sicht darauf genommen, ob meine Hände von Cadavern rochen oder nicht. Die Folgen, welche dieses Nichtwissen hatte, habe ich an den betreffenden Stellen dieser Schrift mitgetheilt Ueberzeugt sein ist doch sicherer als nicht Wissen, wenn da- her C. Braun überzeugt ist, dass der Cadaver nicht inficirt, warum verliess er sich denn nicht einmal auf die Schutzkraft des Chlorkalkes, warum befiehlt er denn seinen Schülern auf das Gewissenhafteste, keine Gebärende zu untersuchen, wenn an demselben Tage ein Cadaver von ihnen berührt wurde?
Aber etwas läugnen und es dennoch beobachten, heisst ein Falsum begehen.
Dass der Cadaver inficirt und dass der Chlorkalk desinficirt, hat selbst C. Braun bewiesen.
Wir haben schon Gelegenheit gehabt zu erzählen, dass während der fünfjährigen Assistenz und der einjährigen Pro- fessur C. Braun's sich 24,692 Geburten ereigneten, davon starben 613, also 2,48 %; es verminderte sich daher die Sterblichkeit im Vergleiche zu den 6 Jahren der Klinik für Aerzte ohne Chlorwaschungen, durch Verhütung der cadaverösen Infection mittelst Chlorwaschungen um 7,44 %; und wenn wir die Sterb- lichkeit der einzelnen Monate nehmen, so stieg selbe während der 6 Jahre ohne Chlorwaschungen bis 31 %, während in den einzelnen Monaten die Sterblichkeit während der vierjährigen Assistenz C. Braun's 7 % nicht überstieg. Vom fünften Jahre und vom ersten Jahre der Professur stehen uns die Monats- rapporte nicht zu Gebote.
Wir haben gesehen, dass C. Braun die cadaveröse Infec- tion bekämpft, und dass er dennoch gegen die cadaveröse In- fection Schutz sucht; denselben Widerspruch finden wir auch beim Chlorkalk wieder, er spricht dem Chlorkalk jede desin- ficirende Eigenschaft ab, und lehrt eine vollkommenere Me- thode der Anwendung des Chlorkalkes, als ich gelehrt.
Ich habe im Jahre 1848 von der desinficirenden Eigen- schaft des Chlorkalkes nach einer unvollkommenen Methode Gebrauch gemacht, und habe 10 Fälle von verhütbarer Infec-
sicht darauf genommen, ob meine Hände von Cadavern rochen oder nicht. Die Folgen, welche dieses Nichtwissen hatte, habe ich an den betreffenden Stellen dieser Schrift mitgetheilt Ueberzeugt sein ist doch sicherer als nicht Wissen, wenn da- her C. Braun überzeugt ist, dass der Cadaver nicht inficirt, warum verliess er sich denn nicht einmal auf die Schutzkraft des Chlorkalkes, warum befiehlt er denn seinen Schülern auf das Gewissenhafteste, keine Gebärende zu untersuchen, wenn an demselben Tage ein Cadaver von ihnen berührt wurde?
Aber etwas läugnen und es dennoch beobachten, heisst ein Falsum begehen.
Dass der Cadaver inficirt und dass der Chlorkalk desinficirt, hat selbst C. Braun bewiesen.
Wir haben schon Gelegenheit gehabt zu erzählen, dass während der fünfjährigen Assistenz und der einjährigen Pro- fessur C. Braun’s sich 24,692 Geburten ereigneten, davon starben 613, also 2,48 %; es verminderte sich daher die Sterblichkeit im Vergleiche zu den 6 Jahren der Klinik für Aerzte ohne Chlorwaschungen, durch Verhütung der cadaverösen Infection mittelst Chlorwaschungen um 7,44 %; und wenn wir die Sterb- lichkeit der einzelnen Monate nehmen, so stieg selbe während der 6 Jahre ohne Chlorwaschungen bis 31 %, während in den einzelnen Monaten die Sterblichkeit während der vierjährigen Assistenz C. Braun’s 7 % nicht überstieg. Vom fünften Jahre und vom ersten Jahre der Professur stehen uns die Monats- rapporte nicht zu Gebote.
Wir haben gesehen, dass C. Braun die cadaveröse Infec- tion bekämpft, und dass er dennoch gegen die cadaveröse In- fection Schutz sucht; denselben Widerspruch finden wir auch beim Chlorkalk wieder, er spricht dem Chlorkalk jede desin- ficirende Eigenschaft ab, und lehrt eine vollkommenere Me- thode der Anwendung des Chlorkalkes, als ich gelehrt.
Ich habe im Jahre 1848 von der desinficirenden Eigen- schaft des Chlorkalkes nach einer unvollkommenen Methode Gebrauch gemacht, und habe 10 Fälle von verhütbarer Infec-
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[494/0506]
sicht darauf genommen, ob meine Hände von Cadavern rochen
oder nicht. Die Folgen, welche dieses Nichtwissen hatte,
habe ich an den betreffenden Stellen dieser Schrift mitgetheilt
Ueberzeugt sein ist doch sicherer als nicht Wissen, wenn da-
her C. Braun überzeugt ist, dass der Cadaver nicht inficirt,
warum verliess er sich denn nicht einmal auf die Schutzkraft
des Chlorkalkes, warum befiehlt er denn seinen Schülern auf
das Gewissenhafteste, keine Gebärende zu untersuchen, wenn
an demselben Tage ein Cadaver von ihnen berührt wurde?
Aber etwas läugnen und es dennoch beobachten, heisst ein
Falsum begehen.
Dass der Cadaver inficirt und dass der Chlorkalk desinficirt,
hat selbst C. Braun bewiesen.
Wir haben schon Gelegenheit gehabt zu erzählen, dass
während der fünfjährigen Assistenz und der einjährigen Pro-
fessur C. Braun’s sich 24,692 Geburten ereigneten, davon starben
613, also 2,48 %; es verminderte sich daher die Sterblichkeit
im Vergleiche zu den 6 Jahren der Klinik für Aerzte ohne
Chlorwaschungen, durch Verhütung der cadaverösen Infection
mittelst Chlorwaschungen um 7,44 %; und wenn wir die Sterb-
lichkeit der einzelnen Monate nehmen, so stieg selbe während
der 6 Jahre ohne Chlorwaschungen bis 31 %, während in den
einzelnen Monaten die Sterblichkeit während der vierjährigen
Assistenz C. Braun’s 7 % nicht überstieg. Vom fünften Jahre
und vom ersten Jahre der Professur stehen uns die Monats-
rapporte nicht zu Gebote.
Wir haben gesehen, dass C. Braun die cadaveröse Infec-
tion bekämpft, und dass er dennoch gegen die cadaveröse In-
fection Schutz sucht; denselben Widerspruch finden wir auch
beim Chlorkalk wieder, er spricht dem Chlorkalk jede desin-
ficirende Eigenschaft ab, und lehrt eine vollkommenere Me-
thode der Anwendung des Chlorkalkes, als ich gelehrt.
Ich habe im Jahre 1848 von der desinficirenden Eigen-
schaft des Chlorkalkes nach einer unvollkommenen Methode
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/506>, abgerufen am 22.11.2024.
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