Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber unter diesen Blumen ruht auch hier die Schlange, bereit zum Sprunge und zum giftigen Bisse, und hier so wenig wie anderswo ist dem Menschen ungestörter friedlicher Genuss gewährt. Schreckliche Krankheiten, Pocken und die asiatische Cholera, diese Geissel der modernen Menschheit, decimiren die bevölkerten Städte und Dörfer; Wanderheuschrecken, welche wolkengleich den Himmel verfinstern, verheeren die Saat und es folgt ihnen Theuerung und Hungersnoth nach; beim Wechsel der Monsune überschwemmen die angeschwollenen Giessbäche das Land und wenn der Indier sich in seinen Holzhütten oder Steinhäusern von der verheerenden Fluth glücklich gerettet wähnt, so sieht er sich unter den Trümmern seines Hauses durch ein Erdbeben begraben oder in der Gluth der Aschenregen eines neu ausbrechenden Vulcanes erstickt.

Wir wollen aus der Reihe der hier angedeuteten Phänomene den Feuerbergen der Philippinen, wie der Eingeborne die Vulcane nicht ganz richtig nennt, etwas mehr Aufmerksamkeit schenken.

Auf der südlichsten Landspitze von Mindanao, der schon genannten Punta Serangani liegt der längst bekannte Vulcan Serangani oder Sanguil,1 wie ihn einige der früheren Geschichtsschreiber und Seefahrer nennen, denen er beim Einlaufen in die Strasse von Celebes als fester Leuchtthurm gedient hat. Ihm schliessen sich auch den allerdings vielfach sich widersprechenden Angaben der spanischen und englischen Autoren zwei andere Vulcane an, deren einer, der Vulcan von Sujut, nahe der Bahia de Illanos, etwa 8-10 Seemeilen von dem Orte gleichen Namens liegen soll, während der dritte nur von wenigen Seefahrern früherer Zeiten gesehene Vulcan dicht bei dem Dorfe Davao, dem jetzt auf den spanischen Karten Vergara genannten Orte in der Bucht gleichen Namens (Tagloc der älteren Karten) liegt. Von dem ersten, dem Sanguil oder besser Serangani--da der erste Name wahrscheinlich auf einem Missverständniss beruht, und jetzt gänzlich verloren gegangen ist--ist nur ein einziger historisch beglaubigter Ausbruch bekannt; es ist der vom 4. Januar 1645 (oder 1641?). An demselben Tage sollen noch ein anderer Vulcan auf einer kleinen Insel der Sulu-Gruppe und ein dritter auf Luzon selbst, der auch auf Darwins bekannter Karte2 angegebene Vulcan von Aringay oder Mte. Sto. Tomas im Golf von Lingayen zum

Aber unter diesen Blumen ruht auch hier die Schlange, bereit zum Sprunge und zum giftigen Bisse, und hier so wenig wie anderswo ist dem Menschen ungestörter friedlicher Genuss gewährt. Schreckliche Krankheiten, Pocken und die asiatische Cholera, diese Geissel der modernen Menschheit, decimiren die bevölkerten Städte und Dörfer; Wanderheuschrecken, welche wolkengleich den Himmel verfinstern, verheeren die Saat und es folgt ihnen Theuerung und Hungersnoth nach; beim Wechsel der Monsune überschwemmen die angeschwollenen Giessbäche das Land und wenn der Indier sich in seinen Holzhütten oder Steinhäusern von der verheerenden Fluth glücklich gerettet wähnt, so sieht er sich unter den Trümmern seines Hauses durch ein Erdbeben begraben oder in der Gluth der Aschenregen eines neu ausbrechenden Vulcanes erstickt.

Wir wollen aus der Reihe der hier angedeuteten Phänomene den Feuerbergen der Philippinen, wie der Eingeborne die Vulcane nicht ganz richtig nennt, etwas mehr Aufmerksamkeit schenken.

