Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Menge Wäscherinnen an der reichen schönen Quelle.
Das Wasser ist gewöhnlich rein und hell, aber nicht
mehr, wie ehemahls, ungewöhnlich schön. Ich stieg
so tief als möglich hinunter und schöpfte mit der hoh¬
len Hand: man kann zwar das Wasser trinken, aber
es schmeckt doch noch etwas brackisch, wie das meiste
Wasser der Brunnen in Holland. Die Vermischung
mit dem Meere muss also durch die neueste Verände¬
rung noch nicht gänzlich wieder gehoben seyn. Alles
Wasser auf der kleinen Insel hat die nehmliche Be¬
schaffenheit, und gehört wahrscheinlich durchaus zu
der nehmlichen Quelle. In der Kirche Sankt Philippi
ist eine alte tiefe tiefe Gruft mit einer ziemlich be¬
quemen Wendeltreppe hinab, wo unten Wasser von
der nehmlichen Beschaffenheit ist; nur fand ich es et¬
was salziger: das mag vielleicht von der grossen Tiefe
und dem beständig verschlossenen Raum herkommen.
Landolina hält es für das alte Lustralwasser, welches
man oft in griechischen Tempeln fand. Sehr mög¬
lich; es lässt sich gegen die Vermuthung nichts sagen.
Aber kann es nicht eben so wohl ein gewöhnlicher
Brunnen zum öffentlichen Gebrauch gewesen seyn?
Er hatte unstreitig das nehmliche Schicksal mit der
Arethuse in den verschiedenen Erderschütterungen.
Man weiss die Insel machte bey den alten Tyrannen
die Hauptfestung der Stadt aus. Man hatte ausser der
Arethuse wenig Wasser in den Werken. Diese schöne
Quelle lag dicht am Meere und war sehr bekannt.
Der Feind konnte Mittel finden sie zu nehmen oder
zu verderben. War der Gedanke, sich noch einen
Wasserplatz auf diesen Fall zu verschaffen und ihn

Menge Wäscherinnen an der reichen schönen Quelle.
Das Wasser ist gewöhnlich rein und hell, aber nicht
mehr, wie ehemahls, ungewöhnlich schön. Ich stieg
so tief als möglich hinunter und schöpfte mit der hoh¬
len Hand: man kann zwar das Wasser trinken, aber
es schmeckt doch noch etwas brackisch, wie das meiste
Wasser der Brunnen in Holland. Die Vermischung
mit dem Meere muſs also durch die neueste Verände¬
rung noch nicht gänzlich wieder gehoben seyn. Alles
Wasser auf der kleinen Insel hat die nehmliche Be¬
schaffenheit, und gehört wahrscheinlich durchaus zu
der nehmlichen Quelle. In der Kirche Sankt Philippi
ist eine alte tiefe tiefe Gruft mit einer ziemlich be¬
quemen Wendeltreppe hinab, wo unten Wasser von
der nehmlichen Beschaffenheit ist; nur fand ich es et¬
was salziger: das mag vielleicht von der groſsen Tiefe
und dem beständig verschlossenen Raum herkommen.
Landolina hält es für das alte Lustralwasser, welches
man oft in griechischen Tempeln fand. Sehr mög¬
lich; es läſst sich gegen die Vermuthung nichts sagen.
Aber kann es nicht eben so wohl ein gewöhnlicher
Brunnen zum öffentlichen Gebrauch gewesen seyn?
Er hatte unstreitig das nehmliche Schicksal mit der
Arethuse in den verschiedenen Erderschütterungen.
Man weiſs die Insel machte bey den alten Tyrannen
die Hauptfestung der Stadt aus. Man hatte auſser der
Arethuse wenig Wasser in den Werken. Diese schöne
Quelle lag dicht am Meere und war sehr bekannt.
