Joseph Hamernik war Mitglied der Commission, von welcher Scanzoni Folgendes sagte: "Wünschenswerth wäre es hiebei, wenn die Mitglieder dieser Commission durch freie Wahl aus der Mitte einer löblichen medicinischen Facultät zu Prag hervorgingen, wodurch das Resultat ihrer Untersu- chungen als der Ausspruch der von einer gelehrten Körper- schaft gewählter Vertrauensmänner betrachtet werden könnte, und so an Glaubwürdigkeit und überzeugender Kraft gegen- über dem ärztlichen und nicht ärztlichen Publicum gewinnen müsste." Ich protestire feierlichst.
Bevor wir zu Bernard Seyfert übergehen, wollen wir einiges vom Freiherrn Gustav Liebig mittheilen, weil wir sei- ner Autorität Seyfert gegenüber benöthigen.
Liebig sagt im achtzehnten Briefe seiner chemischen Briefe Seite 312 Folgendes: "Es ist Thatsache, dass Leichen auf anatomischen Theatern häufig in einen Zustand der Zer- setzung übergehen, der sich dem Blute im lebenden Körper mittheilt. Die kleinste Verwundung mit Messern, die zur Sec- tion gedient haben, bringt einen oft lebensgefährlichen Zu- stand hervor (Fälle, in denen Personen dieser furchtbaren Ver- giftung zum Opfer fallen, sind nicht selten, so noch vor kur- zem Dr. Kolletschka in Wien, Dr. Bender in Frankfurt a. M.)
Der von Magendie beobachteten Thatsache, dass in Fäul- niss begriffenes Blut, Gehirnsubstanz, Galle, faulender Eiter etc., auf frische Wunden gelegt, Erbrechen, Mattigkeit und nach längerer oder kürzerer Zeit den Tod bewirken, ist bis jetzt nicht widersprochen worden." Im dritten Anhange zu dieser Stelle sagt Liebig, nachdem er einen kurzen Auszug aus Skoda's Vortrag in der kaiserlichen Academie zu Wien gegeben, Seite 714, Folgendes: "Aus diesem Vortrage ergibt sich nebenbei, wie gering die Anerkennung gewesen ist, welche diese grosse, praktisch-wichtige Entdeckung ausserhalb der Academie gefunden hat. Gewiss werden sich noch mehrere Ursachen des Kindbettfiebers namhaft machen lassen, dass
Joseph Hamernik war Mitglied der Commission, von welcher Scanzoni Folgendes sagte: »Wünschenswerth wäre es hiebei, wenn die Mitglieder dieser Commission durch freie Wahl aus der Mitte einer löblichen medicinischen Facultät zu Prag hervorgingen, wodurch das Resultat ihrer Untersu- chungen als der Ausspruch der von einer gelehrten Körper- schaft gewählter Vertrauensmänner betrachtet werden könnte, und so an Glaubwürdigkeit und überzeugender Kraft gegen- über dem ärztlichen und nicht ärztlichen Publicum gewinnen müsste.« Ich protestire feierlichst.
Bevor wir zu Bernard Seyfert übergehen, wollen wir einiges vom Freiherrn Gustav Liebig mittheilen, weil wir sei- ner Autorität Seyfert gegenüber benöthigen.
Liebig sagt im achtzehnten Briefe seiner chemischen Briefe Seite 312 Folgendes: »Es ist Thatsache, dass Leichen auf anatomischen Theatern häufig in einen Zustand der Zer- setzung übergehen, der sich dem Blute im lebenden Körper mittheilt. Die kleinste Verwundung mit Messern, die zur Sec- tion gedient haben, bringt einen oft lebensgefährlichen Zu- stand hervor (Fälle, in denen Personen dieser furchtbaren Ver- giftung zum Opfer fallen, sind nicht selten, so noch vor kur- zem Dr. Kolletschka in Wien, Dr. Bender in Frankfurt a. M.)
Der von Magendie beobachteten Thatsache, dass in Fäul- niss begriffenes Blut, Gehirnsubstanz, Galle, faulender Eiter etc., auf frische Wunden gelegt, Erbrechen, Mattigkeit und nach längerer oder kürzerer Zeit den Tod bewirken, ist bis jetzt nicht widersprochen worden.« Im dritten Anhange zu dieser Stelle sagt Liebig, nachdem er einen kurzen Auszug aus Skoda’s Vortrag in der kaiserlichen Academie zu Wien gegeben, Seite 714, Folgendes: »Aus diesem Vortrage ergibt sich nebenbei, wie gering die Anerkennung gewesen ist, welche diese grosse, praktisch-wichtige Entdeckung ausserhalb der Academie gefunden hat. Gewiss werden sich noch mehrere Ursachen des Kindbettfiebers namhaft machen lassen, dass
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Joseph Hamernik war Mitglied der Commission, von
welcher Scanzoni Folgendes sagte: »Wünschenswerth wäre es
hiebei, wenn die Mitglieder dieser Commission durch freie
Wahl aus der Mitte einer löblichen medicinischen Facultät
zu Prag hervorgingen, wodurch das Resultat ihrer Untersu-
chungen als der Ausspruch der von einer gelehrten Körper-
schaft gewählter Vertrauensmänner betrachtet werden könnte,
und so an Glaubwürdigkeit und überzeugender Kraft gegen-
über dem ärztlichen und nicht ärztlichen Publicum gewinnen
müsste.« Ich protestire feierlichst.
Bevor wir zu Bernard Seyfert übergehen, wollen wir
einiges vom Freiherrn Gustav Liebig mittheilen, weil wir sei-
ner Autorität Seyfert gegenüber benöthigen.
Liebig sagt im achtzehnten Briefe seiner chemischen
Briefe Seite 312 Folgendes: »Es ist Thatsache, dass Leichen
auf anatomischen Theatern häufig in einen Zustand der Zer-
setzung übergehen, der sich dem Blute im lebenden Körper
mittheilt. Die kleinste Verwundung mit Messern, die zur Sec-
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stand hervor (Fälle, in denen Personen dieser furchtbaren Ver-
giftung zum Opfer fallen, sind nicht selten, so noch vor kur-
zem Dr. Kolletschka in Wien, Dr. Bender in Frankfurt a. M.)
Der von Magendie beobachteten Thatsache, dass in Fäul-
niss begriffenes Blut, Gehirnsubstanz, Galle, faulender Eiter
etc., auf frische Wunden gelegt, Erbrechen, Mattigkeit und
nach längerer oder kürzerer Zeit den Tod bewirken, ist bis
jetzt nicht widersprochen worden.« Im dritten Anhange zu
dieser Stelle sagt Liebig, nachdem er einen kurzen Auszug
aus Skoda’s Vortrag in der kaiserlichen Academie zu Wien
gegeben, Seite 714, Folgendes: »Aus diesem Vortrage ergibt
sich nebenbei, wie gering die Anerkennung gewesen ist, welche
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Academie gefunden hat. Gewiss werden sich noch mehrere
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/434>, abgerufen am 24.11.2024.
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