Auf der südlichsten Landspitze von Mindanao, der schon genannten Punta Serangani liegt der längst bekannte Vulcan Serangani oder Sanguil,1 wie ihn einige der früheren Geschichtsschreiber und Seefahrer nennen, denen er beim Einlaufen in die Strasse von Celebes als fester Leuchtthurm gedient hat. Ihm schliessen sich auch den allerdings vielfach sich widersprechenden Angaben der spanischen und englischen Autoren zwei andere Vulcane an, deren einer, der Vulcan von Sujut, nahe der Bahia de Illanos, etwa 8–10 Seemeilen von dem Orte gleichen Namens liegen soll, während der dritte nur von wenigen Seefahrern früherer Zeiten gesehene Vulcan dicht bei dem Dorfe Davao, dem jetzt auf den spanischen Karten Vergara genannten Orte in der Bucht gleichen Namens (Tagloc der älteren Karten) liegt. Von dem ersten, dem Sanguil oder besser Serangani—da der erste Name wahrscheinlich auf einem Missverständniss beruht, und jetzt gänzlich verloren gegangen ist—ist nur ein einziger historisch beglaubigter Ausbruch bekannt; es ist der vom 4. Januar 1645 (oder 1641?). An demselben Tage sollen noch ein anderer Vulcan auf einer kleinen Insel der Sulu-Gruppe und ein dritter auf Luzon selbst, der auch auf Darwins bekannter Karte2 angegebene Vulcan von Aringay oder Mte. Sto. Tomas im Golf von Lingayen zum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p>
          <pb facs="#f0008" n="8"/>
        </p>
        <p>Aber unter diesen Blumen ruht auch hier die Schlange, bereit zum Sprunge und zum
                     giftigen Bisse, und hier so wenig wie anderswo ist dem Menschen ungestörter
                     friedlicher Genuss gewährt. Schreckliche Krankheiten, Pocken und die
                     asiatische Cholera, diese Geissel der modernen Menschheit, decimiren die
                     bevölkerten Städte und Dörfer; Wanderheuschrecken, welche
                     wolkengleich den Himmel verfinstern, verheeren die Saat und es folgt ihnen
                     Theuerung und Hungersnoth nach; beim Wechsel der Monsune überschwemmen die
                     angeschwollenen Giessbäche das Land und wenn der Indier sich in seinen
                     Holzhütten oder Steinhäusern von der verheerenden Fluth glücklich
                     gerettet wähnt, so sieht er sich unter den Trümmern seines Hauses
                     durch ein Erdbeben begraben oder in der Gluth der Aschenregen eines neu
                     ausbrechenden Vulcanes erstickt. </p>
        <p>Wir wollen aus der Reihe der hier angedeuteten Phänomene den Feuerbergen der
                     Philippinen, wie der Eingeborne die Vulcane nicht ganz richtig nennt, etwas mehr
                     Aufmerksamkeit schenken. </p>
        <p>Auf der südlichsten Landspitze von Mindanao, der schon genannten Punta
                     Serangani liegt der längst bekannte Vulcan <hi rendition="#g">Serangani</hi> oder <hi rendition="#g">Sanguil</hi>,<note xml:id="n1.1-sign" n="1" place="end" next="n1.1"/> wie ihn einige der früheren
                     Geschichtsschreiber und Seefahrer nennen, denen er beim Einlaufen in die Strasse
                     von Celebes als fester Leuchtthurm gedient hat. Ihm schliessen sich auch den
                     allerdings vielfach sich widersprechenden Angaben der spanischen und englischen
                     Autoren zwei andere Vulcane an, deren einer, der Vulcan von <hi rendition="#g">Sujut</hi>, nahe der Bahia de Illanos, etwa 8&#x2013;10 Seemeilen von dem
                     Orte gleichen Namens liegen soll, während der dritte nur von wenigen
