den Vulkan gerade auf diesem Wege vielleicht ohne Führer noch oft besuchen. In einem grossen Sommer¬ hause, nicht weit von der heiligen Maria, erwartete uns die Dame und hatte unterdessen Thränen Christi bringen lassen. Aber das Wasser war mir oben lieber als hier die köstlichen Thränen, und die Hebe des er¬ sten wohl auch etwas lieber als die Hebe der zweyten.
Es war schon ziemlich dunkel als wir in Portici ankamen, und wir wollten noch in der letzten Abend¬ dämmerung nach Neapel. Mit dem Museum in Por¬ tici war ich ziemlich unglücklich. Das erste Mal war es nicht offen und ich sah bloss das Schloss und die Zimmer, die, wenn man die Arbeit aus Pompeji, ei¬ nige schöne Lavatische und die Statuen zu Pferde aus dem Herkulanum weg nimmt nichts merkwürdiges enthalten. In dem Hofe des Museums liegen noch einige bronzene Pferdeköpfe aus dem Theater von Herkulanum: die Statuen selbst sind in der Lava zu¬ sammen geschmolzen. So viel ich von den Köpfen urtheilen kann, möchte ich wohl diese Pferde haben, und ich gäbe die Pariser von Venedig sogleich dafür hin. In dem Theater von Herkulanum bin ich eine ganze Stunde herum gewandelt, und habe den Ort ge¬ sehen, wo die Marmorpferde gestanden hatten, und den Ort wo die bronzenen geschmolzen waren. Be¬ kanntlich ist es hier viel schwerer zu graben als in Pompeji: denn diese Lava ist Stein, jene nur Aschen¬ regen. Dort sind nur Weinberge und Feigengärten auf der Oberfläche; hier steht die Stadt darauf: denn Portici steht gerade über dem alten Herkulanum; und fast gerade über dem Theater steht jetzt oben eine
den Vulkan gerade auf diesem Wege vielleicht ohne Führer noch oft besuchen. In einem groſsen Sommer¬ hause, nicht weit von der heiligen Maria, erwartete uns die Dame und hatte unterdessen Thränen Christi bringen lassen. Aber das Wasser war mir oben lieber als hier die köstlichen Thränen, und die Hebe des er¬ sten wohl auch etwas lieber als die Hebe der zweyten.
Es war schon ziemlich dunkel als wir in Portici ankamen, und wir wollten noch in der letzten Abend¬ dämmerung nach Neapel. Mit dem Museum in Por¬ tici war ich ziemlich unglücklich. Das erste Mal war es nicht offen und ich sah bloſs das Schloſs und die Zimmer, die, wenn man die Arbeit aus Pompeji, ei¬ nige schöne Lavatische und die Statuen zu Pferde aus dem Herkulanum weg nimmt nichts merkwürdiges enthalten. In dem Hofe des Museums liegen noch einige bronzene Pferdeköpfe aus dem Theater von Herkulanum: die Statuen selbst sind in der Lava zu¬ sammen geschmolzen. So viel ich von den Köpfen urtheilen kann, möchte ich wohl diese Pferde haben, und ich gäbe die Pariser von Venedig sogleich dafür hin. In dem Theater von Herkulanum bin ich eine ganze Stunde herum gewandelt, und habe den Ort ge¬ sehen, wo die Marmorpferde gestanden hatten, und den Ort wo die bronzenen geschmolzen waren. Be¬ kanntlich ist es hier viel schwerer zu graben als in Pompeji: denn diese Lava ist Stein, jene nur Aschen¬ regen. Dort sind nur Weinberge und Feigengärten auf der Oberfläche; hier steht die Stadt darauf: denn Portici steht gerade über dem alten Herkulanum; und fast gerade über dem Theater steht jetzt oben eine
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[353 /0381]
den Vulkan gerade auf diesem Wege vielleicht ohne
Führer noch oft besuchen. In einem groſsen Sommer¬
hause, nicht weit von der heiligen Maria, erwartete
uns die Dame und hatte unterdessen Thränen Christi
bringen lassen. Aber das Wasser war mir oben lieber
als hier die köstlichen Thränen, und die Hebe des er¬
sten wohl auch etwas lieber als die Hebe der zweyten.
Es war schon ziemlich dunkel als wir in Portici
ankamen, und wir wollten noch in der letzten Abend¬
dämmerung nach Neapel. Mit dem Museum in Por¬
tici war ich ziemlich unglücklich. Das erste Mal war
es nicht offen und ich sah bloſs das Schloſs und die
Zimmer, die, wenn man die Arbeit aus Pompeji, ei¬
nige schöne Lavatische und die Statuen zu Pferde aus
dem Herkulanum weg nimmt nichts merkwürdiges
enthalten. In dem Hofe des Museums liegen noch
einige bronzene Pferdeköpfe aus dem Theater von
Herkulanum: die Statuen selbst sind in der Lava zu¬
sammen geschmolzen. So viel ich von den Köpfen
urtheilen kann, möchte ich wohl diese Pferde haben,
und ich gäbe die Pariser von Venedig sogleich dafür
hin. In dem Theater von Herkulanum bin ich eine
ganze Stunde herum gewandelt, und habe den Ort ge¬
sehen, wo die Marmorpferde gestanden hatten, und
den Ort wo die bronzenen geschmolzen waren. Be¬
kanntlich ist es hier viel schwerer zu graben als in
Pompeji: denn diese Lava ist Stein, jene nur Aschen¬
regen. Dort sind nur Weinberge und Feigengärten
auf der Oberfläche; hier steht die Stadt darauf: denn
Portici steht gerade über dem alten Herkulanum; und
fast gerade über dem Theater steht jetzt oben eine
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 353 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/381>, abgerufen am 22.11.2024.
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