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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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dividuen geboren haben, welche schon im Jänner als Schwan-
gere aufgenommen wurden, so ist ihr besserer Gesundheits-
zustand wieder nicht begreiflich, da ja das Prager Gebärhaus
und die Stadt Prag denselben epidemischen Einflüssen unter-
worfen sein müssen.

Aber die Erklärung liegt darin, dass im Monate Februar
in der Stadt mehr inficirt wurde, als im Prager Gebärhause,
und wie denn nicht, sind doch die Aerzte und die Hebammen,
welche in Prag die geburtshilfliche Praxis ausüben, in dieselbe
Schule gegangen, in die Scanzoni und Seyfert gingen, und
wenn Scanzoni und Seyfert, die doch so ausgezeichnete Schü-
ler waren, dass sie Professoren der Geburtshilfe wurden, in
dieser Schule, wie wir gesehen, nicht gelernt haben, wie das
Puerperalfieber entsteht und wie es verhütet werden kann;
wie kann man solche Kenntnisse bei praktischen Aerzten oder
gar bei Hebammen voraussetzen?

Seyfert sagt: er habe von der Art und Weise, wie durch
Leichengift (zersetzte Stoffe) das Puerperalfieber eingeimpft
werde, keine Vorstellung, denn I. gehöre dazu eine wunde
Stelle, diese Wunde existire aber in der Scheide nicht, "die
resorbirende Fläche ist im Normalzustande die innere Fläche
des Uterus," II. der zu übertragende Stoff. Seyfert hält es
aber für übertrieben, anzunehmen, dass durch Waschen mit
Wasser und Seife der faule Stoff nicht gänzlich entfernt werde.

"Diese Aeusserung zeigt für grosses Beobachtungstalent."
"Nebstdem spricht Seyfert dem Chlorkalke jede desinficirende
Eigenschaft ab." Es kömmt mir mehr als lächerlich vor, mich
Seyfert gegenüber auf Liebig's Autorität in Bezug auf die
desinficirende Eigenschaft des Chlorkalkes berufen zu sollen.
Ich habe die desinficirende Eigenschaft des Chlorkalkes nicht
entdeckt, ich habe aus dieser Eigenschaft nur Nutzen gezogen,
und glaube, wenn der Chlorkalk nie etwas anderes geleistet
hätte, als das, was er an der I. Gebärklinik zu Wien leistete,
so wäre dadurch allein seine desinficirende Eigenschaft hin-
reichend bewiesen."

dividuen geboren haben, welche schon im Jänner als Schwan-
gere aufgenommen wurden, so ist ihr besserer Gesundheits-
zustand wieder nicht begreiflich, da ja das Prager Gebärhaus
und die Stadt Prag denselben epidemischen Einflüssen unter-
worfen sein müssen.

Aber die Erklärung liegt darin, dass im Monate Februar
in der Stadt mehr inficirt wurde, als im Prager Gebärhause,
und wie denn nicht, sind doch die Aerzte und die Hebammen,
welche in Prag die geburtshilfliche Praxis ausüben, in dieselbe
Schule gegangen, in die Scanzoni und Seyfert gingen, und
wenn Scanzoni und Seyfert, die doch so ausgezeichnete Schü-
ler waren, dass sie Professoren der Geburtshilfe wurden, in
dieser Schule, wie wir gesehen, nicht gelernt haben, wie das
Puerperalfieber entsteht und wie es verhütet werden kann;
wie kann man solche Kenntnisse bei praktischen Aerzten oder
gar bei Hebammen voraussetzen?

Seyfert sagt: er habe von der Art und Weise, wie durch
Leichengift (zersetzte Stoffe) das Puerperalfieber eingeimpft
werde, keine Vorstellung, denn I. gehöre dazu eine wunde
Stelle, diese Wunde existire aber in der Scheide nicht, »die
resorbirende Fläche ist im Normalzustande die innere Fläche
des Uterus,« II. der zu übertragende Stoff. Seyfert hält es
aber für übertrieben, anzunehmen, dass durch Waschen mit
Wasser und Seife der faule Stoff nicht gänzlich entfernt werde.

»Diese Aeusserung zeigt für grosses Beobachtungstalent.«
»Nebstdem spricht Seyfert dem Chlorkalke jede desinficirende
Eigenschaft ab.« Es kömmt mir mehr als lächerlich vor, mich
Seyfert gegenüber auf Liebig’s Autorität in Bezug auf die
desinficirende Eigenschaft des Chlorkalkes berufen zu sollen.
Ich habe die desinficirende Eigenschaft des Chlorkalkes nicht
entdeckt, ich habe aus dieser Eigenschaft nur Nutzen gezogen,
und glaube, wenn der Chlorkalk nie etwas anderes geleistet
hätte, als das, was er an der I. Gebärklinik zu Wien leistete,
so wäre dadurch allein seine desinficirende Eigenschaft hin-
reichend bewiesen.«

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[426/0438] dividuen geboren haben, welche schon im Jänner als Schwan- gere aufgenommen wurden, so ist ihr besserer Gesundheits- zustand wieder nicht begreiflich, da ja das Prager Gebärhaus und die Stadt Prag denselben epidemischen Einflüssen unter- worfen sein müssen. Aber die Erklärung liegt darin, dass im Monate Februar in der Stadt mehr inficirt wurde, als im Prager Gebärhause, und wie denn nicht, sind doch die Aerzte und die Hebammen, welche in Prag die geburtshilfliche Praxis ausüben, in dieselbe Schule gegangen, in die Scanzoni und Seyfert gingen, und wenn Scanzoni und Seyfert, die doch so ausgezeichnete Schü- ler waren, dass sie Professoren der Geburtshilfe wurden, in dieser Schule, wie wir gesehen, nicht gelernt haben, wie das Puerperalfieber entsteht und wie es verhütet werden kann; wie kann man solche Kenntnisse bei praktischen Aerzten oder gar bei Hebammen voraussetzen? Seyfert sagt: er habe von der Art und Weise, wie durch Leichengift (zersetzte Stoffe) das Puerperalfieber eingeimpft werde, keine Vorstellung, denn I. gehöre dazu eine wunde Stelle, diese Wunde existire aber in der Scheide nicht, »die resorbirende Fläche ist im Normalzustande die innere Fläche des Uterus,« II. der zu übertragende Stoff. Seyfert hält es aber für übertrieben, anzunehmen, dass durch Waschen mit Wasser und Seife der faule Stoff nicht gänzlich entfernt werde. »Diese Aeusserung zeigt für grosses Beobachtungstalent.« »Nebstdem spricht Seyfert dem Chlorkalke jede desinficirende Eigenschaft ab.« Es kömmt mir mehr als lächerlich vor, mich Seyfert gegenüber auf Liebig’s Autorität in Bezug auf die desinficirende Eigenschaft des Chlorkalkes berufen zu sollen. Ich habe die desinficirende Eigenschaft des Chlorkalkes nicht entdeckt, ich habe aus dieser Eigenschaft nur Nutzen gezogen, und glaube, wenn der Chlorkalk nie etwas anderes geleistet hätte, als das, was er an der I. Gebärklinik zu Wien leistete, so wäre dadurch allein seine desinficirende Eigenschaft hin- reichend bewiesen.«

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/438>, abgerufen am 24.11.2024.