Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.oder je grösser das umgebende Vorland war. Bei sehr steilen Küsten bilden sich selten nur eigentliche Küstenriffe, niemals wirkliche Barrenriffe. So wachsen die Korallen an der kleinen Insel Ngaur so dicht an der Küste, dass bei hoher See die Brandung ihre Felsen bespült. Die ganze Ostküste des nördlichen Theiles von Mindanao, ebenso die Ostküste des nördlichen Theiles von Luzon zeigen nur in den Buchten grössere Flecken lebender Korallen; aber niemals bildet sich, weder in dieser, noch an der steil abfallenden, dem Meer ausgesetzten Küste ein eigentliches Riff, und an den meisten Stellen würden sich die grössten Schiffe denselben bis auf Kabellänge nähern können. Dort aber, wo sich eine Landzunge untermeerisch fortsetzt, überzieht sie sich mit Korallen und bildet weithin sich erstreckende Riffe, wie z. B. an Luzons's Ostküste, am Eingange des Hafens von Palanan. Wesentlich abhängig ist die Bildung der Atolle und Barrenriffe von der Festigkeit der Grundlagen oder der Inseln, an die sie sich anlehnten. So bot die West- und Südseite der Insel Babelthaub dem Abwaschen durch die Brandung nur wenig Widerstand, und die untermeerischen Strömungen innerhalb des Aussenriffes vermochten leicht tiefe Canäle in den Boden einzugraben, die sich im Norden zu dem zwischen 40 und 60 Faden tiefen Lagunencanal vereinigten, im Westen von Coröre einen grossen tiefen See bildeten, der sowohl mit dem nördlichen, als dem östlich von Coröre einführenden Canale in Verbindung steht. Wesentlich anders war die Wirkung der gleichen Strömungen auf dem südlichen Theil des Archipels; hier konnte die Brandung wohl den Fuss der Inseln stark aushöhlen, tiefe Höhlen und schmale Thore einfressen, aber viel langsamer verschwanden die so abgerissenen Theile unter dem Meere. Die tiefen und breiten Canäle des Nordens nehmen ab in Zahl und Breite, und manche derselben verlieren sich allmälig in jene, nur wenige Faden unter dem Meere liegende Fläche, welche in ihren ausgedehnten Korallenfeldern den günstigsten Boden zur Betreibung der Balate-Fischerei bieten. Ein gleicher relativer Unterschied zeigt sich in den östlichen Küstenriffen des Nordens und des Südens. Während dort die Brandung, weniger zwar als auf der Westseite, die theilweise basaltische Küste befressen, und die Bildung eines inneren flachen Bootcanals zwischen jener, und dem höchstens 1000 Schritt abstehenden Aussenrand des Riffes ermöglichen konnte, setzten die Ostküsten der Kalkinseln des Südens solchen Widerstand dem Einflusse des Meeres entgegen, dass sich nirgends die mindeste Spur eines Canales zwischen dem Aussenriff und der Insel findet. Die grosse Verschiedenheit, welche die Ost- und Westriffe in der Entfernung von ihren angrenzenden Küsten zeigen, erklärt sich durch den Einfluss des beständig von Osten mächtigen Seegangs, der in seiner stetig fortgesetzten Wirkung den einzelnen Korallenindividuen das rasche Wachsthum nach aussen unmöglich machte, während die Korallen des Westens in den langen Perioden der Ruhe sich nach allen Seiten frei und kräftig ausbreiten konnten. Doch kann diese Vergrösserung, welche das Riff nach Westen hin erfahren haben mag, weniger bedeutend oder je grösser das umgebende Vorland war. Bei sehr steilen Küsten bilden sich selten nur eigentliche Küstenriffe, niemals wirkliche Barrenriffe. So wachsen die Korallen an der kleinen Insel Ngaur so dicht an der Küste, dass bei hoher See die Brandung ihre Felsen bespült. Die ganze Ostküste des nördlichen Theiles von Mindanao, ebenso die Ostküste des nördlichen Theiles von Luzon zeigen nur in den Buchten grössere Flecken lebender Korallen; aber niemals bildet sich, weder in dieser, noch an der steil abfallenden, dem Meer ausgesetzten Küste ein eigentliches Riff, und an den meisten Stellen würden sich die grössten Schiffe denselben bis auf Kabellänge nähern können. Dort aber, wo sich eine Landzunge untermeerisch fortsetzt, überzieht sie sich mit Korallen und bildet weithin sich erstreckende Riffe, wie z. B. an