Im Jahre 1847 habe ich die Entdeckung gemacht, dass das Puerperalfieber durch Infection entstehe. Im Jahre 1850 erklärte Scanzoni im 26. Bande der Prager Vierteljahrschrift meine Entdeckung für eine Hypothese. Im Jahre 1852 sagt Scanzoni in der I. Auflage seines Lehrbuches der Geburts- hilfe, dass er die Möglichkeit einer derartigen Infection für einzelne Fälle nicht in Abrede stellen wolle. In der II. Auflage seines Lehrbuches der Geburtshilfe, welche 1853 erschien, bleibt er dabei, die Möglichkeit einer derartigen Infection für einzelne Fälle nicht zu läugnen.
Im Jahre 1854 erschienen Kiwisch's klinische Vorträge über specielle Pathologie und Therapie der Krankheiten des weiblichen Geschlechtes, in vierter Auflage, besorgt und durch Zusätze vermehrt von Scanzoni. Bei der Prophylaxis des Kind- bettfiebers sagt Kiwisch unter Anderem auch Folgendes: "Zudem ist in jenen Anstalten, wo die Möglichkeit irgend einer Infection der Gebärenden und Wöchnerinnen durch zer- setzte animalische Stoffe (Leichengift, Wundsecrete, zersetzte Wochenbetteffluvien) geboten ist, deren Einfluss mit aller Sorgfalt hintanzuhalten, und es dürften sich zu diesem Zwecke die von den Engländern und Dr. Semmelweis in Gebrauch gezogenen Chlorwaschungen und Räucherungen empfehlen."
Obwohl dieser Ausspruch Kiwisch's nur auf die Infec- tionsfälle von aussen, welche in Gebärhäusern vorkommen, Rücksicht nimmt, während die Selbstinfectionsfälle in den Gebärhäusern und das Puerperalfieber ausserhalb der Gebär- häuser nicht inbegriffen ist in diesem Ausspruche Kiwisch's, und obwohl alle Infectionsfälle von aussen in Gebärhäusern blos durch Chlorwaschungen und Räucherungen nicht verhütet werden können, so überholt dieser Ausspruch Kiwisch's doch Scanzoni's Ansicht, welcher eine solche Infection nur für ein- zelne Fälle nicht in Abrede stellen will, um ein Bedeutendes, und nachdem Scanzoni dennoch diesem Ausspruche Kiwisch's sich in einer Zusatzanmerkung nicht widersetzt, wie er es bei andern Gegenständen, über welche er eine von Kiwisch diffe-
Im Jahre 1847 habe ich die Entdeckung gemacht, dass das Puerperalfieber durch Infection entstehe. Im Jahre 1850 erklärte Scanzoni im 26. Bande der Prager Vierteljahrschrift meine Entdeckung für eine Hypothese. Im Jahre 1852 sagt Scanzoni in der I. Auflage seines Lehrbuches der Geburts- hilfe, dass er die Möglichkeit einer derartigen Infection für einzelne Fälle nicht in Abrede stellen wolle. In der II. Auflage seines Lehrbuches der Geburtshilfe, welche 1853 erschien, bleibt er dabei, die Möglichkeit einer derartigen Infection für einzelne Fälle nicht zu läugnen.
Im Jahre 1854 erschienen Kiwisch’s klinische Vorträge über specielle Pathologie und Therapie der Krankheiten des weiblichen Geschlechtes, in vierter Auflage, besorgt und durch Zusätze vermehrt von Scanzoni. Bei der Prophylaxis des Kind- bettfiebers sagt Kiwisch unter Anderem auch Folgendes: »Zudem ist in jenen Anstalten, wo die Möglichkeit irgend einer Infection der Gebärenden und Wöchnerinnen durch zer- setzte animalische Stoffe (Leichengift, Wundsecrete, zersetzte Wochenbetteffluvien) geboten ist, deren Einfluss mit aller Sorgfalt hintanzuhalten, und es dürften sich zu diesem Zwecke die von den Engländern und Dr. Semmelweis in Gebrauch gezogenen Chlorwaschungen und Räucherungen empfehlen.«
Obwohl dieser Ausspruch Kiwisch’s nur auf die Infec- tionsfälle von aussen, welche in Gebärhäusern vorkommen, Rücksicht nimmt, während die Selbstinfectionsfälle in den Gebärhäusern und das Puerperalfieber ausserhalb der Gebär- häuser nicht inbegriffen ist in diesem Ausspruche Kiwisch’s, und obwohl alle Infectionsfälle von aussen in Gebärhäusern blos durch Chlorwaschungen und Räucherungen nicht verhütet werden können, so überholt dieser Ausspruch Kiwisch’s doch Scanzoni’s Ansicht, welcher eine solche Infection nur für ein- zelne Fälle nicht in Abrede stellen will, um ein Bedeutendes, und nachdem Scanzoni dennoch diesem Ausspruche Kiwisch’s sich in einer Zusatzanmerkung nicht widersetzt, wie er es bei andern Gegenständen, über welche er eine von Kiwisch diffe-
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Im Jahre 1847 habe ich die Entdeckung gemacht, dass
das Puerperalfieber durch Infection entstehe. Im Jahre 1850
erklärte Scanzoni im 26. Bande der Prager Vierteljahrschrift
meine Entdeckung für eine Hypothese. Im Jahre 1852 sagt
Scanzoni in der I. Auflage seines Lehrbuches der Geburts-
hilfe, dass er die Möglichkeit einer derartigen Infection für
einzelne Fälle nicht in Abrede stellen wolle. In der II. Auflage
seines Lehrbuches der Geburtshilfe, welche 1853 erschien,
bleibt er dabei, die Möglichkeit einer derartigen Infection für
einzelne Fälle nicht zu läugnen.
Im Jahre 1854 erschienen Kiwisch’s klinische Vorträge
über specielle Pathologie und Therapie der Krankheiten des
weiblichen Geschlechtes, in vierter Auflage, besorgt und durch
Zusätze vermehrt von Scanzoni. Bei der Prophylaxis des Kind-
bettfiebers sagt Kiwisch unter Anderem auch Folgendes:
»Zudem ist in jenen Anstalten, wo die Möglichkeit irgend
einer Infection der Gebärenden und Wöchnerinnen durch zer-
setzte animalische Stoffe (Leichengift, Wundsecrete, zersetzte
Wochenbetteffluvien) geboten ist, deren Einfluss mit aller
Sorgfalt hintanzuhalten, und es dürften sich zu diesem Zwecke
die von den Engländern und Dr. Semmelweis in Gebrauch
gezogenen Chlorwaschungen und Räucherungen empfehlen.«
Obwohl dieser Ausspruch Kiwisch’s nur auf die Infec-
tionsfälle von aussen, welche in Gebärhäusern vorkommen,
Rücksicht nimmt, während die Selbstinfectionsfälle in den
Gebärhäusern und das Puerperalfieber ausserhalb der Gebär-
häuser nicht inbegriffen ist in diesem Ausspruche Kiwisch’s,
und obwohl alle Infectionsfälle von aussen in Gebärhäusern
blos durch Chlorwaschungen und Räucherungen nicht verhütet
werden können, so überholt dieser Ausspruch Kiwisch’s doch
Scanzoni’s Ansicht, welcher eine solche Infection nur für ein-
zelne Fälle nicht in Abrede stellen will, um ein Bedeutendes,
und nachdem Scanzoni dennoch diesem Ausspruche Kiwisch’s
sich in einer Zusatzanmerkung nicht widersetzt, wie er es bei
andern Gegenständen, über welche er eine von Kiwisch diffe-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/414>, abgerufen am 24.11.2024.
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