Blut, Eiter), so werden die Contagionisten sagen, Scanzoni's Versuche sind überflüssig, denn dass das Puerperalfieber con- tagiös sei, wissen wir schon lange.
Scanzoni will von den Thieren (Kaninchen, Hunden, Ka- tzen, Kühen) einzelne in den mit Puerperalkranken belegten Sälen, ja sogar in deren Betten unterbringen; da man in Sälen und Betten Puerperalkranker nur dadurch das Puerperalfieber bekommen kann, dass entweder die atmosphärische mit zer- setzten Stoffen geschwängerte Luft in die Gebärmutterhöhle eindringt, oder dass die durch die Geburt verletzten äusseren Genitalien mit zersetzten Stoffen des puerperalen Bettes in Berührung kommen: so würden die zu diesen Versuchen ver- wendeten Thiere, da die äussern Genitalien durch den Wurf nicht verletzt werden, und da die atmosphärische Luft nicht bis ins Uterushorn dringen kann, wenn ihnen nichts anderes zustossen würde, wahrscheinlich den Experimentator überleben.
Und wenn Scanzoni sagt, dass die Erfahrung, dass die Injection deletärer Stoffe Pyaemie erzeuge, zu ihrer Consta- tirung nicht erst der von Prof. Skoda so hoch angeschlagenen Versuche des Dr. Semmelweis benöthigte, und wenn er von seinen Versuchen sagt, dass nur solche vorurtheilsfrei und öffentlich vorgenommene Experimente beweisende Kraft be- sässen, und dass es sonderbar scheine, dass dieser so nahe liegende Gegenstand bis jetzt noch von keiner Seite angeregt wurde, so beweiset er schlagender, als es selbst seinem bitter- sten Feinde gelungen wäre, dass er Rechthaberei der Wahrheit vorzieht.
Scanzoni sagt, wenn es sich bei Durchführung der von ihm vorgeschlagenen Massregeln herausstellen sollte, dass das Puerperalfieber contagiös sei, so sind sämmtliche vom Staate unterhaltene Gebärhäuser wahre Mörderhöhlen; Scanzoni hat hiermit ein zwar wahres, aber entsetzliches Wort ausgesprochen.
Scanzoni sagt zwar schon vor Durchführung der von ihm vorgeschlagenen Massregeln, dass es ihm mehr als wahr- scheinlich scheine, dass das Puerperalfieber nicht contagiös
Blut, Eiter), so werden die Contagionisten sagen, Scanzoni’s Versuche sind überflüssig, denn dass das Puerperalfieber con- tagiös sei, wissen wir schon lange.
Scanzoni will von den Thieren (Kaninchen, Hunden, Ka- tzen, Kühen) einzelne in den mit Puerperalkranken belegten Sälen, ja sogar in deren Betten unterbringen; da man in Sälen und Betten Puerperalkranker nur dadurch das Puerperalfieber bekommen kann, dass entweder die atmosphärische mit zer- setzten Stoffen geschwängerte Luft in die Gebärmutterhöhle eindringt, oder dass die durch die Geburt verletzten äusseren Genitalien mit zersetzten Stoffen des puerperalen Bettes in Berührung kommen: so würden die zu diesen Versuchen ver- wendeten Thiere, da die äussern Genitalien durch den Wurf nicht verletzt werden, und da die atmosphärische Luft nicht bis ins Uterushorn dringen kann, wenn ihnen nichts anderes zustossen würde, wahrscheinlich den Experimentator überleben.
Und wenn Scanzoni sagt, dass die Erfahrung, dass die Injection deletärer Stoffe Pyaemie erzeuge, zu ihrer Consta- tirung nicht erst der von Prof. Skoda so hoch angeschlagenen Versuche des Dr. Semmelweis benöthigte, und wenn er von seinen Versuchen sagt, dass nur solche vorurtheilsfrei und öffentlich vorgenommene Experimente beweisende Kraft be- sässen, und dass es sonderbar scheine, dass dieser so nahe liegende Gegenstand bis jetzt noch von keiner Seite angeregt wurde, so beweiset er schlagender, als es selbst seinem bitter- sten Feinde gelungen wäre, dass er Rechthaberei der Wahrheit vorzieht.
Scanzoni sagt, wenn es sich bei Durchführung der von ihm vorgeschlagenen Massregeln herausstellen sollte, dass das Puerperalfieber contagiös sei, so sind sämmtliche vom Staate unterhaltene Gebärhäuser wahre Mörderhöhlen; Scanzoni hat hiermit ein zwar wahres, aber entsetzliches Wort ausgesprochen.
Scanzoni sagt zwar schon vor Durchführung der von ihm vorgeschlagenen Massregeln, dass es ihm mehr als wahr- scheinlich scheine, dass das Puerperalfieber nicht contagiös
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Blut, Eiter), so werden die Contagionisten sagen, Scanzoni’s
Versuche sind überflüssig, denn dass das Puerperalfieber con-
tagiös sei, wissen wir schon lange.
Scanzoni will von den Thieren (Kaninchen, Hunden, Ka-
tzen, Kühen) einzelne in den mit Puerperalkranken belegten
Sälen, ja sogar in deren Betten unterbringen; da man in Sälen
und Betten Puerperalkranker nur dadurch das Puerperalfieber
bekommen kann, dass entweder die atmosphärische mit zer-
setzten Stoffen geschwängerte Luft in die Gebärmutterhöhle
eindringt, oder dass die durch die Geburt verletzten äusseren
Genitalien mit zersetzten Stoffen des puerperalen Bettes in
Berührung kommen: so würden die zu diesen Versuchen ver-
wendeten Thiere, da die äussern Genitalien durch den Wurf
nicht verletzt werden, und da die atmosphärische Luft nicht
bis ins Uterushorn dringen kann, wenn ihnen nichts anderes
zustossen würde, wahrscheinlich den Experimentator überleben.
Und wenn Scanzoni sagt, dass die Erfahrung, dass die
Injection deletärer Stoffe Pyaemie erzeuge, zu ihrer Consta-
tirung nicht erst der von Prof. Skoda so hoch angeschlagenen
Versuche des Dr. Semmelweis benöthigte, und wenn er von
seinen Versuchen sagt, dass nur solche vorurtheilsfrei und
öffentlich vorgenommene Experimente beweisende Kraft be-
sässen, und dass es sonderbar scheine, dass dieser so nahe
liegende Gegenstand bis jetzt noch von keiner Seite angeregt
wurde, so beweiset er schlagender, als es selbst seinem bitter-
sten Feinde gelungen wäre, dass er Rechthaberei der Wahrheit
vorzieht.
Scanzoni sagt, wenn es sich bei Durchführung der von
ihm vorgeschlagenen Massregeln herausstellen sollte, dass das
Puerperalfieber contagiös sei, so sind sämmtliche vom Staate
unterhaltene Gebärhäuser wahre Mörderhöhlen; Scanzoni hat
hiermit ein zwar wahres, aber entsetzliches Wort ausgesprochen.
Scanzoni sagt zwar schon vor Durchführung der von ihm
vorgeschlagenen Massregeln, dass es ihm mehr als wahr-
scheinlich scheine, dass das Puerperalfieber nicht contagiös
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/364>, abgerufen am 22.11.2024.
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