Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.bei jenen die freien Plätze, um das Haus und unter demselben, auf welchen einige kleine ihren Göttern geweihte Monumente stehen, auf das Sorgfältigste rein gehalten werden, lassen diese allerlei Gras und Unkraut auf ihnen wachsen und werfen wie die Tagalen bei Manila allen Kehricht durch die Spalten des Fussbodens hinunter. In ihrer Kleidung und ihren Zierrathen stimmen beide Stämme so ziemlich überein. Aber während die Catalanganes als Tättowirungsmuster sowohl, wie als Ornamente für ihre heiligen Plätze, ausschliesslich Schriftzüge anwenden, welche mir chinesischen oder japanesischen Ursprungs zu sein schienen, wenden die Iraya's überall nur die aus geraden oder einfachen krummen Linien gebildeten Verzierungsmuster an, wie wir sie schon bei den Negern gefunden haben. Als ich im Juni 1860 mit 21 Christen von Palanan über die Cordillere gegangen war, waren wir nahe daran inmitten der grossen in Scheunen der Catalanganes aufgespeicherten Mengen von Reis und Mais Hunger's zu sterben; denn unsern Bitten um Lebensmittel setzten sie beharrliche Weigerung entgegen. Ich sah mich gezwungen, mit den Waffen in der Hand mir die Lebensmittel zu rauben, die sie mir nicht gutwillig geben wollten, und für die ihnen dann keine Bezahlung hoch genug zu sein schien. Nur die ernste Drohung einer unnachsichtlich einzutreibenden Kriegssteuer brachte mir in Minanga, von wo ich meine Leute nach Palanan zurückschicken wollte, so viel Mais und Reis ein, dass ich Letzteren hinreichende Lebensmittel mit auf den Weg geben konnte. Als stummen Zeugen ihres vollständigen Mangels an Gastfreundschaft zeigten mir meine Begleiter, kurz vor der Ankunft im Lande dieser Egoisten, mitten im Walde einen Steinhaufen, welchen fromm geübter alter Brauch der Bewohner Palanan's zum Andenken an einen hier vor Hunger umgekommenen Christen aufgeworfen hatte. Auf seinem Durchmarsch durch ihr Land hatten die Catalanganes ihm auch nicht ein Körnchen Reis für Geld oder gute Worte geben wollen. Wie anders zeigten sich mir die wenige Meilen davon wohnenden Iraya's. Hier machten überall die gastlichste Aufnahme, Geschenke aller Art für mich und meine Leute, veranstaltete Feste und gern gewährte Unterstützung beim Besteigen der Berge oder zum Rudern des Bootes das Reisen leicht und zu einem wahren Vergnügen, so dass ich ihnen das Versprechen gab, sie bald wieder zu besuchen, als ich bei jenen die freien Plätze, um das Haus und unter demselben, auf welchen einige kleine ihren Göttern geweihte Monumente stehen, auf das Sorgfältigste rein gehalten werden, lassen diese allerlei Gras und Unkraut auf ihnen wachsen und werfen wie die Tagalen bei Manila allen Kehricht durch die Spalten des Fussbodens hinunter. In ihrer Kleidung und ihren Zierrathen stimmen beide Stämme so ziemlich überein. Aber während die Catalanganes als Tättowirungsmuster sowohl, wie als Ornamente für ihre heiligen Plätze, ausschliesslich Schriftzüge anwenden, welche mir chinesischen oder japanesischen Ursprungs zu sein schienen, wenden die Iraya’s überall nur die aus geraden oder einfachen krummen Linien gebildeten Verzierungsmuster an, wie wir sie schon bei den Negern gefunden haben. Als ich im Juni 1860 mit 21 Christen von Palanan über die Cordillere gegangen war, waren wir nahe daran inmitten der grossen in Scheunen der Catalanganes aufgespeicherten Mengen von Reis und Mais Hunger’s zu sterben; denn unsern Bitten um Lebensmittel setzten sie beharrliche Weigerung entgegen. Ich sah mich gezwungen, mit den Waffen in der Hand mir die Lebensmittel zu rauben, die sie mir nicht gutwillig geben wollten, und für die ihnen dann keine Bezahlung hoch genug zu sein schien. Nur die ernste Drohung einer unnachsichtlich einzutreibenden Kriegssteuer brachte mir in Minanga, von wo ich meine Leute nach Palanan zurückschicken wollte, so viel Mais und Reis ein, dass ich Letzteren hinreichende Lebensmittel mit auf den Weg geben konnte. Als stummen Zeugen ihres vollständigen Mangels an Gastfreundschaft zeigten mir meine Begleiter, kurz vor der Ankunft im Lande dieser Egoisten, mitten im Walde einen Steinhaufen, welchen fromm geübter alter Brauch der Bewohner Palanan’s zum Andenken an einen hier vor Hunger umgekommenen Christen aufgeworfen hatte. Auf seinem Durchmarsch durch ihr Land hatten die Catalanganes ihm auch nicht ein Körnchen Reis für Geld oder gute Worte geben wollen. Wie anders zeigten sich mir die wenige Meilen davon wohnenden Iraya’s. Hier machten überall die gastlichste Aufnahme, Geschenke aller Art für mich und meine Leute, veranstaltete Feste und gern gewährte Unterstützung beim Besteigen der Berge oder zum Rudern des Bootes das Reisen leicht und zu einem wahren Vergnügen, so dass ich ihnen das Versprechen gab, sie bald wieder zu besuchen, als ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0058" n="58"/> bei