Der Feind konnte Mittel finden sie zu nehmen oder
zu verderben. War der Gedanke, sich noch einen
Wasserplatz auf diesen Fall zu verschaffen und ihn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0282" n="256"/>
Menge Wäscherinnen an der reichen schönen Quelle.<lb/>
Das Wasser ist gewöhnlich rein und hell, aber nicht<lb/>
mehr, wie ehemahls, ungewöhnlich schön. Ich stieg<lb/>
so tief als möglich hinunter und schöpfte mit der hoh¬<lb/>
len Hand: man kann zwar das Wasser trinken, aber<lb/>
es schmeckt doch noch etwas brackisch, wie das meiste<lb/>
Wasser der Brunnen in Holland. Die Vermischung<lb/>
mit dem Meere mu&#x017F;s also durch die neueste Verände¬<lb/>
rung noch nicht gänzlich wieder gehoben seyn. Alles<lb/>
Wasser auf der kleinen Insel hat die nehmliche Be¬<lb/>
schaffenheit, und gehört wahrscheinlich durchaus zu<lb/>
der nehmlichen Quelle. In der Kirche Sankt Philippi<lb/>
ist eine alte tiefe tiefe Gruft mit einer ziemlich be¬<lb/>
quemen Wendeltreppe hinab, wo unten Wasser von<lb/>
der nehmlichen Beschaffenheit ist; nur fand ich es et¬<lb/>
was salziger: das mag vielleicht von der gro&#x017F;sen Tiefe<lb/>
und dem beständig verschlossenen Raum herkommen.<lb/>
Landolina hält es für das alte Lustralwasser, welches<lb/>
man oft in griechischen Tempeln fand. Sehr mög¬<lb/>
lich; es lä&#x017F;st sich gegen die Vermuthung nichts sagen.<lb/>
Aber kann es nicht eben so wohl ein gewöhnlicher<lb/>
Brunnen zum öffentlichen Gebrauch gewesen seyn?<lb/>
Er hatte unstreitig das nehmliche Schicksal mit der<lb/>
Arethuse in den verschiedenen Erderschütterungen.<lb/>
Man wei&#x017F;s die Insel machte bey den alten Tyrannen<lb/>
die Hauptfestung der Stadt aus. Man hatte au&#x017F;ser der<lb/>
Arethuse wenig Wasser in den Werken. Diese schöne<lb/>
Quelle lag dicht am Meere und war sehr bekannt.<lb/>
Der Feind konnte Mittel finden sie zu nehmen oder<lb/>
zu verderben. War der Gedanke, sich noch einen<lb/>
Wasserplatz auf diesen Fall zu verschaffen und ihn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0282] Menge Wäscherinnen an der reichen schönen Quelle. Das Wasser ist gewöhnlich rein und hell, aber nicht mehr, wie ehemahls, ungewöhnlich schön. Ich stieg so tief als möglich hinunter und schöpfte mit der hoh¬ len Hand: man kann zwar das Wasser trinken, aber es schmeckt doch noch etwas brackisch, wie das meiste Wasser der Brunnen in Holland. Die Vermischung mit dem Meere muſs also durch die neueste Verände¬ rung noch nicht gänzlich wieder gehoben seyn. Alles Wasser auf der kleinen Insel hat die nehmliche Be¬ schaffenheit, und gehört wahrscheinlich durchaus zu der nehmlichen Quelle. In der Kirche Sankt Philippi ist eine alte tiefe tiefe Gruft mit einer ziemlich be¬ quemen Wendeltreppe hinab, wo unten Wasser von der nehmlichen Beschaffenheit ist; nur fand ich es et¬ was salziger: das mag vielleicht von der groſsen Tiefe und dem beständig verschlossenen Raum herkommen. Landolina hält es für das alte Lustralwasser, welches man oft in griechischen Tempeln fand. Sehr mög¬ lich; es läſst sich gegen die Vermuthung nichts sagen. Aber kann es nicht eben so wohl ein gewöhnlicher Brunnen zum öffentlichen Gebrauch gewesen seyn? Er hatte unstreitig das nehmliche Schicksal mit der Arethuse in den verschiedenen Erderschütterungen. Man weiſs die Insel machte bey den alten Tyrannen die Hauptfestung der Stadt aus. Man hatte auſser der Arethuse wenig Wasser in den Werken. Diese schöne Quelle lag dicht am Meere und war sehr bekannt. Der Feind konnte Mittel finden sie zu nehmen oder zu verderben. War der Gedanke, sich noch einen Wasserplatz auf diesen Fall zu verschaffen und ihn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/282
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/282>, abgerufen am 21.11.2024.