Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Diese Todesfälle unter den Neugebornen waren nicht
durch Puerperalfieber bedingt.

Wenn die Mutter früher starb als das Kind, oder wenn
die Mutter aus welcher Ursache immer ihr Kind nicht stillen
konnte, wurde selbes in's Findelhaus gesendet, und es ereig-
neten sich zahlreiche Todesfälle unter den Säuglingen des
Findelhauses am Kindbettfieber.

Nach Einführung der Chlorwaschungen hörte auch die
Sterblichkeit der Säuglinge am Kindbettfieber im Findelhause
auf. Doctor Bednar, damals prov. Primararzt des k. k. Fin-
delhauses zu Wien, sagt in seinem Werke: "Die Krankhei-
ten der Neugebornen und Säuglinge vom klinischen und pa-
thologisch-anatomischen Standpunkte bearbeitet." Wien 1850.
Gerold. Seite 198: "Die Sepsis des Blutes bei Neugebornen
ist jetzt eine grosse Seltenheit geworden, welches wir der fol-
gereichen und der grössten Beachtung würdigen Entdeckung
des Doctor Semmelweis, emeritirten Assistenten der ersten
Wiener Gebärklinik, zu verdanken haben, welcher die Ur-
sache und die Verhütung des früher mörderisch wüthenden
Puerperalfiebers glücklich erforscht hatte."

Das was wir Kindbettfieber bei Neugebornen nennen,
um noch bis jetzt den gewöhnlichen Sprachgebrauch beizube-
halten, nennt Dr. Bednar mit mehr Recht Sepsis des Blutes.

Nachdem wir das aetiologische Moment, des Plus der
Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik, im Verhältniss zur
zweiten in den an den Händen der Untersuchenden klebenden
Cadavertheilen gefunden haben, war die Erklärung, dass die
Gassengeburten so auffallend selten erkrankten in Vergleich
zu Individuen, welche bei uns geboren, leicht gegeben. Die
Gassengeburten wurden eben deshalb, weil das Kind schon
geboren war, in der Regel auch die Nachgeburt schon ausge-
schieden, als kein Gegenstand des Unterrichtes, nicht mehr
untersucht, es wurde ihnen ein Wochenbett angewiesen, wel-
ches sie in der Regel gesund verliessen; es wurden daher ihre
Genitalien mit keinem durch Cadavertheile verunreinigten

Diese Todesfälle unter den Neugebornen waren nicht
durch Puerperalfieber bedingt.

Wenn die Mutter früher starb als das Kind, oder wenn
die Mutter aus welcher Ursache immer ihr Kind nicht stillen
konnte, wurde selbes in’s Findelhaus gesendet, und es ereig-
neten sich zahlreiche Todesfälle unter den Säuglingen des
Findelhauses am Kindbettfieber.

Nach Einführung der Chlorwaschungen hörte auch die
Sterblichkeit der Säuglinge am Kindbettfieber im Findelhause
auf. Doctor Bednar, damals prov. Primararzt des k. k. Fin-
delhauses zu Wien, sagt in seinem Werke: »Die Krankhei-
ten der Neugebornen und Säuglinge vom klinischen und pa-
thologisch-anatomischen Standpunkte bearbeitet.« Wien 1850.
Gerold. Seite 198: »Die Sepsis des Blutes bei Neugebornen
ist jetzt eine grosse Seltenheit geworden, welches wir der fol-
gereichen und der grössten Beachtung würdigen Entdeckung
des Doctor Semmelweis, emeritirten Assistenten der ersten
Wiener Gebärklinik, zu verdanken haben, welcher die Ur-
sache und die Verhütung des früher mörderisch wüthenden
Puerperalfiebers glücklich erforscht hatte.«

Das was wir Kindbettfieber bei Neugebornen nennen,
um noch bis jetzt den gewöhnlichen Sprachgebrauch beizube-
halten, nennt Dr. Bednar mit mehr Recht Sepsis des Blutes.