jenen die freien Plätze, um das Haus und unter demselben, auf welchen einige kleine ihren Göttern geweihte Monumente stehen, auf das Sorgfältigste rein gehalten werden, lassen diese allerlei Gras und Unkraut auf ihnen wachsen und werfen wie die Tagalen bei Manila allen Kehricht durch die Spalten des Fussbodens hinunter. In ihrer Kleidung und ihren Zierrathen stimmen beide Stämme so ziemlich überein. Aber während die Catalanganes als Tättowirungsmuster sowohl, wie als Ornamente für ihre heiligen Plätze, ausschliesslich Schriftzüge anwenden, welche mir chinesischen oder japanesischen Ursprungs zu sein schienen, wenden die Iraya’s überall nur die aus geraden oder einfachen krummen Linien gebildeten Verzierungsmuster an, wie wir sie schon bei den Negern gefunden haben. Als ich im Juni 1860 mit 21 Christen von Palanan über die Cordillere gegangen war, waren wir nahe daran inmitten der grossen in Scheunen der Catalanganes aufgespeicherten Mengen von Reis und Mais Hunger’s zu sterben; denn unsern Bitten um Lebensmittel setzten sie beharrliche Weigerung entgegen. Ich sah mich gezwungen, mit den Waffen in der Hand mir die Lebensmittel zu rauben, die sie mir nicht gutwillig geben wollten, und für die ihnen dann keine Bezahlung hoch genug zu sein schien. Nur die ernste Drohung einer unnachsichtlich einzutreibenden Kriegssteuer brachte mir in Minanga, von wo ich meine Leute nach Palanan zurückschicken wollte, so viel Mais und Reis ein, dass ich Letzteren hinreichende Lebensmittel mit auf den Weg geben konnte. Als stummen Zeugen ihres vollständigen Mangels an Gastfreundschaft zeigten mir meine Begleiter, kurz vor der Ankunft im Lande dieser Egoisten, mitten im Walde einen Steinhaufen, welchen fromm geübter alter Brauch der Bewohner Palanan’s zum Andenken an einen hier vor Hunger umgekommenen Christen aufgeworfen hatte. Auf seinem Durchmarsch durch ihr Land hatten die Catalanganes ihm auch nicht ein Körnchen Reis für Geld oder gute Worte geben wollen. Wie anders zeigten sich mir die wenige Meilen davon wohnenden Iraya’s. Hier machten überall die gastlichste Aufnahme, Geschenke aller Art für mich und meine Leute, veranstaltete Feste und gern gewährte Unterstützung beim Besteigen der Berge oder zum Rudern des Bootes das Reisen leicht und zu einem wahren Vergnügen, so dass ich ihnen das Versprechen gab, sie bald wieder zu besuchen, als ich </p> </div> </body> </text> </TEI> [58/0058]
bei jenen die freien Plätze, um das Haus und unter demselben, auf welchen einige kleine ihren Göttern geweihte Monumente stehen, auf das Sorgfältigste rein gehalten werden, lassen diese allerlei Gras und Unkraut auf ihnen wachsen und werfen wie die Tagalen bei Manila allen Kehricht durch die Spalten des Fussbodens hinunter. In ihrer Kleidung und ihren Zierrathen stimmen beide Stämme so ziemlich überein. Aber während die Catalanganes als Tättowirungsmuster sowohl, wie als Ornamente für ihre heiligen Plätze, ausschliesslich Schriftzüge anwenden, welche mir chinesischen oder japanesischen Ursprungs zu sein schienen, wenden die Iraya’s überall nur die aus geraden oder einfachen krummen Linien gebildeten Verzierungsmuster an, wie wir sie schon bei den Negern gefunden haben. Als ich im Juni 1860 mit 21 Christen von Palanan über die Cordillere gegangen war, waren wir nahe daran inmitten der grossen in Scheunen der Catalanganes aufgespeicherten Mengen von Reis und Mais Hunger’s zu sterben; denn unsern Bitten um Lebensmittel setzten sie beharrliche Weigerung entgegen. Ich sah mich gezwungen, mit den Waffen in der Hand mir die Lebensmittel zu rauben, die sie mir nicht gutwillig geben wollten, und für die ihnen dann keine Bezahlung hoch genug zu sein schien. Nur die ernste Drohung einer unnachsichtlich einzutreibenden Kriegssteuer brachte mir in Minanga, von wo ich meine Leute nach Palanan zurückschicken wollte, so viel Mais und Reis ein, dass ich Letzteren hinreichende Lebensmittel mit auf den Weg geben konnte. Als stummen Zeugen ihres vollständigen Mangels an Gastfreundschaft zeigten mir meine Begleiter, kurz vor der Ankunft im Lande dieser Egoisten, mitten im Walde einen Steinhaufen, welchen fromm geübter alter Brauch der Bewohner Palanan’s zum Andenken an einen hier vor Hunger umgekommenen Christen aufgeworfen hatte. Auf seinem Durchmarsch durch ihr Land hatten die Catalanganes ihm auch nicht ein Körnchen Reis für Geld oder gute Worte geben wollen. Wie anders zeigten sich mir die wenige Meilen davon wohnenden Iraya’s. Hier machten überall die gastlichste Aufnahme, Geschenke aller Art für mich und meine Leute, veranstaltete Feste und gern gewährte Unterstützung beim Besteigen der Berge oder zum Rudern des Bootes das Reisen leicht und zu einem wahren Vergnügen, so dass ich ihnen das Versprechen gab, sie bald wieder zu besuchen, als ich
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