rirt werden konnten, daselbst starben, während in Wirklich- keit eine grosse Anzahl von Wöchnerinnen unterlag. An der zweiten Abtheilung wurden Transferirungen in solcher Aus- dehnung nie vorgenommen, es wurden nur einzelne Wöchne- rinnen, welche sich wegen ihres Zustandes für die Uebrigen als zu gefährlich erwiesen, transferirt.
Dieses Plus der Sterblichkeit an der ersten Abtheilung im Vergleiche zur zweiten sind die vielen hundert Wöchne- rinnen, welche ich zum Theile selbst an Puerperal-Processen sterben sah, ohne für dieselben das aetiologische Moment in der bisher giltigen Aetiologie finden zu können.
Um dem Leser ebenfalls die Ueberzeugung beizubringen, dass dieses Plus der Sterblichkeit aus der bisher giltigen Aetiologie nicht erklärt werden könne, wollen wir nun die bisher giltigen aetiologischen Momente des Kindbettfiebers in ihrer Anwendung zur Erklärung dieses Plus der Sterblichkeit einer näheren Prüfung unterziehen.
Man zweifelte nicht und sprach es tausendmal aus, dass die furchtbaren Verheerungen, welche das Kindbettfieber an der ersten geburtshilflichen Abtheilung anrichtet, epidemi- schen Einflüssen zuzuschreiben seien. Man versteht unter epidemischen Einflüssen bisher noch nicht genau zu defini- rende atmosphärische, cosmische, tellurische Veränderungen, welche sich manchmal über ganze Länderstrecken ausbreiten, und bei durch das Puerperium dazu disponirten Individuen das Kindbettfieber hervorbringen. Wenn nun die atmosphärisch- cosmisch-tellurischen Verhältnisse der Stadt Wien derart be- schaffen sind, dass sie bei durch das Puerperium disponirten Individuen das Puerperalfieber hervorzubringen im Stande sind, wie kommt es denn, dass diese atmosphärisch-cosmisch- tellurischen Einflüsse durch eine so lange Reihe von Jahren vorzüglich die durch das Puerperium disponirten, auf der er- sten geburtshilflichen Klinik befindlichen Individuen dahin- raffte, während es die ebenfalls in Wien, im selben Hause eben- falls durch das Puerperium disponirten, auf der zweiten Abthei-
rirt werden konnten, daselbst starben, während in Wirklich- keit eine grosse Anzahl von Wöchnerinnen unterlag. An der zweiten Abtheilung wurden Transferirungen in solcher Aus- dehnung nie vorgenommen, es wurden nur einzelne Wöchne- rinnen, welche sich wegen ihres Zustandes für die Uebrigen als zu gefährlich erwiesen, transferirt.
Dieses Plus der Sterblichkeit an der ersten Abtheilung im Vergleiche zur zweiten sind die vielen hundert Wöchne- rinnen, welche ich zum Theile selbst an Puerperal-Processen sterben sah, ohne für dieselben das aetiologische Moment in der bisher giltigen Aetiologie finden zu können.
Um dem Leser ebenfalls die Ueberzeugung beizubringen, dass dieses Plus der Sterblichkeit aus der bisher giltigen Aetiologie nicht erklärt werden könne, wollen wir nun die bisher giltigen aetiologischen Momente des Kindbettfiebers in ihrer Anwendung zur Erklärung dieses Plus der Sterblichkeit einer näheren Prüfung unterziehen.
Man zweifelte nicht und sprach es tausendmal aus, dass die furchtbaren Verheerungen, welche das Kindbettfieber an der ersten geburtshilflichen Abtheilung anrichtet, epidemi- schen Einflüssen zuzuschreiben seien. Man versteht unter epidemischen Einflüssen bisher noch nicht genau zu defini- rende atmosphärische, cosmische, tellurische Veränderungen, welche sich manchmal über ganze Länderstrecken ausbreiten, und bei durch das Puerperium dazu disponirten Individuen das Kindbettfieber hervorbringen. Wenn nun die atmosphärisch- cosmisch-tellurischen Verhältnisse der Stadt Wien derart be- schaffen sind, dass sie bei durch das Puerperium disponirten Individuen das Puerperalfieber hervorzubringen im Stande sind, wie kommt es denn, dass diese atmosphärisch-cosmisch- tellurischen Einflüsse durch eine so lange Reihe von Jahren vorzüglich die durch das Puerperium disponirten, auf der er- sten geburtshilflichen Klinik befindlichen Individuen dahin- raffte, während es die ebenfalls in Wien, im selben Hause eben- falls durch das Puerperium disponirten, auf der zweiten Abthei-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0016"n="4"/>
rirt werden konnten, daselbst starben, während in Wirklich-<lb/>
keit eine grosse Anzahl von Wöchnerinnen unterlag. An der<lb/>
