Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Systeme von klappernden Stöcken und sich bewegenden Tuchfetzen, menschenähnlichen Figuren etc. mittheilen. Leider sah ich, da ich nach beendigter Erndte in diese Gegenden kam, nur noch ein einziges und kleines dieser Instrumente in Bewegung.

Der etwas finstere und abentheuerliche Geist, der sich ihnen durch solche Beschäftigungen einprägt, und der sich auch in den übrigen Gewohnheiten des täglichen Lebens ausspricht, steht mit der grossartigen Wildheit der sie umgebenden Natur in völliger Harmonie. Nur dort, wo sie in den tiefsten Thälern sich des gleichen sonnigen Klima's erfreuen, wie die christlichen Bewohner der Ebene, schmücken sie sich mit den grellen Farben ihrer Kopftücher oder dem reinen Weiss ihres langen Mantels, den sie um den Körper schlagen. Wo aber in den hohen Bergthälern oder gar auf den 5-6000' hohen Bergzügen die Bewohner im feuchten, nur Fichten, Gras und eine gesellig lebende Farre erzeugenden Boden nach Gold wühlen oder an den schroffsten Abhängen mit unsäglicher Mühe Felsblöcke zu einer Mauer aufthürmen müssen, um sich einen kleinen Fleck horizontalen Landes für ihren Reisbau zu gewinnen; da steht das vorherrschende Indigblau, das mitunter von ursprünglich weissen Streifen unterbrochen wird, mit dem düsteren Sinn und dem vielen Nebel der Landschaften und dem dunkeln Grün der Fichtenwaldungen in Einklang. Nur der auch über den höchsten Höhen schwebende philippinische Falke (Falco pondicerianus) deutet dem Reisenden an, dass er sich im tropischen Lande befindet; oder es grüsst ihn die 2 Zoll grosse blendend weisse Blüthe einer Orchidee (Phalaenopteris), die sich auf hohem Fichtenzweige schaukelt, wie eine Freundin aus sonnenhelleren Gegenden.

Ein ganz anderes Bild wieder zeigen uns die stammverwandten heidnischen Stämme im Osten von Mindanao, unter denen vor Allem die Manobo's zu nennen sind. Trotz der gleichen psychischen Eigenschaften und obgleich sich auch bei ihnen, und ganz besonders bei den Mandaya's, eine Vermischung mit Chinesen auf den ersten Blick erkennen lässt; ungeachtet der in ihren Grundzügen auch bei ihnen geltenden Anito-Lehre, und der innern Verwandschaft ihrer Sprache, haben sich doch hier eine Reihe besonderer Eigenschaften entwickelt oder erhalten, die sich in solcher Ausbildung nicht bei den Stämmen des Nordens nachweisen

Systeme von klappernden Stöcken und sich bewegenden Tuchfetzen, menschenähnlichen Figuren etc. mittheilen. Leider sah ich, da ich nach beendigter Erndte in diese Gegenden kam, nur noch ein einziges und kleines dieser Instrumente in Bewegung.

Der etwas finstere und abentheuerliche Geist, der sich ihnen durch solche Beschäftigungen einprägt, und der sich auch in den übrigen Gewohnheiten des täglichen Lebens ausspricht, steht mit der grossartigen Wildheit der sie umgebenden Natur in völliger Harmonie. Nur dort, wo sie in den tiefsten Thälern sich des gleichen sonnigen Klima’s erfreuen, wie die christlichen Bewohner der Ebene, schmücken sie sich mit den grellen Farben ihrer Kopftücher oder dem reinen Weiss ihres langen Mantels, den sie um den Körper schlagen. Wo aber in den hohen Bergthälern oder gar auf den 5–6000′ hohen Bergzügen die Bewohner im feuchten, nur Fichten, Gras und eine gesellig lebende Farre erzeugenden Boden nach Gold wühlen oder an den schroffsten Abhängen mit unsäglicher Mühe Felsblöcke zu einer Mauer aufthürmen müssen, um sich einen kleinen Fleck horizontalen Landes für ihren Reisbau zu gewinnen; da steht das vorherrschende Indigblau, das mitunter von ursprünglich weissen Streifen unterbrochen wird, mit dem düsteren Sinn und dem vielen Nebel der Landschaften und dem dunkeln Grün der Fichtenwaldungen in Einklang. Nur der auch über den höchsten Höhen schwebende philippinische Falke (Falco pondicerianus) deutet dem Reisenden an, dass er sich im tropischen Lande befindet; oder es grüsst ihn die 2 Zoll grosse blendend weisse Blüthe einer Orchidee (Phalaenopteris), die sich auf hohem Fichtenzweige schaukelt, wie eine Freundin aus sonnenhelleren Gegenden.

