zogenheiten gegen ihn an, fand aber nicht gehörigen Knechtsgeist. Einmal bat er ihn zu Tische. Der Künstler fand eine angesehene Gesellschaft von Frem¬ den und Römern, welcher er von dem Lord mit vie¬ lem Bombast als ein Universalgenie, ein Erzkosmopo¬ lit, ein Hauptjakobiner vorgestellt wurde. Jakobiner pflegt man dort, wie fast überall, jeden zu nennen, der nicht ganz unterthänig geduldig der Meinung der gnädigen Herrn ist, und sichs wohl gar beygehen lässt Unbefungnisse in den Menschen zu finden, die er be¬ haupten muss, wenn er Menschenwerth haben will. Dem Künstler musste dieser Ton missfallen, und ein Fremder suchte ihn durch Höflichkeit aus der peinli¬ chen Lage zu ziehen, indem er ihn nach seinem Va¬ terlande fragte. Ey was, fiel der Lord polternd ein, es ist ein Mensch der kein Vaterland hat, ein Univer¬ salmann, der überall zu Hause ist. Doch doch, My¬ lord, versetzte der Künstler, ich habe ein Vaterland, dessen ich mich gar nicht schäme; und ich hoffe mein Vaterland soll sich auch meiner nicht schämen: Sono Prussiano. Man sprach italiänisch. Prussiano? Prus¬ siano? sagte der Wirth: Ma mi pare che siete ruffiano. Das war doch Artigkeit gegen einen Mann, den man zu Tische gebeten hatte. Der ehrliche brave Künstler machte der Gesellschaft seine Verbeugung, würdigte den Lord keines Blicks und verliess das Zimmer und das Haus. Nach seiner Zurückkunft in sein eignes Zimmer schrieb er in gerechter Empfindlichkeit ihm ungefähr folgenden Brief:
zogenheiten gegen ihn an, fand aber nicht gehörigen Knechtsgeist. Einmal bat er ihn zu Tische. Der Künstler fand eine angesehene Gesellschaft von Frem¬ den und Römern, welcher er von dem Lord mit vie¬ lem Bombast als ein Universalgenie, ein Erzkosmopo¬ lit, ein Hauptjakobiner vorgestellt wurde. Jakobiner pflegt man dort, wie fast überall, jeden zu nennen, der nicht ganz unterthänig geduldig der Meinung der gnädigen Herrn ist, und sichs wohl gar beygehen läſst Unbefungnisse in den Menschen zu finden, die er be¬ haupten muſs, wenn er Menschenwerth haben will. Dem Künstler muſste dieser Ton miſsfallen, und ein Fremder suchte ihn durch Höflichkeit aus der peinli¬ chen Lage zu ziehen, indem er ihn nach seinem Va¬ terlande fragte. Ey was, fiel der Lord polternd ein, es ist ein Mensch der kein Vaterland hat, ein Univer¬ salmann, der überall zu Hause ist. Doch doch, My¬ lord, versetzte der Künstler, ich habe ein Vaterland, dessen ich mich gar nicht schäme; und ich hoffe mein Vaterland soll sich auch meiner nicht schämen: Sono Prussiano. Man sprach italiänisch. Prussiano? Prus¬ siano? sagte der Wirth: Ma mi pare che siete ruffiano. Das war doch Artigkeit gegen einen Mann, den man zu Tische gebeten hatte. Der ehrliche brave Künstler machte der Gesellschaft seine Verbeugung, würdigte den Lord keines Blicks und verlieſs das Zimmer und das Haus. Nach seiner Zurückkunft in sein eignes Zimmer schrieb er in gerechter Empfindlichkeit ihm ungefähr folgenden Brief:
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[381 /0409]
zogenheiten gegen ihn an, fand aber nicht gehörigen
Knechtsgeist. Einmal bat er ihn zu Tische. Der
Künstler fand eine angesehene Gesellschaft von Frem¬
den und Römern, welcher er von dem Lord mit vie¬
lem Bombast als ein Universalgenie, ein Erzkosmopo¬
lit, ein Hauptjakobiner vorgestellt wurde. Jakobiner
pflegt man dort, wie fast überall, jeden zu nennen,
der nicht ganz unterthänig geduldig der Meinung der
gnädigen Herrn ist, und sichs wohl gar beygehen läſst
Unbefungnisse in den Menschen zu finden, die er be¬
haupten muſs, wenn er Menschenwerth haben will.
Dem Künstler muſste dieser Ton miſsfallen, und ein
Fremder suchte ihn durch Höflichkeit aus der peinli¬
chen Lage zu ziehen, indem er ihn nach seinem Va¬
terlande fragte. Ey was, fiel der Lord polternd ein,
es ist ein Mensch der kein Vaterland hat, ein Univer¬
salmann, der überall zu Hause ist. Doch doch, My¬
lord, versetzte der Künstler, ich habe ein Vaterland,
dessen ich mich gar nicht schäme; und ich hoffe mein
Vaterland soll sich auch meiner nicht schämen: Sono
Prussiano. Man sprach italiänisch. Prussiano? Prus¬
siano? sagte der Wirth: Ma mi pare che siete ruffiano.
Das war doch Artigkeit gegen einen Mann, den man
zu Tische gebeten hatte. Der ehrliche brave Künstler
machte der Gesellschaft seine Verbeugung, würdigte
den Lord keines Blicks und verlieſs das Zimmer und
das Haus. Nach seiner Zurückkunft in sein eignes
Zimmer schrieb er in gerechter Empfindlichkeit ihm
ungefähr folgenden Brief:
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 381 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/409>, abgerufen am 22.11.2024.
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