                     Seefahrern früherer Zeiten gesehene Vulcan dicht bei dem Dorfe <hi rendition="#g">Davao</hi>, dem jetzt auf den spanischen Karten <hi rendition="#g">Vergara</hi> genannten Orte in der Bucht gleichen Namens (<hi rendition="#g">Tagloc</hi> der älteren Karten) liegt. Von dem ersten,
                     dem Sanguil oder besser Serangani&#x2014;da der erste Name wahrscheinlich auf
                     einem Missverständniss beruht, und jetzt gänzlich verloren gegangen
                     ist&#x2014;ist nur ein einziger historisch beglaubigter Ausbruch bekannt; es ist
                     der vom 4. Januar 1645 (oder 1641?). An demselben Tage sollen noch ein anderer
                     Vulcan auf einer kleinen Insel der Sulu-Gruppe und ein dritter auf Luzon selbst,
                     der auch auf Darwins bekannter Karte<note xml:id="n1.2-sign" n="2" place="end" next="n1.2"/> angegebene Vulcan von Aringay oder Mte. Sto. Tomas im
                     Golf von Lingayen zum
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0008] Aber unter diesen Blumen ruht auch hier die Schlange, bereit zum Sprunge und zum giftigen Bisse, und hier so wenig wie anderswo ist dem Menschen ungestörter friedlicher Genuss gewährt. Schreckliche Krankheiten, Pocken und die asiatische Cholera, diese Geissel der modernen Menschheit, decimiren die bevölkerten Städte und Dörfer; Wanderheuschrecken, welche wolkengleich den Himmel verfinstern, verheeren die Saat und es folgt ihnen Theuerung und Hungersnoth nach; beim Wechsel der Monsune überschwemmen die angeschwollenen Giessbäche das Land und wenn der Indier sich in seinen Holzhütten oder Steinhäusern von der verheerenden Fluth glücklich gerettet wähnt, so sieht er sich unter den Trümmern seines Hauses durch ein Erdbeben begraben oder in der Gluth der Aschenregen eines neu ausbrechenden Vulcanes erstickt. Wir wollen aus der Reihe der hier angedeuteten Phänomene den Feuerbergen der Philippinen, wie der Eingeborne die Vulcane nicht ganz richtig nennt, etwas mehr Aufmerksamkeit schenken. Auf der südlichsten Landspitze von Mindanao, der schon genannten Punta Serangani liegt der längst bekannte Vulcan Serangani oder Sanguil, ¹ wie ihn einige der früheren Geschichtsschreiber und Seefahrer nennen, denen er beim Einlaufen in die Strasse von Celebes als fester Leuchtthurm gedient hat. Ihm schliessen sich auch den allerdings vielfach sich widersprechenden Angaben der spanischen und englischen Autoren zwei andere Vulcane an, deren einer, der Vulcan von Sujut, nahe der Bahia de Illanos, etwa 8–10 Seemeilen von dem Orte gleichen Namens liegen soll, während der dritte nur von wenigen Seefahrern früherer Zeiten gesehene Vulcan dicht bei dem Dorfe Davao, dem jetzt auf den spanischen Karten Vergara genannten Orte in der Bucht gleichen Namens (Tagloc der älteren Karten) liegt. Von dem ersten, dem Sanguil oder besser Serangani—da der erste Name wahrscheinlich auf einem Missverständniss beruht, und jetzt gänzlich verloren gegangen ist—ist nur ein einziger historisch beglaubigter Ausbruch bekannt; es ist der vom 4. Januar 1645 (oder 1641?). An demselben Tage sollen noch ein anderer Vulcan auf einer kleinen Insel der Sulu-Gruppe und ein dritter auf Luzon selbst, der auch auf Darwins bekannter Karte ² angegebene Vulcan von Aringay oder Mte. Sto. Tomas im Golf von Lingayen zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2012-11-06T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
gutenberg.org: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-06T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Die Transkription enspricht den DTA-Richtlinien.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/8
Zitationshilfe: Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/8>, abgerufen am 24.11.2024.