Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

ner Pflege anvertrauten Individuen fern zu halten, und nicht
dadurch, dass es mir gelungen wäre, die epidemischen Ein-
flüsse unschädlich zu machen.

Ich habe schon früher darauf hingedeutet, dass das Er-
kranken und Sterben vieler Individuen, an derselben Krank-
heit, in einer bestimmten Zeit nicht den Begriff der Epide-
mie gibt; denn sonst wäre eine jede Schlacht eine Epidemie,
in einer jeden Schlacht erkranken und sterben ja auch viele
Individuen, an derselben Krankheit, in einer bestimmten Zeit.
Den Begriff der Epidemie geben die Ursachen, welche, unab-
hängig von der Zahl, das Kindbettfieber hervorgebracht ha-
ben, und nur dasjenige Kindbettfieber wäre ein epidemisches,
welches durch atmosphärisch-cosmisch-tellurische Einflüsse
bedingt wird.

Nach Vorausschickung dieses wichtigsten aller Gründe,
wollen wir nun den früher gewählten Massstab an die epide-
mischen Einflüsse anlegen.

Dass durch epidemische Einflüsse der Individuen kein zer-
setzter thierisch-organischer Stoff von aussen eingebracht
wird, ist an und für sich klar und benöthigt keines Beweises.

Aber es ist denkbar, dass es atmosphärisch-cosmisch-
tellurische Einflüsse gebe, welche machen, dass in einer be-
stimmten Zeit in vielen Individuen ein zersetzter thierisch-
organischer Stoff entstehe, welcher dann resorbirt durch Selbst-
infection das Kindbettfieber hervorbringe und ein derart ent-
standenes Kindbettfieber wäre allerdings ein epidemisches.

Dass dieses, was wir für denkbar halten, in der Wirk-
lichkeit sich aber nicht zutrage, dafür sprechen folgende
Gründe:

Wenn das Kindbettfieber durch epidemische Einflüsse
erzeugt werden könnte, so müsse selbes, wie wir dies auch
bei anderen epidemischen Krankeiten sahen, an eine be-
stimmte Jahreszeit gebunden sein, weil es nicht denkbar ist,
dass entgegengesetzte atmosphärische Einflüsse dieselbe Wir-
kung haben sollten.

ner Pflege anvertrauten Individuen fern zu halten, und nicht
dadurch, dass es mir gelungen wäre, die epidemischen Ein-
flüsse unschädlich zu machen.

Ich habe schon früher darauf hingedeutet, dass das Er-
kranken und Sterben vieler Individuen, an derselben Krank-
heit, in einer bestimmten Zeit nicht den Begriff der Epide-
mie gibt; denn sonst wäre eine jede Schlacht eine Epidemie,
in einer jeden Schlacht erkranken und sterben ja auch viele
Individuen, an derselben Krankheit, in einer bestimmten Zeit.
Den Begriff der Epidemie geben die Ursachen, welche, unab-
hängig von der Zahl, das Kindbettfieber hervorgebracht ha-
ben, und nur dasjenige Kindbettfieber wäre ein epidemisches,
welches durch atmosphärisch-cosmisch-tellurische Einflüsse
bedingt wird.

Nach Vorausschickung dieses wichtigsten aller Gründe,
wollen wir nun den früher gewählten Massstab an die epide-
mischen Einflüsse anlegen.

Dass durch epidemische Einflüsse der Individuen kein zer-
setzter thierisch-organischer Stoff von aussen eingebracht
wird, ist an und für sich klar und benöthigt keines Beweises.

Aber es ist denkbar, dass es atmosphärisch-cosmisch-
tellurische Einflüsse gebe, welche machen, dass in einer be-
stimmten Zeit in vielen Individuen ein zersetzter thierisch-
organischer Stoff entstehe, welcher dann resorbirt durch Selbst-
infection das Kindbettfieber hervorbringe und ein derart ent-
standenes Kindbettfieber wäre allerdings ein epidemisches.

Dass dieses, was wir für denkbar halten, in der Wirk-
lichkeit sich aber nicht zutrage, dafür sprechen folgende
Gründe:

Wenn das Kindbettfieber durch epidemische Einflüsse
erzeugt werden könnte, so müsse selbes, wie wir dies auch
bei anderen epidemischen Krankeiten sahen, an eine be-
stimmte Jahreszeit gebunden sein, weil es nicht denkbar ist,
dass entgegengesetzte atmosphärische Einflüsse dieselbe Wir-
kung haben sollten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0130" n="118"/>
ner Pflege anvertrauten Individuen fern zu halten, und nicht<lb/>
dadurch, dass es mir gelungen wäre, die epidemischen Ein-<lb/>
flüsse unschädlich zu machen.</p><lb/>
        <p>Ich habe schon früher darauf hingedeutet, dass das Er-<lb/>
kranken und Sterben vieler Individuen, an derselben Krank-<lb/>
heit, in einer bestimmten Zeit nicht den Begriff der Epide-<lb/>
mie gibt; denn sonst wäre eine jede Schlacht eine Epidemie,<lb/>
in einer jeden Schlacht erkranken und sterben ja auch viele<lb/>
Individuen, an derselben Krankheit, in einer bestimmten Zeit.<lb/>
Den Begriff der Epidemie geben die Ursachen, welche, unab-<lb/>
hängig von der Zahl, das Kindbettfieber hervorgebracht ha-<lb/>
ben, und nur dasjenige Kindbettfieber wäre ein epidemisches,<lb/>
welches durch atmosphärisch-cosmisch-tellurische Einflüsse<lb/>
bedingt wird.</p><lb/>
        <p>Nach Vorausschickung dieses wichtigsten aller Gründe,<lb/>
wollen wir nun den früher gewählten Massstab an die epide-<lb/>
mischen Einflüsse anlegen.</p><lb/>
        <p>Dass durch epidemische Einflüsse der Individuen kein zer-<lb/>
setzter thierisch-organischer Stoff von aussen eingebracht<lb/>
wird, ist an und für sich klar und benöthigt keines Beweises.</p><lb/>
        <p>Aber es ist denkbar, dass es atmosphärisch-cosmisch-<lb/>
tellurische Einflüsse gebe, welche machen, dass in einer be-<lb/>
stimmten Zeit in vielen Individuen ein zersetzter thierisch-<lb/>
organischer Stoff entstehe, welcher dann resorbirt durch Selbst-<lb/>
infection das Kindbettfieber hervorbringe und ein derart ent-<lb/>
standenes Kindbettfieber wäre allerdings ein epidemisches.</p><lb/>
        <p>Dass dieses, was wir für denkbar halten, in der Wirk-<lb/>
lichkeit sich aber nicht zutrage, dafür sprechen folgende<lb/>
Gründe:</p><lb/>
        <p>Wenn das Kindbettfieber durch epidemische Einflüsse<lb/>
erzeugt werden könnte, so müsse selbes, wie wir dies auch<lb/>
bei anderen epidemischen Krankeiten sahen, an eine be-<lb/>
stimmte Jahreszeit gebunden sein, weil es nicht denkbar ist,<lb/>
dass entgegengesetzte atmosphärische Einflüsse dieselbe Wir-<lb/>
kung haben sollten.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0130] ner Pflege anvertrauten Individuen fern zu halten, und nicht dadurch, dass es mir gelungen wäre, die epidemischen Ein- flüsse unschädlich zu machen. Ich habe schon früher darauf hingedeutet, dass das Er- kranken und Sterben vieler Individuen, an derselben Krank- heit, in einer bestimmten Zeit nicht den Begriff der Epide- mie gibt; denn sonst wäre eine jede Schlacht eine Epidemie, in einer jeden Schlacht erkranken und sterben ja auch viele Individuen, an derselben Krankheit, in einer bestimmten Zeit. Den Begriff der Epidemie geben die Ursachen, welche, unab- hängig von der Zahl, das Kindbettfieber hervorgebracht ha- ben, und nur dasjenige Kindbettfieber wäre ein epidemisches, welches durch atmosphärisch-cosmisch-tellurische Einflüsse bedingt wird. Nach Vorausschickung dieses wichtigsten aller Gründe, wollen wir nun den früher gewählten Massstab an die epide- mischen Einflüsse anlegen. Dass durch epidemische Einflüsse der Individuen kein zer- setzter thierisch-organischer Stoff von aussen eingebracht wird, ist an und für sich klar und benöthigt keines Beweises. Aber es ist denkbar, dass es atmosphärisch-cosmisch- tellurische Einflüsse gebe, welche machen, dass in einer be- stimmten Zeit in vielen Individuen ein zersetzter thierisch- organischer Stoff entstehe, welcher dann resorbirt durch Selbst- infection das Kindbettfieber hervorbringe und ein derart ent- standenes Kindbettfieber wäre allerdings ein epidemisches. Dass dieses, was wir für denkbar halten, in der Wirk- lichkeit sich aber nicht zutrage, dafür sprechen folgende Gründe: Wenn das Kindbettfieber durch epidemische Einflüsse erzeugt werden könnte, so müsse selbes, wie wir dies auch bei anderen epidemischen Krankeiten sahen, an eine be- stimmte Jahreszeit gebunden sein, weil es nicht denkbar ist, dass entgegengesetzte atmosphärische Einflüsse dieselbe Wir- kung haben sollten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/130
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/130>, abgerufen am 09.11.2024.