gegeben. In kleinen Gebärhäusern ist das Lehrmaterial karg zugemessen, es wird daher ein jeder Fall benützt, und wenn nun mit unreinen Händen untersucht wird, werden von weni- gen verpflegten Individuen viele inficirt; in Wien ist das Lehrmaterial in solchem Ueberfluss vorhanden, dass hunderte und hunderte von Individuen nicht zum Unterrichte verwendet, also nicht inficirt werden, und diese nicht zum Unterrichte verwendeten Individuen verbessern die relative Sterblichkeit.
Was die Prophylaxis der Selbstinfectionsfälle anbelangt, so muss, damit kein zersetzter Stoff in den Individuen ent- stehe, die Austreibungsperiode, wenn selbe so zögernd ver- läuft, dass Quetschungen der Genitalien zu besorgen stehen, rechtzeitig mittelst der entsprechenden Operation beendet werden; die Operation selbst muss so schonend wie möglich gemacht werden, damit in Folge der Operation nicht das entstehe, was man mit der Operation verhüten wollte; aus diesem Grunde sind z. B. bei Zangenoperationen, die Rotatio- nen und die Pendelbewegungen verwerflich, wegen der Quetschungen, welche nothwendigerweise durch diese Bewe- gungen den Genifalien zugefügt werden.
Die Placenta, Placenta- und Eihautreste müssen vor ihrem Uebergange in Fäulniss aus dem Organismus entfernt werden, mehrere Stunden nach gestillten Gebärmutterblutungen müssen Injectionen gemacht werden, um die etwa zurückgebliebenen Blutcoagula zu entfernen, denn zurückgehalten gehen selbe in Fäulniss über, und liefern dadurch den Stoff für die Selbst- infection; man verhüte Mittelfleischrisse, weil dadurch nicht nur eine resorbirende Fläche, sondern zugleich der zu resorbirende Stoff geschaffen wird. Ist aber wirklich ein zersetzter Stoff in den Individuen entstanden, so muss derselbe durch Reinlich- keit und Injectionen aus den Individuen entfernt werden, um wo möglich dessen Resorption zu verhüten.
In wie weit dieselben Verhältnisse auch ausserhalb der Gebärhäuser vorkommen, muss natürlich auch ausserhalb der Gebärhäuser dieselbe Prophylaxis beobachtet werden, und
gegeben. In kleinen Gebärhäusern ist das Lehrmaterial karg zugemessen, es wird daher ein jeder Fall benützt, und wenn nun mit unreinen Händen untersucht wird, werden von weni- gen verpflegten Individuen viele inficirt; in Wien ist das Lehrmaterial in solchem Ueberfluss vorhanden, dass hunderte und hunderte von Individuen nicht zum Unterrichte verwendet, also nicht inficirt werden, und diese nicht zum Unterrichte verwendeten Individuen verbessern die relative Sterblichkeit.
Was die Prophylaxis der Selbstinfectionsfälle anbelangt, so muss, damit kein zersetzter Stoff in den Individuen ent- stehe, die Austreibungsperiode, wenn selbe so zögernd ver- läuft, dass Quetschungen der Genitalien zu besorgen stehen, rechtzeitig mittelst der entsprechenden Operation beendet werden; die Operation selbst muss so schonend wie möglich gemacht werden, damit in Folge der Operation nicht das entstehe, was man mit der Operation verhüten wollte; aus diesem Grunde sind z. B. bei Zangenoperationen, die Rotatio- nen und die Pendelbewegungen verwerflich, wegen der Quetschungen, welche nothwendigerweise durch diese Bewe- gungen den Genifalien zugefügt werden.
Die Placenta, Placenta- und Eihautreste müssen vor ihrem Uebergange in Fäulniss aus dem Organismus entfernt werden, mehrere Stunden nach gestillten Gebärmutterblutungen müssen Injectionen gemacht werden, um die etwa zurückgebliebenen Blutcoagula zu entfernen, denn zurückgehalten gehen selbe in Fäulniss über, und liefern dadurch den Stoff für die Selbst- infection; man verhüte Mittelfleischrisse, weil dadurch nicht nur eine resorbirende Fläche, sondern zugleich der zu resorbirende Stoff geschaffen wird. Ist aber wirklich ein zersetzter Stoff in den Individuen entstanden, so muss derselbe durch Reinlich- keit und Injectionen aus den Individuen entfernt werden, um wo möglich dessen Resorption zu verhüten.
In wie weit dieselben Verhältnisse auch ausserhalb der Gebärhäuser vorkommen, muss natürlich auch ausserhalb der Gebärhäuser dieselbe Prophylaxis beobachtet werden, und
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[271/0283]
gegeben. In kleinen Gebärhäusern ist das Lehrmaterial karg
zugemessen, es wird daher ein jeder Fall benützt, und wenn
nun mit unreinen Händen untersucht wird, werden von weni-
gen verpflegten Individuen viele inficirt; in Wien ist das
Lehrmaterial in solchem Ueberfluss vorhanden, dass hunderte
und hunderte von Individuen nicht zum Unterrichte verwendet,
also nicht inficirt werden, und diese nicht zum Unterrichte
verwendeten Individuen verbessern die relative Sterblichkeit.
Was die Prophylaxis der Selbstinfectionsfälle anbelangt,
so muss, damit kein zersetzter Stoff in den Individuen ent-
stehe, die Austreibungsperiode, wenn selbe so zögernd ver-
läuft, dass Quetschungen der Genitalien zu besorgen stehen,
rechtzeitig mittelst der entsprechenden Operation beendet
werden; die Operation selbst muss so schonend wie möglich
gemacht werden, damit in Folge der Operation nicht das
entstehe, was man mit der Operation verhüten wollte; aus
diesem Grunde sind z. B. bei Zangenoperationen, die Rotatio-
nen und die Pendelbewegungen verwerflich, wegen der
Quetschungen, welche nothwendigerweise durch diese Bewe-
gungen den Genifalien zugefügt werden.
Die Placenta, Placenta- und Eihautreste müssen vor ihrem
Uebergange in Fäulniss aus dem Organismus entfernt werden,
mehrere Stunden nach gestillten Gebärmutterblutungen müssen
Injectionen gemacht werden, um die etwa zurückgebliebenen
Blutcoagula zu entfernen, denn zurückgehalten gehen selbe in
Fäulniss über, und liefern dadurch den Stoff für die Selbst-
infection; man verhüte Mittelfleischrisse, weil dadurch nicht nur
eine resorbirende Fläche, sondern zugleich der zu resorbirende
Stoff geschaffen wird. Ist aber wirklich ein zersetzter Stoff in
den Individuen entstanden, so muss derselbe durch Reinlich-
keit und Injectionen aus den Individuen entfernt werden, um
wo möglich dessen Resorption zu verhüten.
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Gebärhäuser vorkommen, muss natürlich auch ausserhalb der
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/283>, abgerufen am 22.11.2024.
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