I. Gebärklinik zu Wien im October 2, im November 2, im December 1, im Jänner 2, im Februar 0 Percent, und im März gar keine Wöchnerin gestorben ist? Während im April 18, im Mai 13, im Juni 10, im Juli 20, im August 25, im September 18 Percent Wöchnerinnen starben (siehe Tabelle XIX, Seite 120); dann bitten wir um die Erklärung, wie denn der schädliche Einfluss des Winters durch Chlorwaschungen der Hände gemildert werden könne, da wir in Folge der Chlorwaschungen durch mehrere Winter keine epidemischen Puerperalfieber hatten.
Wir fragen ihn: Hat es in Wien durch 25 Jahre, in Lon- don und Dublin durch 124 Jahre keinen Winter gegeben, weil in Wien durch 25 Jahre nicht eine Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen starb, weil in den sechs zu London und Dub- lin befindlichen Gebärhäusern während 19 keine Wöchnerin starb, und während 105 Jahren nicht eine Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen starb.
Wenn Scanzoni glaubt, dass stürmische, kaltfeuchte Tage das häufigere und intensivere Auftreten des Kindbettfie- bers begünstigen, und wenn er als Beweis hiefür das Factum anführt, dass nicht selten alle in einer Gebäranstalt an einem bestimmten Tage Entbundenen puerperal erkranken, so glau- ben wir an den schädlichen Einfluss stürmischer, kaltfeuch- ter Tage nicht, sind vielmehr der Ueberzeugung, dass alle an einem bestimmten Tage Entbundenen, welche puerperal er- kranken, inficirt wurden, und dass dem so sei, ist dadurch bewiesen, dass man durch Chlorwaschungen das Erkranken aller an einem Tage Entbundenen verhindern kann, trotz stür- mischer, kaltfeuchter Tage, und es wird wohl Niemand glau- ben, dass es in Wien durch 25 Jahre und in London und Dublin durch 124 Jahre keine stürmischen, kaltfeuchten Tage gegeben habe, weil während dieser Zeit in diesen Gebärhäu- sern die Sterblichkeit so klein war, dass die Erkrankungen gewiss nur sehr vereinzelt vorkommen konnten. Wenn Scan- zoni aufmerksamer beobachtet hätte, so hätte er gewiss ge-
I. Gebärklinik zu Wien im October 2, im November 2, im December 1, im Jänner 2, im Februar 0 Percent, und im März gar keine Wöchnerin gestorben ist? Während im April 18, im Mai 13, im Juni 10, im Juli 20, im August 25, im September 18 Percent Wöchnerinnen starben (siehe Tabelle XIX, Seite 120); dann bitten wir um die Erklärung, wie denn der schädliche Einfluss des Winters durch Chlorwaschungen der Hände gemildert werden könne, da wir in Folge der Chlorwaschungen durch mehrere Winter keine epidemischen Puerperalfieber hatten.
Wir fragen ihn: Hat es in Wien durch 25 Jahre, in Lon- don und Dublin durch 124 Jahre keinen Winter gegeben, weil in Wien durch 25 Jahre nicht eine Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen starb, weil in den sechs zu London und Dub- lin befindlichen Gebärhäusern während 19 keine Wöchnerin starb, und während 105 Jahren nicht eine Wöchnerin von 100 Wöchnerinnen starb.
Wenn Scanzoni glaubt, dass stürmische, kaltfeuchte Tage das häufigere und intensivere Auftreten des Kindbettfie- bers begünstigen, und wenn er als Beweis hiefür das Factum anführt, dass nicht selten alle in einer Gebäranstalt an einem bestimmten Tage Entbundenen puerperal erkranken, so glau- ben wir an den schädlichen Einfluss stürmischer, kaltfeuch- ter Tage nicht, sind vielmehr der Ueberzeugung, dass alle an einem bestimmten Tage Entbundenen, welche puerperal er- kranken, inficirt wurden, und dass dem so sei, ist dadurch bewiesen, dass man durch Chlorwaschungen das Erkranken aller an einem Tage Entbundenen verhindern kann, trotz stür- mischer, kaltfeuchter Tage, und es wird wohl Niemand glau- ben, dass es in Wien durch 25 Jahre und in London und Dublin durch 124 Jahre keine stürmischen, kaltfeuchten Tage gegeben habe, weil während dieser Zeit in diesen Gebärhäu- sern die Sterblichkeit so klein war, dass die Erkrankungen gewiss nur sehr vereinzelt vorkommen konnten. Wenn Scan- zoni aufmerksamer beobachtet hätte, so hätte er gewiss ge-
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I. Gebärklinik zu Wien im October 2, im November 2, im
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März gar keine Wöchnerin gestorben ist? Während im April
18, im Mai 13, im Juni 10, im Juli 20, im August 25, im
September 18 Percent Wöchnerinnen starben (siehe Tabelle
XIX, Seite 120); dann bitten wir um die Erklärung, wie denn
der schädliche Einfluss des Winters durch Chlorwaschungen
der Hände gemildert werden könne, da wir in Folge der
Chlorwaschungen durch mehrere Winter keine epidemischen
Puerperalfieber hatten.
Wir fragen ihn: Hat es in Wien durch 25 Jahre, in Lon-
don und Dublin durch 124 Jahre keinen Winter gegeben, weil
in Wien durch 25 Jahre nicht eine Wöchnerin von 100
Wöchnerinnen starb, weil in den sechs zu London und Dub-
lin befindlichen Gebärhäusern während 19 keine Wöchnerin
starb, und während 105 Jahren nicht eine Wöchnerin von
100 Wöchnerinnen starb.
Wenn Scanzoni glaubt, dass stürmische, kaltfeuchte
Tage das häufigere und intensivere Auftreten des Kindbettfie-
bers begünstigen, und wenn er als Beweis hiefür das Factum
anführt, dass nicht selten alle in einer Gebäranstalt an einem
bestimmten Tage Entbundenen puerperal erkranken, so glau-
ben wir an den schädlichen Einfluss stürmischer, kaltfeuch-
ter Tage nicht, sind vielmehr der Ueberzeugung, dass alle
an einem bestimmten Tage Entbundenen, welche puerperal er-
kranken, inficirt wurden, und dass dem so sei, ist dadurch
bewiesen, dass man durch Chlorwaschungen das Erkranken
aller an einem Tage Entbundenen verhindern kann, trotz stür-
mischer, kaltfeuchter Tage, und es wird wohl Niemand glau-
ben, dass es in Wien durch 25 Jahre und in London und
Dublin durch 124 Jahre keine stürmischen, kaltfeuchten Tage
gegeben habe, weil während dieser Zeit in diesen Gebärhäu-
sern die Sterblichkeit so klein war, dass die Erkrankungen
gewiss nur sehr vereinzelt vorkommen konnten. Wenn Scan-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/376>, abgerufen am 22.11.2024.
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