Luzons’s Ostküste, am Eingange des Hafens von Palanan. Wesentlich abhängig ist die Bildung der Atolle und Barrenriffe von der Festigkeit der Grundlagen oder der Inseln, an die sie sich anlehnten. So bot die West- und Südseite der Insel Babelthaub dem Abwaschen durch die Brandung nur wenig Widerstand, und die untermeerischen Strömungen innerhalb des Aussenriffes vermochten leicht tiefe Canäle in den Boden einzugraben, die sich im Norden zu dem zwischen 40 und 60 Faden tiefen Lagunencanal vereinigten, im Westen von Coröre einen grossen tiefen See bildeten, der sowohl mit dem nördlichen, als dem östlich von Coröre einführenden Canale in Verbindung steht. Wesentlich anders war die Wirkung der gleichen Strömungen auf dem südlichen Theil des Archipels; hier konnte die Brandung wohl den Fuss der Inseln stark aushöhlen, tiefe Höhlen und schmale Thore einfressen, aber viel langsamer verschwanden die so abgerissenen Theile unter dem Meere. Die tiefen und breiten Canäle des Nordens nehmen ab in Zahl und Breite, und manche derselben verlieren sich allmälig in jene, nur wenige Faden unter dem Meere liegende Fläche, welche in ihren ausgedehnten Korallenfeldern den günstigsten Boden zur Betreibung der Balate-Fischerei bieten. Ein gleicher relativer Unterschied zeigt sich in den östlichen Küstenriffen des Nordens und des Südens. Während dort die Brandung, weniger zwar als auf der Westseite, die theilweise basaltische Küste befressen, und die Bildung eines inneren flachen Bootcanals zwischen jener, und dem höchstens 1000 Schritt abstehenden Aussenrand des Riffes ermöglichen konnte, setzten die Ostküsten der Kalkinseln des Südens solchen Widerstand dem Einflusse des Meeres entgegen, dass sich nirgends die mindeste Spur eines Canales zwischen dem Aussenriff und der Insel findet. Die grosse Verschiedenheit, welche die Ost- und Westriffe in der Entfernung von ihren angrenzenden Küsten zeigen, erklärt sich durch den Einfluss des beständig von Osten mächtigen Seegangs, der in seiner stetig fortgesetzten Wirkung den einzelnen Korallenindividuen das rasche Wachsthum nach aussen unmöglich machte, während die Korallen des Westens in den langen Perioden der Ruhe sich nach allen Seiten frei und kräftig ausbreiten konnten. Doch kann diese Vergrösserung, welche das Riff nach Westen hin erfahren haben mag, weniger bedeutend <TEI> <text> <back> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0109" n="109"/> oder je grösser das umgebende Vorland war. Bei sehr steilen Küsten bilden sich selten nur eigentliche Küstenriffe, niemals wirkliche Barrenriffe. So wachsen die Korallen an der kleinen Insel Ngaur so dicht an der Küste, dass bei hoher See die Brandung ihre Felsen bespült. Die ganze Ostküste des nördlichen Theiles von Mindanao, ebenso die Ostküste des nördlichen Theiles von Luzon zeigen nur in den Buchten grössere Flecken lebender Korallen; aber niemals bildet sich, weder in dieser, noch an der steil abfallenden, dem Meer ausgesetzten Küste ein eigentliches Riff, und an den meisten Stellen würden sich die grössten Schiffe denselben bis auf Kabellänge nähern können. Dort aber, wo sich eine Landzunge untermeerisch fortsetzt, überzieht sie sich mit Korallen und bildet weithin sich erstreckende Riffe, wie z. B. an Luzons’s Ostküste, am Eingange des Hafens von Palanan. </p> <p>Wesentlich abhängig ist die Bildung der Atolle und Barrenriffe von der Festigkeit der Grundlagen oder der Inseln, an die sie sich anlehnten. So bot die West- und Südseite der Insel Babelthaub dem Abwaschen durch die Brandung nur wenig Widerstand, und die untermeerischen Strömungen innerhalb des Aussenriffes vermochten leicht tiefe Canäle in den Boden einzugraben, die sich im Norden zu dem zwischen 40 und 60 Faden tiefen Lagunencanal vereinigten, im Westen von Coröre einen grossen tiefen See bildeten, der sowohl mit dem nördlichen, als dem östlich von Coröre einführenden Canale in Verbindung steht. Wesentlich anders war die Wirkung der gleichen Strömungen auf dem südlichen Theil des Archipels; hier konnte die Brandung wohl den Fuss der Inseln stark aushöhlen, tiefe Höhlen und schmale Thore einfressen, aber viel langsamer verschwanden die so abgerissenen Theile unter dem Meere. 