sind ungefähr noch acht Millien durch eine ziemlich rauhe Gegend über mehrere Berge,
Mein Eintritt in die Lokanda hier war eine ge¬ waltig starke Ohrfeigenparthie. Das ging so zu. Als ich das Haus betrachtete, ob es mir anstehen und ob ich hier bleiben würde, kam ein sehr dienstfertiger Cicerone, der mich wahrscheinlich zu einem seiner Bekannten bringen wollte. Ehe ich mirs versah, schoss ein junger starker Kerl aus einer Art von Küche heraus, fuhr vor mir vorbey und packte den höflichen Menschen mit einer furchtbaren Gewalt bey der Gur¬ gel, warf ihn nieder und fing an, ihn mit den Fäu¬ sten aus allen Kräften zu bearbeiten. Ich sprach zum Frieden so gut ich konnte, und er liess den armen Teufel endlich los, der auch sogleich abmarschierte. Ich sagte dem Fausthelden so glimpflich als möglich, dass ich diese Art von Willkommen etwas zu hand¬ greiflich fände; da trat er ganz friedlich und sanft vor mich und demonstrierte mir, der Kerl habe seine Mut¬ ter geschimpft; das könne und werde er aber nicht leiden. Nun machte man mir ein Zimmer bereit; und so schlecht es auch war, so zeigten die Leute doch allen guten Willen: und damit ist ein ehrlicher Kerl schon zufrieden. Nun suchte ich den Ritter Ca¬ nella, den Onkel meines militärischen Freundes in Palermo, und den Kanonikus Raimondi auf. Beyde waren sehr artig und freundschaftlich, und der Ritter besuchte mich sogar in meinem Gasthause. Raimon¬ di, welcher Direktor der dortigen Schule ist, führte mich in die alte gothische Kathedrale, wo ich den an¬ tiken Taufstein sah und das akustische Kunststück
sind ungefähr noch acht Millien durch eine ziemlich rauhe Gegend über mehrere Berge,
Mein Eintritt in die Lokanda hier war eine ge¬ waltig starke Ohrfeigenparthie. Das ging so zu. Als ich das Haus betrachtete, ob es mir anstehen und ob ich hier bleiben würde, kam ein sehr dienstfertiger Cicerone, der mich wahrscheinlich zu einem seiner Bekannten bringen wollte. Ehe ich mirs versah, schoſs ein junger starker Kerl aus einer Art von Küche heraus, fuhr vor mir vorbey und packte den höflichen Menschen mit einer furchtbaren Gewalt bey der Gur¬ gel, warf ihn nieder und fing an, ihn mit den Fäu¬ sten aus allen Kräften zu bearbeiten. Ich sprach zum Frieden so gut ich konnte, und er lieſs den armen Teufel endlich los, der auch sogleich abmarschierte. Ich sagte dem Fausthelden so glimpflich als möglich, daſs ich diese Art von Willkommen etwas zu hand¬ greiflich fände; da trat er ganz friedlich und sanft vor mich und demonstrierte mir, der Kerl habe seine Mut¬ ter geschimpft; das könne und werde er aber nicht leiden. Nun machte man mir ein Zimmer bereit; und so schlecht es auch war, so zeigten die Leute doch allen guten Willen: und damit ist ein ehrlicher Kerl schon zufrieden. Nun suchte ich den Ritter Ca¬ nella, den Onkel meines militärischen Freundes in Palermo, und den Kanonikus Raimondi auf. Beyde waren sehr artig und freundschaftlich, und der Ritter besuchte mich sogar in meinem Gasthause. Raimon¬ di, welcher Direktor der dortigen Schule ist, führte mich in die alte gothische Kathedrale, wo ich den an¬ tiken Taufstein sah und das akustische Kunststück
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0241"n="215"/>
sind ungefähr noch acht Millien durch eine ziemlich<lb/>
rauhe Gegend über mehrere Berge,</p><lb/><p>Mein Eintritt in die Lokanda hier war eine ge¬<lb/>
