mert? Er erzählte mir, er sey meinetwegen in gro¬ ssem Schrecken gewesen, als der Eseltreiber zurück gekommen, habe geglaubt, ich werde nun sicher um¬ kommen, da ich allein ohne Waffen in der Insel her¬ um laufe. Der Mauleseltreiberjunge, mein Begleiter, sagte er mir zum Trost, sey völlig von der Paste wie¬ der genesen, und er habe die zwey Unzen bis auf den Abzug einiger Kleinigkeiten ihm wieder herausgeben müssen. Gut, dachte ich; also wieder zwey Unzen ge¬ rettet; ich kann sie brauchen. Sogleich nach seiner Ankunft in Palermo habe er sich nach meinem Wirths¬ hause erkundigt und es bald erfahren. Nun sey er seit acht Tagen täglich da gewesen, um nachzufragen, Heute früh habe er meine Ankunft erfahren und sey sogleich hierher zu mir geeilt. Nun lud er mich ein zu ihm in sein Haus zu ziehen. Das war mir nun nicht ganz recht; denn ich wäre lieber geblieben wo ich war. Indessen der Mann bat so freundlich, war so besorgt gewesen; ich packte also ein, und liess hin¬ tragen. Er wohnte vor dem Thore nach Montreale. Wir assen, und seine Frau, eine heisse zelotische nicht unfeine Sicilianerin, fing nun meine Bekehrung an. Das Examen ging über Tische und zum Dessert von Artikel zu Artikel, von dem Papste und den Mönchen bis auf die unbefleckte Empfängniss. Das letzte war das Allerheiligste, von dem ich nichts wusste. Die gute Frau hätte, wie es schien, lieber ihre eigene Keuschheit in Gefahr gesetzt, als das geringste von der Jungferschaft Mariens aufgegeben. Man sprach mit aller Wärme und Salbung, mich zu überzeugen; aber vergebens. Man fing nun an mir Aussichten zu eröff¬
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mert? Er erzählte mir, er sey meinetwegen in gro¬ ſsem Schrecken gewesen, als der Eseltreiber zurück gekommen, habe geglaubt, ich werde nun sicher um¬ kommen, da ich allein ohne Waffen in der Insel her¬ um laufe. Der Mauleseltreiberjunge, mein Begleiter, sagte er mir zum Trost, sey völlig von der Paste wie¬ der genesen, und er habe die zwey Unzen bis auf den Abzug einiger Kleinigkeiten ihm wieder herausgeben müssen. Gut, dachte ich; also wieder zwey Unzen ge¬ rettet; ich kann sie brauchen. Sogleich nach seiner Ankunft in Palermo habe er sich nach meinem Wirths¬ hause erkundigt und es bald erfahren. Nun sey er seit acht Tagen täglich da gewesen, um nachzufragen, Heute früh habe er meine Ankunft erfahren und sey sogleich hierher zu mir geeilt. Nun lud er mich ein zu ihm in sein Haus zu ziehen. Das war mir nun nicht ganz recht; denn ich wäre lieber geblieben wo ich war. Indessen der Mann bat so freundlich, war so besorgt gewesen; ich packte also ein, und lieſs hin¬ tragen. Er wohnte vor dem Thore nach Montreale. Wir aſsen, und seine Frau, eine heiſse zelotische nicht unfeine Sicilianerin, fing nun meine Bekehrung an. Das Examen ging über Tische und zum Dessert von Artikel zu Artikel, von dem Papste und den Mönchen bis auf die unbefleckte Empfängniſs. Das letzte war das Allerheiligste, von dem ich nichts wuſste. Die gute Frau hätte, wie es schien, lieber ihre eigene Keuschheit in Gefahr gesetzt, als das geringste von der Jungferschaft Mariens aufgegeben. Man sprach mit aller Wärme und Salbung, mich zu überzeugen; aber vergebens. Man fing nun an mir Aussichten zu eröff¬
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mert? Er erzählte mir, er sey meinetwegen in gro¬
ſsem Schrecken gewesen, als der Eseltreiber zurück
gekommen, habe geglaubt, ich werde nun sicher um¬
kommen, da ich allein ohne Waffen in der Insel her¬
um laufe. Der Mauleseltreiberjunge, mein Begleiter,
sagte er mir zum Trost, sey völlig von der Paste wie¬
der genesen, und er habe die zwey Unzen bis auf den
Abzug einiger Kleinigkeiten ihm wieder herausgeben
müssen. Gut, dachte ich; also wieder zwey Unzen ge¬
rettet; ich kann sie brauchen. Sogleich nach seiner
Ankunft in Palermo habe er sich nach meinem Wirths¬
hause erkundigt und es bald erfahren. Nun sey er seit
acht Tagen täglich da gewesen, um nachzufragen,
Heute früh habe er meine Ankunft erfahren und sey
sogleich hierher zu mir geeilt. Nun lud er mich ein
zu ihm in sein Haus zu ziehen. Das war mir nun
nicht ganz recht; denn ich wäre lieber geblieben wo
ich war. Indessen der Mann bat so freundlich, war
so besorgt gewesen; ich packte also ein, und lieſs hin¬
tragen. Er wohnte vor dem Thore nach Montreale.
Wir aſsen, und seine Frau, eine heiſse zelotische nicht
unfeine Sicilianerin, fing nun meine Bekehrung an.
Das Examen ging über Tische und zum Dessert von
Artikel zu Artikel, von dem Papste und den Mönchen
bis auf die unbefleckte Empfängniſs. Das letzte war
das Allerheiligste, von dem ich nichts wuſste. Die
gute Frau hätte, wie es schien, lieber ihre eigene
Keuschheit in Gefahr gesetzt, als das geringste von der
Jungferschaft Mariens aufgegeben. Man sprach mit
aller Wärme und Salbung, mich zu überzeugen; aber
vergebens. Man fing nun an mir Aussichten zu eröff¬
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/347>, abgerufen am 22.11.2024.
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