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Die grosse Verschiedenheit, welche die Ost- und Westriffe in der Entfernung von ihren angrenzenden Küsten zeigen, erklärt sich durch den Einfluss des beständig von Osten mächtigen Seegangs, der in seiner stetig fortgesetzten Wirkung den einzelnen Korallenindividuen das rasche Wachsthum nach aussen unmöglich machte, während die Korallen des Westens in den langen Perioden der Ruhe sich nach allen Seiten frei und kräftig ausbreiten konnten. Doch kann diese Vergrösserung, welche das Riff nach Westen hin erfahren haben mag, weniger bedeutend </p> </div> </div> </back> </text> </TEI> [109/0109]
oder je grösser das umgebende Vorland war. Bei sehr steilen Küsten bilden sich selten nur eigentliche Küstenriffe, niemals wirkliche Barrenriffe. So wachsen die Korallen an der kleinen Insel Ngaur so dicht an der Küste, dass bei hoher See die Brandung ihre Felsen bespült. Die ganze Ostküste des nördlichen Theiles von Mindanao, ebenso die Ostküste des nördlichen Theiles von Luzon zeigen nur in den Buchten grössere Flecken lebender Korallen; aber niemals bildet sich, weder in dieser, noch an der steil abfallenden, dem Meer ausgesetzten Küste ein eigentliches Riff, und an den meisten Stellen würden sich die grössten Schiffe denselben bis auf Kabellänge nähern können. Dort aber, wo sich eine Landzunge untermeerisch fortsetzt, überzieht sie sich mit Korallen und bildet weithin sich erstreckende Riffe, wie z. B. an Luzons’s Ostküste, am Eingange des Hafens von Palanan.
Wesentlich abhängig ist die Bildung der Atolle und Barrenriffe von der Festigkeit der Grundlagen oder der Inseln, an die sie sich anlehnten. So bot die West- und Südseite der Insel Babelthaub dem Abwaschen durch die Brandung nur wenig Widerstand, und die untermeerischen Strömungen innerhalb des Aussenriffes vermochten leicht tiefe Canäle in den Boden einzugraben, die sich im Norden zu dem zwischen 40 und 60 Faden tiefen Lagunencanal vereinigten, im Westen von Coröre einen grossen tiefen See bildeten, der sowohl mit dem nördlichen, als dem östlich von Coröre einführenden Canale in Verbindung steht. Wesentlich anders war die Wirkung der gleichen Strömungen auf dem südlichen Theil des Archipels; hier konnte die Brandung wohl den Fuss der Inseln stark aushöhlen, tiefe Höhlen und schmale Thore einfressen, aber viel langsamer verschwanden die so abgerissenen Theile unter dem Meere. Die tiefen und breiten Canäle des Nordens nehmen ab in Zahl und Breite, und manche derselben verlieren sich allmälig in jene, nur wenige Faden unter dem Meere liegende Fläche, welche in ihren ausgedehnten Korallenfeldern den günstigsten Boden zur Betreibung der Balate-Fischerei bieten. Ein gleicher relativer Unterschied zeigt sich in den östlichen Küstenriffen des Nordens und des Südens. Während dort die Brandung, weniger zwar als auf der Westseite, die theilweise basaltische Küste befressen, und die Bildung eines inneren flachen Bootcanals zwischen jener, und dem höchstens 1000 Schritt abstehenden Aussenrand des Riffes ermöglichen konnte, setzten die Ostküsten der Kalkinseln des Südens solchen Widerstand dem Einflusse des Meeres entgegen, dass sich nirgends die mindeste Spur eines Canales zwischen dem Aussenriff und der Insel findet. Die grosse Verschiedenheit, welche die Ost- und Westriffe in der Entfernung von ihren angrenzenden Küsten zeigen, erklärt sich durch den Einfluss des beständig von Osten mächtigen Seegangs, der in seiner stetig fortgesetzten Wirkung den einzelnen Korallenindividuen das rasche Wachsthum nach aussen unmöglich machte, während die Korallen des Westens in den langen Perioden der Ruhe sich nach allen Seiten frei und kräftig ausbreiten konnten. Doch kann diese Vergrösserung, welche das Riff nach Westen hin erfahren haben mag, weniger bedeutend
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