fache grösser und innerhalb sechs Jahren durchschnittlich dreimal so gross war, als auf der zum Unterricht für Hebam- men bestimmten Abtheilung.
Der Leser erinnert sich, welche neue Schlüsse ich aus dieser alten Thatsache gezogen; diese alte Thatsache lieferte mir sämmtliche Hilfsmittel für meinen Feldzug gegen die bis- her giltige Aetiologie des Kindbettfiebers, diese alte Thatsache zeigt, dass, wenn in dem durch die Tabelle I repräsentirten Zeitraume drei Wöchnerinnen an der I. Gebärklinik starben, die transferirten gar nicht gerechnet, man wohl für die eine, aber nicht für die beiden andern das ätiologische Moment für das Kindbettfieber in der bisher giltigen Aetiologie finden konnte. Diese alte Thatsache überzeugte mich, dass es ausser der bisher giltigen Aetiologie des Kindbettfiebers noch eine an- dere geben müsse, ich habe die noch unbekannte Aetiologie gesucht und habe selbe gefunden.
Scanzoni sagt ferner: Dr. Semmelweis kam nun bei der Kenntniss der Thatsache, dass durch die Einwirkung faulender thierischer Substanzen auf das Blut Pyämie hervorgerufen werde, auf den Gedanken, dass den häufigen Erkrankungen der Wöchnerinnen in Gebärhäusern die Uebertragung von der- artigen Substanzen auf die Geburtstheile zu Grunde liegen könne, und hielt eine solche Infection dadurch ermöglicht, dass seinen und den Händen der Schüler derartige deletäre Stoffe von den häufig kurz zuvor gemachten Leichenuntersuchungen ankleben und bei der Exploration auf die Genitalien der In- dividuen übertragen werden. Zu Gunsten dieser Ansicht sprach das bedeutend günstigere Erkrankungsverhältniss auf der Ab- theilung für Hebammen, welche sich nie mit Leichenunter- suchungen beschäftigen, und der Umstand, dass die Erkran- kungen zunahmen, wenn der Assistent und die Schüler die Sectionslocalitäten häufiger besuchten.
Um die Richtigkeit seiner Ansicht zu erproben, traf Dr. Semmelweis gegen Ende Mai 1847 die Verfügung, dass Jeder- mann vor jeder Untersuchung einer Schwangern, Gebärenden
fache grösser und innerhalb sechs Jahren durchschnittlich dreimal so gross war, als auf der zum Unterricht für Hebam- men bestimmten Abtheilung.
Der Leser erinnert sich, welche neue Schlüsse ich aus dieser alten Thatsache gezogen; diese alte Thatsache lieferte mir sämmtliche Hilfsmittel für meinen Feldzug gegen die bis- her giltige Aetiologie des Kindbettfiebers, diese alte Thatsache zeigt, dass, wenn in dem durch die Tabelle I repräsentirten Zeitraume drei Wöchnerinnen an der I. Gebärklinik starben, die transferirten gar nicht gerechnet, man wohl für die eine, aber nicht für die beiden andern das ätiologische Moment für das Kindbettfieber in der bisher giltigen Aetiologie finden konnte. Diese alte Thatsache überzeugte mich, dass es ausser der bisher giltigen Aetiologie des Kindbettfiebers noch eine an- dere geben müsse, ich habe die noch unbekannte Aetiologie gesucht und habe selbe gefunden.
Scanzoni sagt ferner: Dr. Semmelweis kam nun bei der Kenntniss der Thatsache, dass durch die Einwirkung faulender thierischer Substanzen auf das Blut Pyämie hervorgerufen werde, auf den Gedanken, dass den häufigen Erkrankungen der Wöchnerinnen in Gebärhäusern die Uebertragung von der- artigen Substanzen auf die Geburtstheile zu Grunde liegen könne, und hielt eine solche Infection dadurch ermöglicht, dass seinen und den Händen der Schüler derartige deletäre Stoffe von den häufig kurz zuvor gemachten Leichenuntersuchungen ankleben und bei der Exploration auf die Genitalien der In- dividuen übertragen werden. Zu Gunsten dieser Ansicht sprach das bedeutend günstigere Erkrankungsverhältniss auf der Ab- theilung für Hebammen, welche sich nie mit Leichenunter- suchungen beschäftigen, und der Umstand, dass die Erkran- kungen zunahmen, wenn der Assistent und die Schüler die Sectionslocalitäten häufiger besuchten.
Um die Richtigkeit seiner Ansicht zu erproben, traf Dr. Semmelweis gegen Ende Mai 1847 die Verfügung, dass Jeder- mann vor jeder Untersuchung einer Schwangern, Gebärenden
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fache grösser und innerhalb sechs Jahren durchschnittlich
dreimal so gross war, als auf der zum Unterricht für Hebam-
men bestimmten Abtheilung.
Der Leser erinnert sich, welche neue Schlüsse ich aus
dieser alten Thatsache gezogen; diese alte Thatsache lieferte
mir sämmtliche Hilfsmittel für meinen Feldzug gegen die bis-
her giltige Aetiologie des Kindbettfiebers, diese alte Thatsache
zeigt, dass, wenn in dem durch die Tabelle I repräsentirten
Zeitraume drei Wöchnerinnen an der I. Gebärklinik starben, die
transferirten gar nicht gerechnet, man wohl für die eine, aber
nicht für die beiden andern das ätiologische Moment für das
Kindbettfieber in der bisher giltigen Aetiologie finden konnte.
Diese alte Thatsache überzeugte mich, dass es ausser der
bisher giltigen Aetiologie des Kindbettfiebers noch eine an-
dere geben müsse, ich habe die noch unbekannte Aetiologie
gesucht und habe selbe gefunden.
Scanzoni sagt ferner: Dr. Semmelweis kam nun bei der
Kenntniss der Thatsache, dass durch die Einwirkung faulender
thierischer Substanzen auf das Blut Pyämie hervorgerufen
werde, auf den Gedanken, dass den häufigen Erkrankungen der
Wöchnerinnen in Gebärhäusern die Uebertragung von der-
artigen Substanzen auf die Geburtstheile zu Grunde liegen
könne, und hielt eine solche Infection dadurch ermöglicht, dass
seinen und den Händen der Schüler derartige deletäre Stoffe
von den häufig kurz zuvor gemachten Leichenuntersuchungen
ankleben und bei der Exploration auf die Genitalien der In-
dividuen übertragen werden. Zu Gunsten dieser Ansicht sprach
das bedeutend günstigere Erkrankungsverhältniss auf der Ab-
theilung für Hebammen, welche sich nie mit Leichenunter-
suchungen beschäftigen, und der Umstand, dass die Erkran-
kungen zunahmen, wenn der Assistent und die Schüler die
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Um die Richtigkeit seiner Ansicht zu erproben, traf Dr.
Semmelweis gegen Ende Mai 1847 die Verfügung, dass Jeder-
mann vor jeder Untersuchung einer Schwangern, Gebärenden
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/329>, abgerufen am 22.11.2024.
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