beweist, dass Dr. Silberschmidt sich ein Urtheil über meine Ansicht anmasst, die er gar nicht aufgefasst, die nächste Ursache des Puerperalfiebers ist ein zersetzter thierisch-orga- nischer Stoff, und eine von den drei Quellen, aus welchen dieser Stoff genommen wird, ist allerdings die Leiche, und da vermöge der Verhältnisse der zersetzte Stoff an der I. Gebär- klinik zu Wien häufiger aus der Leiche als aus den zwei anderen Quellen genommen wurde, so war an der I. Geburts- klinik zu Wien vorzüglich das Leichengift die Ursache der grossen Sterblichkeit, und speciell in den sechs Jahren, wo die I. Klinik blos für Aerzte bestimmt war ohne Chlorwa- schungen, war das Plus der Sterblichkeit der I. Klinik im Vergleiche zur II. Klinik ausschliesslich durch Leichengift bedingt. Im Gebärhause des St. Rochusspitals in Pest war die grosse Sterblichkeit der Wöchnerinnen durch zersetzte Stoffe der chirurgischen Abtheilung dadurch bedingt, dass ein chi- rurgischer Primarius zugleich geburtshilflicher Primarius war, die Sterblichkeit dieses Gebärhauses war demnach durch den zersetzten Stoff bedingt, der aus der Quelle fliesst, welche die Kranken, deren Krankheiten zersetzte Stoffe erzeugen, darstellen. Die grössere Sterblichkeit der beiden Jahre an der Pester geburtshilflichen Klinik war bedingt durch den zersetzten Stoff, welcher aus der dritten Quelle fliesst. Der zersetzte Stoff für zwei Epidemien im Prager Gebärhaus unter Chiari kam von zwei Kreissenden, deren Genitalien während der Geburt wegen Missverhältniss gangraenös wurden. Und der zersetzte Stoff für die erste Epidemie, welche die Geschichte des Puerperalfiebers als solches anerkennt, kam von Verwundeten.
Und dass dem so sei, das glaube weder ich noch Professor Skoda, sondern das wissen wir, das ist meine und Skoda's Ueberzeugung, und wenn Herr Dr. Silberschmidt einer Ueber- zeugungsfähig ist, wenn er nicht blos schriftstellert auf Bestellung, wenn sich gerade Jemand lobhudeln lassen will, so empfehlen wir ihm das gründliche Studium dieser Schrift, und ich bin überzeugt, dass er zur selben Ueberzeugung gelangen wird.
beweist, dass Dr. Silberschmidt sich ein Urtheil über meine Ansicht anmasst, die er gar nicht aufgefasst, die nächste Ursache des Puerperalfiebers ist ein zersetzter thierisch-orga- nischer Stoff, und eine von den drei Quellen, aus welchen dieser Stoff genommen wird, ist allerdings die Leiche, und da vermöge der Verhältnisse der zersetzte Stoff an der I. Gebär- klinik zu Wien häufiger aus der Leiche als aus den zwei anderen Quellen genommen wurde, so war an der I. Geburts- klinik zu Wien vorzüglich das Leichengift die Ursache der grossen Sterblichkeit, und speciell in den sechs Jahren, wo die I. Klinik blos für Aerzte bestimmt war ohne Chlorwa- schungen, war das Plus der Sterblichkeit der I. Klinik im Vergleiche zur II. Klinik ausschliesslich durch Leichengift bedingt. Im Gebärhause des St. Rochusspitals in Pest war die grosse Sterblichkeit der Wöchnerinnen durch zersetzte Stoffe der chirurgischen Abtheilung dadurch bedingt, dass ein chi- rurgischer Primarius zugleich geburtshilflicher Primarius war, die Sterblichkeit dieses Gebärhauses war demnach durch den zersetzten Stoff bedingt, der aus der Quelle fliesst, welche die Kranken, deren Krankheiten zersetzte Stoffe erzeugen, darstellen. Die grössere Sterblichkeit der beiden Jahre an der Pester geburtshilflichen Klinik war bedingt durch den zersetzten Stoff, welcher aus der dritten Quelle fliesst. Der zersetzte Stoff für zwei Epidemien im Prager Gebärhaus unter Chiari kam von zwei Kreissenden, deren Genitalien während der Geburt wegen Missverhältniss gangraenös wurden. Und der zersetzte Stoff für die erste Epidemie, welche die Geschichte des Puerperalfiebers als solches anerkennt, kam von Verwundeten.
Und dass dem so sei, das glaube weder ich noch Professor Skoda, sondern das wissen wir, das ist meine und Skoda’s Ueberzeugung, und wenn Herr Dr. Silberschmidt einer Ueber- zeugungsfähig ist, wenn er nicht blos schriftstellert auf Bestellung, wenn sich gerade Jemand lobhudeln lassen will, so empfehlen wir ihm das gründliche Studium dieser Schrift, und ich bin überzeugt, dass er zur selben Ueberzeugung gelangen wird.
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beweist, dass Dr. Silberschmidt sich ein Urtheil über meine
Ansicht anmasst, die er gar nicht aufgefasst, die nächste
Ursache des Puerperalfiebers ist ein zersetzter thierisch-orga-
nischer Stoff, und eine von den drei Quellen, aus welchen
dieser Stoff genommen wird, ist allerdings die Leiche, und da
vermöge der Verhältnisse der zersetzte Stoff an der I. Gebär-
klinik zu Wien häufiger aus der Leiche als aus den zwei
anderen Quellen genommen wurde, so war an der I. Geburts-
klinik zu Wien vorzüglich das Leichengift die Ursache der
grossen Sterblichkeit, und speciell in den sechs Jahren, wo
die I. Klinik blos für Aerzte bestimmt war ohne Chlorwa-
schungen, war das Plus der Sterblichkeit der I. Klinik im
Vergleiche zur II. Klinik ausschliesslich durch Leichengift
bedingt. Im Gebärhause des St. Rochusspitals in Pest war die
grosse Sterblichkeit der Wöchnerinnen durch zersetzte Stoffe
der chirurgischen Abtheilung dadurch bedingt, dass ein chi-
rurgischer Primarius zugleich geburtshilflicher Primarius war,
die Sterblichkeit dieses Gebärhauses war demnach durch den
zersetzten Stoff bedingt, der aus der Quelle fliesst, welche
die Kranken, deren Krankheiten zersetzte Stoffe erzeugen,
darstellen. Die grössere Sterblichkeit der beiden Jahre an
der Pester geburtshilflichen Klinik war bedingt durch den
zersetzten Stoff, welcher aus der dritten Quelle fliesst. Der
zersetzte Stoff für zwei Epidemien im Prager Gebärhaus unter
Chiari kam von zwei Kreissenden, deren Genitalien während
der Geburt wegen Missverhältniss gangraenös wurden. Und der
zersetzte Stoff für die erste Epidemie, welche die Geschichte des
Puerperalfiebers als solches anerkennt, kam von Verwundeten.
Und dass dem so sei, das glaube weder ich noch Professor
Skoda, sondern das wissen wir, das ist meine und Skoda’s
Ueberzeugung, und wenn Herr Dr. Silberschmidt einer Ueber-
zeugungsfähig ist, wenn er nicht blos schriftstellert auf Bestellung,
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/416>, abgerufen am 24.11.2024.
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