wie denn nicht, wurde ja die Blutentmischung nie selbststän- dig im Kinde erzeugt, die Blutentmischung wird ja immer dem Kinde durch die schon kranke Mutter mitgetheilt, die tägliche Erfahrung lehrt aber, dass faul-todte Kinder von den gesündesten Kreissenden geboren werden, welche auch im Wochenbette gesund bleiben, als Beweis, dass der Tod die- ser Kinder nicht durch das mittelst des zersetzten Stoffes ent- mischte Blut der Mutter bedingt war, sondern in Folge an- derer Ursachen eintrat. Gewiss, wenn in der Schwangerschaft schon die Resorption eines zersetzten Stoffes geschieht, und sich in Folge dessen das Blut der Mutter entmischt, welches entmischte Blut das Kind in der Schwangerschaft tödtet, so kann die Schwangerschaft unmöglich so lange noch bestehen, bis das Kind in Fäulniss übergeht, denn entweder wird die Schwangere als Schwangere sterben, bevor das Kind in Fäul- niss übergegangen ist, oder die Schwangerschaft wird durch die Geburt unterbrochen, was das Gewöhnliche ist, bevor das Kind in Fäulniss übergegangen ist. So wie es nicht begreif- lich wäre, dass eine Mutter, welche ihr Kind durch Blutent- mischung schon vor so langer Zeit getödtet hat, vollkommen gesund die Geburt und das Wochenbett überstehen könne. Damit ist aber nicht gesagt, dass eine solche Mutter nicht auch in Folge einer Infection erkranken könne.
Und dass faul-todtgeborene Kinder und an Blutdisso- lution sterbende Kinder nicht an derselben Krankheit sterben, ist auch dadurch bewiesen, dass die Zahl der Todesfälle an Blutdissolution durch Chlorwaschungen vermindert werden könne, während auf die Verminderung der Zahl faul-todt- geborner Kinder die Chlorwaschungen keinen Einfluss üben.
Nachdem wir gezeigt, dass alles das, was Scanzoni als Beweis für die Existenz der epidemischen Einflüsse vorge- bracht, einzelne Facta ausgenommen, alles Uebrige Irrthum und Täuschung ist, wollen wir zur Beurtheilung der übrigen aetiologischen Momente des Kindbettfiebers schreiten, wie solche Scanzoni als Kindbettfieber erzeugend anführt.
wie denn nicht, wurde ja die Blutentmischung nie selbststän- dig im Kinde erzeugt, die Blutentmischung wird ja immer dem Kinde durch die schon kranke Mutter mitgetheilt, die tägliche Erfahrung lehrt aber, dass faul-todte Kinder von den gesündesten Kreissenden geboren werden, welche auch im Wochenbette gesund bleiben, als Beweis, dass der Tod die- ser Kinder nicht durch das mittelst des zersetzten Stoffes ent- mischte Blut der Mutter bedingt war, sondern in Folge an- derer Ursachen eintrat. Gewiss, wenn in der Schwangerschaft schon die Resorption eines zersetzten Stoffes geschieht, und sich in Folge dessen das Blut der Mutter entmischt, welches entmischte Blut das Kind in der Schwangerschaft tödtet, so kann die Schwangerschaft unmöglich so lange noch bestehen, bis das Kind in Fäulniss übergeht, denn entweder wird die Schwangere als Schwangere sterben, bevor das Kind in Fäul- niss übergegangen ist, oder die Schwangerschaft wird durch die Geburt unterbrochen, was das Gewöhnliche ist, bevor das Kind in Fäulniss übergegangen ist. So wie es nicht begreif- lich wäre, dass eine Mutter, welche ihr Kind durch Blutent- mischung schon vor so langer Zeit getödtet hat, vollkommen gesund die Geburt und das Wochenbett überstehen könne. Damit ist aber nicht gesagt, dass eine solche Mutter nicht auch in Folge einer Infection erkranken könne.
Und dass faul-todtgeborene Kinder und an Blutdisso- lution sterbende Kinder nicht an derselben Krankheit sterben, ist auch dadurch bewiesen, dass die Zahl der Todesfälle an Blutdissolution durch Chlorwaschungen vermindert werden könne, während auf die Verminderung der Zahl faul-todt- geborner Kinder die Chlorwaschungen keinen Einfluss üben.
Nachdem wir gezeigt, dass alles das, was Scanzoni als Beweis für die Existenz der epidemischen Einflüsse vorge- bracht, einzelne Facta ausgenommen, alles Uebrige Irrthum und Täuschung ist, wollen wir zur Beurtheilung der übrigen aetiologischen Momente des Kindbettfiebers schreiten, wie solche Scanzoni als Kindbettfieber erzeugend anführt.
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wie denn nicht, wurde ja die Blutentmischung nie selbststän-
dig im Kinde erzeugt, die Blutentmischung wird ja immer
dem Kinde durch die schon kranke Mutter mitgetheilt, die
tägliche Erfahrung lehrt aber, dass faul-todte Kinder von den
gesündesten Kreissenden geboren werden, welche auch im
Wochenbette gesund bleiben, als Beweis, dass der Tod die-
ser Kinder nicht durch das mittelst des zersetzten Stoffes ent-
mischte Blut der Mutter bedingt war, sondern in Folge an-
derer Ursachen eintrat. Gewiss, wenn in der Schwangerschaft
schon die Resorption eines zersetzten Stoffes geschieht, und
sich in Folge dessen das Blut der Mutter entmischt, welches
entmischte Blut das Kind in der Schwangerschaft tödtet, so
kann die Schwangerschaft unmöglich so lange noch bestehen,
bis das Kind in Fäulniss übergeht, denn entweder wird die
Schwangere als Schwangere sterben, bevor das Kind in Fäul-
niss übergegangen ist, oder die Schwangerschaft wird durch die
Geburt unterbrochen, was das Gewöhnliche ist, bevor das
Kind in Fäulniss übergegangen ist. So wie es nicht begreif-
lich wäre, dass eine Mutter, welche ihr Kind durch Blutent-
mischung schon vor so langer Zeit getödtet hat, vollkommen
gesund die Geburt und das Wochenbett überstehen könne.
Damit ist aber nicht gesagt, dass eine solche Mutter nicht
auch in Folge einer Infection erkranken könne.
Und dass faul-todtgeborene Kinder und an Blutdisso-
lution sterbende Kinder nicht an derselben Krankheit sterben,
ist auch dadurch bewiesen, dass die Zahl der Todesfälle an
Blutdissolution durch Chlorwaschungen vermindert werden
könne, während auf die Verminderung der Zahl faul-todt-
geborner Kinder die Chlorwaschungen keinen Einfluss üben.
Nachdem wir gezeigt, dass alles das, was Scanzoni als
Beweis für die Existenz der epidemischen Einflüsse vorge-
bracht, einzelne Facta ausgenommen, alles Uebrige Irrthum
und Täuschung ist, wollen wir zur Beurtheilung der übrigen
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/380>, abgerufen am 22.11.2024.
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