zweiten Abtheilung wurden Transferirungen in solcher Aus-<lb/>
dehnung nie vorgenommen, es wurden nur einzelne Wöchne-<lb/>
rinnen, welche sich wegen ihres Zustandes für die Uebrigen<lb/>
als zu gefährlich erwiesen, transferirt.</p><lb/><p>Dieses Plus der Sterblichkeit an der ersten Abtheilung<lb/>
im Vergleiche zur zweiten sind die vielen hundert Wöchne-<lb/>
rinnen, welche ich zum Theile selbst an Puerperal-Processen<lb/>
sterben sah, ohne für dieselben das aetiologische Moment in<lb/>
der bisher giltigen Aetiologie finden zu können.</p><lb/><p>Um dem Leser ebenfalls die Ueberzeugung beizubringen,<lb/>
dass dieses Plus der Sterblichkeit aus der bisher giltigen<lb/>
Aetiologie nicht erklärt werden könne, wollen wir nun die<lb/>
bisher giltigen aetiologischen Momente des Kindbettfiebers in<lb/>
ihrer Anwendung zur Erklärung dieses Plus der Sterblichkeit<lb/>
einer näheren Prüfung unterziehen.</p><lb/><p>Man zweifelte nicht und sprach es tausendmal aus, dass<lb/>
die furchtbaren Verheerungen, welche das Kindbettfieber an<lb/>
der ersten geburtshilflichen Abtheilung anrichtet, epidemi-<lb/>
schen Einflüssen zuzuschreiben seien. Man versteht unter<lb/>
epidemischen Einflüssen bisher noch nicht genau zu defini-<lb/>
rende atmosphärische, cosmische, tellurische Veränderungen,<lb/>
welche sich manchmal über ganze Länderstrecken ausbreiten,<lb/>
und bei durch das Puerperium dazu disponirten Individuen das<lb/>
Kindbettfieber hervorbringen. Wenn nun die atmosphärisch-<lb/>
cosmisch-tellurischen Verhältnisse der Stadt Wien derart be-<lb/>
schaffen sind, dass sie bei durch das Puerperium disponirten<lb/>
Individuen das Puerperalfieber hervorzubringen im Stande<lb/>
sind, wie kommt es denn, dass diese atmosphärisch-cosmisch-<lb/>
tellurischen Einflüsse durch eine so lange Reihe von Jahren<lb/>
vorzüglich die durch das Puerperium disponirten, auf der er-<lb/>
sten geburtshilflichen Klinik befindlichen Individuen dahin-<lb/>
raffte, während es die ebenfalls in Wien, im selben Hause eben-<lb/>
falls durch das Puerperium disponirten, auf der zweiten Abthei-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[4/0016]
rirt werden konnten, daselbst starben, während in Wirklich-
keit eine grosse Anzahl von Wöchnerinnen unterlag. An der
zweiten Abtheilung wurden Transferirungen in solcher Aus-
dehnung nie vorgenommen, es wurden nur einzelne Wöchne-
rinnen, welche sich wegen ihres Zustandes für die Uebrigen
als zu gefährlich erwiesen, transferirt.
Dieses Plus der Sterblichkeit an der ersten Abtheilung
im Vergleiche zur zweiten sind die vielen hundert Wöchne-
rinnen, welche ich zum Theile selbst an Puerperal-Processen
sterben sah, ohne für dieselben das aetiologische Moment in
der bisher giltigen Aetiologie finden zu können.
Um dem Leser ebenfalls die Ueberzeugung beizubringen,
dass dieses Plus der Sterblichkeit aus der bisher giltigen
Aetiologie nicht erklärt werden könne, wollen wir nun die
bisher giltigen aetiologischen Momente des Kindbettfiebers in
ihrer Anwendung zur Erklärung dieses Plus der Sterblichkeit
einer näheren Prüfung unterziehen.
Man zweifelte nicht und sprach es tausendmal aus, dass
die furchtbaren Verheerungen, welche das Kindbettfieber an
der ersten geburtshilflichen Abtheilung anrichtet, epidemi-
schen Einflüssen zuzuschreiben seien. Man versteht unter
epidemischen Einflüssen bisher noch nicht genau zu defini-
rende atmosphärische, cosmische, tellurische Veränderungen,
welche sich manchmal über ganze Länderstrecken ausbreiten,
und bei durch das Puerperium dazu disponirten Individuen das
Kindbettfieber hervorbringen. Wenn nun die atmosphärisch-
cosmisch-tellurischen Verhältnisse der Stadt Wien derart be-
schaffen sind, dass sie bei durch das Puerperium disponirten
Individuen das Puerperalfieber hervorzubringen im Stande
sind, wie kommt es denn, dass diese atmosphärisch-cosmisch-
tellurischen Einflüsse durch eine so lange Reihe von Jahren
vorzüglich die durch das Puerperium disponirten, auf der er-
sten geburtshilflichen Klinik befindlichen Individuen dahin-
raffte, während es die ebenfalls in Wien, im selben Hause eben-
falls durch das Puerperium disponirten, auf der zweiten Abthei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/16>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.