seyd werth, Cäsarn mit seiner ganzen Sippschaft und liebenswürdigen Nachkommenschaft zu Herrschern zu haben; ob ich es gleich nicht über mich nehmen wollte, den Junius Brutus durchaus zu vertheidigen. Also hier gingen wir beyde über den Rubikon, Cäsar und ich; haben aber übrigens beyde nichts mit einan¬ der gemein, als dass wir -- nach Rimini gingen.
In Savignano war Markt; der Platz wimmelte von Leuten, die zur Ehre der neuen Kokarde weidlich zu zechen schienen. Ich fragte einen wohlgekleideten Mann nach einem Speisehause. Er besah mich ganz misstrauisch, schaute nach meinem Huthe und da er rund herum keine Kokarde entdeckte, ward sein An¬ sehen etwas grimmig und er schickte mich mit der höflichen Formel weiter: Andate al diavolo! Das war der Revers von Cesena. So gehts zu Revolutionszei¬ ten: für das nehmliche wirst Du hier gepflegt, dort beschimpft; glücklich wenns nicht weiter geht.
In Rimini schlief ich gewiss ruhiger, als der mäch¬ tige Julius nach seiner Passage geschlafen haben mag. Vor der Stadt sind einige herrliche Aussichten. Auf dem Platze della Fontana steht der heilige Gaudentius von Bronze, der eine gar stattliche Figur macht. Auch ein Papst Paul, ich weiss nicht welcher, hat hier ein Monument für eine Wasserleitung, die er den Bürgern von Rimini bauen liess. Eine Wasserleitung halte ich überall für eins der wichtigsten Werke und für eine der grössten Wohlthaten; und hier in Italien ist es doppelt so. Wenn ein Papst eine recht schöne wohl¬ thätige Wasserleitung bauet, kann ich ihm fast verge¬ ben, dass er Papst ist. Auf dem andern Platze stand
seyd werth, Cäsarn mit seiner ganzen Sippschaft und liebenswürdigen Nachkommenschaft zu Herrschern zu haben; ob ich es gleich nicht über mich nehmen wollte, den Junius Brutus durchaus zu vertheidigen. Also hier gingen wir beyde über den Rubikon, Cäsar und ich; haben aber übrigens beyde nichts mit einan¬ der gemein, als daſs wir — nach Rimini gingen.
In Savignano war Markt; der Platz wimmelte von Leuten, die zur Ehre der neuen Kokarde weidlich zu zechen schienen. Ich fragte einen wohlgekleideten Mann nach einem Speisehause. Er besah mich ganz miſstrauisch, schaute nach meinem Huthe und da er rund herum keine Kokarde entdeckte, ward sein An¬ sehen etwas grimmig und er schickte mich mit der höflichen Formel weiter: Andate al diavolo! Das war der Revers von Cesena. So gehts zu Revolutionszei¬ ten: für das nehmliche wirst Du hier gepflegt, dort beschimpft; glücklich wenns nicht weiter geht.
In Rimini schlief ich gewiſs ruhiger, als der mäch¬ tige Julius nach seiner Passage geschlafen haben mag. Vor der Stadt sind einige herrliche Aussichten. Auf dem Platze della Fontana steht der heilige Gaudentius von Bronze, der eine gar stattliche Figur macht. Auch ein Papst Paul, ich weiſs nicht welcher, hat hier ein Monument für eine Wasserleitung, die er den Bürgern von Rimini bauen lieſs. Eine Wasserleitung halte ich überall für eins der wichtigsten Werke und für eine der gröſsten Wohlthaten; und hier in Italien ist es doppelt so. Wenn ein Papst eine recht schöne wohl¬ thätige Wasserleitung bauet, kann ich ihm fast verge¬ ben, daſs er Papst ist. Auf dem andern Platze stand
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seyd werth, Cäsarn mit seiner ganzen Sippschaft und
liebenswürdigen Nachkommenschaft zu Herrschern zu
haben; ob ich es gleich nicht über mich nehmen
wollte, den Junius Brutus durchaus zu vertheidigen.
Also hier gingen wir beyde über den Rubikon, Cäsar
und ich; haben aber übrigens beyde nichts mit einan¬
der gemein, als daſs wir — nach Rimini gingen.
In Savignano war Markt; der Platz wimmelte von
Leuten, die zur Ehre der neuen Kokarde weidlich zu
zechen schienen. Ich fragte einen wohlgekleideten
Mann nach einem Speisehause. Er besah mich ganz
miſstrauisch, schaute nach meinem Huthe und da er
rund herum keine Kokarde entdeckte, ward sein An¬
sehen etwas grimmig und er schickte mich mit der
höflichen Formel weiter: Andate al diavolo! Das war
der Revers von Cesena. So gehts zu Revolutionszei¬
ten: für das nehmliche wirst Du hier gepflegt, dort
beschimpft; glücklich wenns nicht weiter geht.
In Rimini schlief ich gewiſs ruhiger, als der mäch¬
tige Julius nach seiner Passage geschlafen haben mag.
Vor der Stadt sind einige herrliche Aussichten. Auf
dem Platze della Fontana steht der heilige Gaudentius
von Bronze, der eine gar stattliche Figur macht. Auch
ein Papst Paul, ich weiſs nicht welcher, hat hier ein
Monument für eine Wasserleitung, die er den Bürgern
von Rimini bauen lieſs. Eine Wasserleitung halte ich
überall für eins der wichtigsten Werke und für eine
der gröſsten Wohlthaten; und hier in Italien ist es
doppelt so. Wenn ein Papst eine recht schöne wohl¬
thätige Wasserleitung bauet, kann ich ihm fast verge¬
ben, daſs er Papst ist. Auf dem andern Platze stand
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/151>, abgerufen am 28.11.2024.
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