waltig starke Ohrfeigenparthie. Das ging so zu. Als<lb/>
ich das Haus betrachtete, ob es mir anstehen und ob<lb/>
ich hier bleiben würde, kam ein sehr dienstfertiger<lb/>
Cicerone, der mich wahrscheinlich zu einem seiner<lb/>
Bekannten bringen wollte. Ehe ich mirs versah,<lb/>
schoſs ein junger starker Kerl aus einer Art von Küche<lb/>
heraus, fuhr vor mir vorbey und packte den höflichen<lb/>
Menschen mit einer furchtbaren Gewalt bey der Gur¬<lb/>
gel, warf ihn nieder und fing an, ihn mit den Fäu¬<lb/>
sten aus allen Kräften zu bearbeiten. Ich sprach zum<lb/>
Frieden so gut ich konnte, und er lieſs den armen<lb/>
Teufel endlich los, der auch sogleich abmarschierte.<lb/>
Ich sagte dem Fausthelden so glimpflich als möglich,<lb/>
daſs ich diese Art von Willkommen etwas zu hand¬<lb/>
greiflich fände; da trat er ganz friedlich und sanft vor<lb/>
mich und demonstrierte mir, der Kerl habe seine Mut¬<lb/>
ter geschimpft; das könne und werde er aber nicht<lb/>
leiden. Nun machte man mir ein Zimmer bereit;<lb/>
und so schlecht es auch war, so zeigten die Leute<lb/>
doch allen guten Willen: und damit ist ein ehrlicher<lb/>
Kerl schon zufrieden. Nun suchte ich den Ritter Ca¬<lb/>
nella, den Onkel meines militärischen Freundes in<lb/>
Palermo, und den Kanonikus Raimondi auf. Beyde<lb/>
waren sehr artig und freundschaftlich, und der Ritter<lb/>
besuchte mich sogar in meinem Gasthause. Raimon¬<lb/>
di, welcher Direktor der dortigen Schule ist, führte<lb/>
mich in die alte gothische Kathedrale, wo ich den an¬<lb/>
tiken Taufstein sah und das akustische Kunststück<lb/></p></div></body></text></TEI>
[215/0241]
sind ungefähr noch acht Millien durch eine ziemlich
rauhe Gegend über mehrere Berge,
Mein Eintritt in die Lokanda hier war eine ge¬
waltig starke Ohrfeigenparthie. Das ging so zu. Als
ich das Haus betrachtete, ob es mir anstehen und ob
ich hier bleiben würde, kam ein sehr dienstfertiger
Cicerone, der mich wahrscheinlich zu einem seiner
Bekannten bringen wollte. Ehe ich mirs versah,
schoſs ein junger starker Kerl aus einer Art von Küche
heraus, fuhr vor mir vorbey und packte den höflichen
Menschen mit einer furchtbaren Gewalt bey der Gur¬
gel, warf ihn nieder und fing an, ihn mit den Fäu¬
sten aus allen Kräften zu bearbeiten. Ich sprach zum
Frieden so gut ich konnte, und er lieſs den armen
Teufel endlich los, der auch sogleich abmarschierte.
Ich sagte dem Fausthelden so glimpflich als möglich,
daſs ich diese Art von Willkommen etwas zu hand¬
greiflich fände; da trat er ganz friedlich und sanft vor
mich und demonstrierte mir, der Kerl habe seine Mut¬
ter geschimpft; das könne und werde er aber nicht
leiden. Nun machte man mir ein Zimmer bereit;
und so schlecht es auch war, so zeigten die Leute
doch allen guten Willen: und damit ist ein ehrlicher
Kerl schon zufrieden. Nun suchte ich den Ritter Ca¬
nella, den Onkel meines militärischen Freundes in
Palermo, und den Kanonikus Raimondi auf. Beyde
waren sehr artig und freundschaftlich, und der Ritter
besuchte mich sogar in meinem Gasthause. Raimon¬
di, welcher Direktor der dortigen Schule ist, führte
mich in die alte gothische Kathedrale, wo ich den an¬
tiken Taufstein sah und das akustische Kunststück
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/241>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.