Ein ganz anderes Bild wieder zeigen uns die stammverwandten heidnischen Stämme im Osten von Mindanao, unter denen vor Allem die Manobo’s zu nennen sind. Trotz der gleichen psychischen Eigenschaften und obgleich sich auch bei ihnen, und ganz besonders bei den Mandaya’s, eine Vermischung mit Chinesen auf den ersten Blick erkennen lässt; ungeachtet der in ihren Grundzügen auch bei ihnen geltenden Anito-Lehre, und der innern Verwandschaft ihrer Sprache, haben sich doch hier eine Reihe besonderer Eigenschaften entwickelt oder erhalten, die sich in solcher Ausbildung nicht bei den Stämmen des Nordens nachweisen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0062" n="62"/>
Systeme von klappernden Stöcken und sich bewegenden Tuchfetzen,
                     menschenähnlichen Figuren etc. mittheilen. Leider sah ich, da ich nach
                     beendigter Erndte in diese Gegenden kam, nur noch ein einziges und kleines
                     dieser Instrumente in Bewegung. </p>
        <p>Der etwas finstere und abentheuerliche Geist, der sich ihnen durch solche
                     Beschäftigungen einprägt, und der sich auch in den übrigen
                     Gewohnheiten des täglichen Lebens ausspricht, steht mit der grossartigen
                     Wildheit der sie umgebenden Natur in völliger Harmonie. Nur dort, wo sie in
                     den tiefsten Thälern sich des gleichen sonnigen Klima&#x2019;s erfreuen, wie
                     die christlichen Bewohner der Ebene, schmücken sie sich mit den grellen
                     Farben ihrer Kopftücher oder dem reinen Weiss ihres langen Mantels, den sie
                     um den Körper schlagen. Wo aber in den hohen Bergthälern oder gar auf
                     den 5&#x2013;6000&#x2032; hohen Bergzügen die Bewohner im feuchten, nur
                     Fichten, Gras und eine gesellig lebende Farre erzeugenden Boden nach Gold
                     wühlen oder an den schroffsten Abhängen mit unsäglicher Mühe
                     Felsblöcke zu einer Mauer aufthürmen müssen, um sich einen
                     kleinen Fleck horizontalen Landes für ihren Reisbau zu gewinnen; da steht
                     das vorherrschende Indigblau, das mitunter von ursprünglich weissen
                     Streifen unterbrochen wird, mit dem düsteren Sinn und dem vielen Nebel der
                     Landschaften und dem dunkeln Grün der Fichtenwaldungen in Einklang. Nur der
                     auch über den höchsten Höhen schwebende philippinische Falke
                     (Falco pondicerianus) deutet dem Reisenden an, dass er sich im tropischen Lande
                     befindet; oder es grüsst ihn die 2 Zoll grosse blendend weisse Blüthe
                     einer Orchidee (Phalaenopteris), die sich auf hohem Fichtenzweige schaukelt, wie
                     eine Freundin aus sonnenhelleren Gegenden. </p>
        <p>Ein ganz anderes Bild wieder zeigen uns die stammverwandten heidnischen
                     Stämme im Osten von <hi rendition="#g">Mindanao</hi>, unter denen vor Allem
                     die <hi rendition="#g">Manobo</hi>&#x2019;s zu nennen sind. Trotz der gleichen
                     psychischen Eigenschaften und obgleich sich auch bei ihnen, und ganz besonders
                     bei den <hi rendition="#g">Mandaya</hi>&#x2019;s, eine Vermischung mit Chinesen
                     auf den ersten Blick erkennen lässt; ungeachtet der in ihren
                     Grundzügen auch bei ihnen geltenden Anito-Lehre, und der innern
                     Verwandschaft ihrer Sprache, haben sich doch hier eine Reihe besonderer
                     Eigenschaften entwickelt oder erhalten, die sich in solcher Ausbildung nicht bei
                     den Stämmen des Nordens nachweisen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0062] Systeme von klappernden Stöcken und sich bewegenden Tuchfetzen, menschenähnlichen Figuren etc. mittheilen. Leider sah ich, da ich nach beendigter Erndte in diese Gegenden kam, nur noch ein einziges und kleines dieser Instrumente in Bewegung. Der etwas finstere und abentheuerliche Geist, der sich ihnen durch solche Beschäftigungen einprägt, und der sich auch in den übrigen Gewohnheiten des täglichen Lebens ausspricht, steht mit der grossartigen Wildheit der sie umgebenden Natur in völliger Harmonie. Nur dort, wo sie in den tiefsten Thälern sich des gleichen sonnigen Klima’s erfreuen, wie die christlichen Bewohner der Ebene, schmücken sie sich mit den grellen Farben ihrer Kopftücher oder dem reinen Weiss ihres langen Mantels, den sie um den Körper schlagen. Wo aber in den hohen Bergthälern oder gar auf den 5–6000′ hohen Bergzügen die Bewohner im feuchten, nur Fichten, Gras und eine gesellig lebende Farre erzeugenden Boden nach Gold wühlen oder an den schroffsten Abhängen mit unsäglicher Mühe Felsblöcke zu einer Mauer aufthürmen müssen, um sich einen kleinen Fleck horizontalen Landes für ihren Reisbau zu gewinnen; da steht das vorherrschende Indigblau, das mitunter von ursprünglich weissen Streifen unterbrochen wird, mit dem düsteren Sinn und dem vielen Nebel der Landschaften und dem dunkeln Grün der Fichtenwaldungen in Einklang. Nur der auch über den höchsten Höhen schwebende philippinische Falke (Falco pondicerianus) deutet dem Reisenden an, dass er sich im tropischen Lande befindet; oder es grüsst ihn die 2 Zoll grosse blendend weisse Blüthe einer Orchidee (Phalaenopteris), die sich auf hohem Fichtenzweige schaukelt, wie eine Freundin aus sonnenhelleren Gegenden. Ein ganz anderes Bild wieder zeigen uns die stammverwandten heidnischen Stämme im Osten von Mindanao, unter denen vor Allem die Manobo’s zu nennen sind. Trotz der gleichen psychischen Eigenschaften und obgleich sich auch bei ihnen, und ganz besonders bei den Mandaya’s, eine Vermischung mit Chinesen auf den ersten Blick erkennen lässt; ungeachtet der in ihren Grundzügen auch bei ihnen geltenden Anito-Lehre, und der innern Verwandschaft ihrer Sprache, haben sich doch hier eine Reihe besonderer Eigenschaften entwickelt oder erhalten, die sich in solcher Ausbildung nicht bei den Stämmen des Nordens nachweisen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2012-11-06T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
gutenberg.org: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-06T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Die Transkription enspricht den DTA-Richtlinien.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/62
Zitationshilfe: Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/62>, abgerufen am 24.11.2024.