben haſt; ach! bilde<lb/> mich nun auch durch deinen Geiſt, daß ich an guten<lb/> Geſinnungen dir ähnlich werde, ſo keuſch und mäßig,<lb/> ſo billig und wahrheitliebend, ſo gehorſam dem Vater,<lb/> wie du geweſen biſt. Gieb mir die Weisheit vorſich-<lb/> tig zu handeln in dieſer gefährlichen Zeit; gieb mit<lb/> die Standhaftigkeit, daß ich von der Bahn der wah-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ren</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [30/0034]
ſe Menge ſeiner Fehler zehlen, ach! verzeihe mir mei-
ne mir zum Theil ſelbſt verborgenen Sünden! Hätte
ich nicht meine Begierden und Leidenſchaften mehr
zähmen? Hätte ich nicht meine Seele von allen un-
ordentlichen Neigungen noch mehr reinigen, Haß und
Neid, Wolluſt und Zorn aus meinem Herzen vertilgen
und mich dir ganz heiligen ſollen? Dazu haſt du,
mein Vater! mir deinen Geiſt und hinlängliche Kräfte
gegeben; nur meine Schuld iſt es, daß ich noch nicht
ſo weit in jeder Tugend gekommen bin, als es meine
Pflicht, und als es die Liebe erforderte, mit der ich
dich immerhin dankbar verehren ſollte. Wie oft hätte
ich das Exempt! meines Erlöſers nachahmen, hätte
ſanftmüthiger, gelinder, demüthiger, milder und dienſt-
fertiger gegen meine Mitchriſten ſeyn ſollen? Verzei-
he mir doch, gütiger Gott! ſo viele Nachläſſigkeit in
dem groſſen Werke meiner Selbſtbeſſerung. Fahre
fort, daſſelbe in mir zu vollenden; du haſt mir das
Wollen gegeben, ach! gieb mir auch das Vollbringen.
Die Liebe zu Jeſu erfülle meine ganze Seele; ſie ſtär-
ke mich im Kampfe gegen meine eigene Begierden; ſie
mache mich gleichgültig gegen dieſe eitle und vergäng-
liche Welt. Herr Jeſu! der du auch mich geliebet
und dich für mich in den Tod gegeben haſt; ach! bilde
mich nun auch durch deinen Geiſt, daß ich an guten
Geſinnungen dir ähnlich werde, ſo keuſch und mäßig,
ſo billig und wahrheitliebend, ſo gehorſam dem Vater,
wie du geweſen biſt. Gieb mir die Weisheit vorſich-
tig zu handeln in dieſer gefährlichen Zeit; gieb mit
die Standhaftigkeit, daß ich von der Bahn der wah-
ren
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