Nachdem wir das aetiologische Moment, des Plus der
Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik, im Verhältniss zur
zweiten in den an den Händen der Untersuchenden klebenden
Cadavertheilen gefunden haben, war die Erklärung, dass die
Gassengeburten so auffallend selten erkrankten in Vergleich
zu Individuen, welche bei uns geboren, leicht gegeben. Die
Gassengeburten wurden eben deshalb, weil das Kind schon
geboren war, in der Regel auch die Nachgeburt schon ausge-
schieden, als kein Gegenstand des Unterrichtes, nicht mehr
untersucht, es wurde ihnen ein Wochenbett angewiesen, wel-
ches sie in der Regel gesund verliessen; es wurden daher ihre
Genitalien mit keinem durch Cadavertheile verunreinigten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0081" n="69"/>
        <p>Diese Todesfälle unter den Neugebornen waren nicht<lb/>
durch Puerperalfieber bedingt.</p><lb/>
        <p>Wenn die Mutter früher starb als das Kind, oder wenn<lb/>
die Mutter aus welcher Ursache immer ihr Kind nicht stillen<lb/>
konnte, wurde selbes in&#x2019;s Findelhaus gesendet, und es ereig-<lb/>
neten sich zahlreiche Todesfälle unter den Säuglingen des<lb/>
Findelhauses am Kindbettfieber.</p><lb/>
        <p>Nach Einführung der Chlorwaschungen hörte auch die<lb/>
Sterblichkeit der Säuglinge am Kindbettfieber im Findelhause<lb/>
auf. Doctor <hi rendition="#g">Bednar</hi>, damals prov. Primararzt des k. k. Fin-<lb/>
delhauses zu Wien, sagt in seinem Werke: »Die Krankhei-<lb/>
ten der Neugebornen und Säuglinge vom klinischen und pa-<lb/>
thologisch-anatomischen Standpunkte bearbeitet.« Wien 1850.<lb/><hi rendition="#g">Gerold</hi>. Seite 198: »Die Sepsis des Blutes bei Neugebornen<lb/>
ist jetzt eine grosse Seltenheit geworden, welches wir der fol-<lb/>
gereichen und der grössten Beachtung würdigen Entdeckung<lb/>
des Doctor <hi rendition="#g">Semmelweis</hi>, emeritirten Assistenten der ersten<lb/>
Wiener Gebärklinik, zu verdanken haben, welcher die Ur-<lb/>
sache und die Verhütung des früher mörderisch wüthenden<lb/>
Puerperalfiebers glücklich erforscht hatte.«</p><lb/>
        <p>Das was wir Kindbettfieber bei Neugebornen nennen,<lb/>
um noch bis jetzt den gewöhnlichen Sprachgebrauch beizube-<lb/>
halten, nennt Dr. <hi rendition="#g">Bednar</hi> mit mehr Recht Sepsis des Blutes.</p><lb/>
        <p>Nachdem wir das aetiologische Moment, des Plus der<lb/>
Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik, im Verhältniss zur<lb/>
zweiten in den an den Händen der Untersuchenden klebenden<lb/>
Cadavertheilen gefunden haben, war die Erklärung, dass die<lb/>
Gassengeburten so auffallend selten erkrankten in Vergleich<lb/>
zu Individuen, welche bei uns geboren, leicht gegeben. Die<lb/>
Gassengeburten wurden eben deshalb, weil das Kind schon<lb/>
geboren war, in der Regel auch die Nachgeburt schon ausge-<lb/>
schieden, als kein Gegenstand des Unterrichtes, nicht mehr<lb/>
untersucht, es wurde ihnen ein Wochenbett angewiesen, wel-<lb/>
ches sie in der Regel gesund verliessen; es wurden daher ihre<lb/>
Genitalien mit keinem durch Cadavertheile verunreinigten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0081] Diese Todesfälle unter den Neugebornen waren nicht durch Puerperalfieber bedingt. Wenn die Mutter früher starb als das Kind, oder wenn die Mutter aus welcher Ursache immer ihr Kind nicht stillen konnte, wurde selbes in’s Findelhaus gesendet, und es ereig- neten sich zahlreiche Todesfälle unter den Säuglingen des Findelhauses am Kindbettfieber. Nach Einführung der Chlorwaschungen hörte auch die Sterblichkeit der Säuglinge am Kindbettfieber im Findelhause auf. Doctor Bednar, damals prov. Primararzt des k. k. Fin- delhauses zu Wien, sagt in seinem Werke: »Die Krankhei- ten der Neugebornen und Säuglinge vom klinischen und pa- thologisch-anatomischen Standpunkte bearbeitet.« Wien 1850. Gerold. Seite 198: »Die Sepsis des Blutes bei Neugebornen ist jetzt eine grosse Seltenheit geworden, welches wir der fol- gereichen und der grössten Beachtung würdigen Entdeckung des Doctor Semmelweis, emeritirten Assistenten der ersten Wiener Gebärklinik, zu verdanken haben, welcher die Ur- sache und die Verhütung des früher mörderisch wüthenden Puerperalfiebers glücklich erforscht hatte.« Das was wir Kindbettfieber bei Neugebornen nennen, um noch bis jetzt den gewöhnlichen Sprachgebrauch beizube- halten, nennt Dr. Bednar mit mehr Recht Sepsis des Blutes. Nachdem wir das aetiologische Moment, des Plus der Sterblichkeit an der ersten Gebärklinik, im Verhältniss zur zweiten in den an den Händen der Untersuchenden klebenden Cadavertheilen gefunden haben, war die Erklärung, dass die Gassengeburten so auffallend selten erkrankten in Vergleich zu Individuen, welche bei uns geboren, leicht gegeben. Die Gassengeburten wurden eben deshalb, weil das Kind schon geboren war, in der Regel auch die Nachgeburt schon ausge- schieden, als kein Gegenstand des Unterrichtes, nicht mehr untersucht, es wurde ihnen ein Wochenbett angewiesen, wel- ches sie in der Regel gesund verliessen; es wurden daher ihre Genitalien mit keinem durch Cadavertheile verunreinigten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/81
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/81>, abgerufen am 24.11.2024.