plar selbst in Rom gesehen, wo er es einem Freunde zum Andenken geschenkt hat, und die Erzählung aus dem eigenen Munde des Generals. Er sagte mir la¬ chend, Schiller hat mich gerettet, aber er ist vielleicht auch Schuld an der Gefahr: denn die Kugel hat eine Unwahrheit heraus geschlagen. Es stand dort, die Pohlen haben in der Schlacht bey Lützen gefochten: das ist nicht wahr; es waren Kroaten. Die Pohlen haben nie für Geld geschlagen: selbst jetzt schlugen wir noch für unser Vaterland; ob es gleich nunmehr unwiederbringlich verloren ist. Das gab etwas Sich¬ tung der vergangenen Politik. Ich meinte, es wäre voraus zu sehen gewesen, dass für Pohlen keine Ret¬ tung mehr war. Die Franzosen würden sich in ihrer noch kritischen Lage nicht der ganzen Wirkung der furchtbaren Tripleallianz bloss stellen, um ein Zwitter¬ ding von Republik wieder zu etablieren, an deren Existenz sie nun gar kein Interesse mehr hatten. Die Eifersucht zwischen den grossen mächtigen Nachbarn ist wahrscheinlich und ihnen vortheilhaft. Wenn die Pohlen noch unter einem einzigen Herrn wären, so liesse sich durch eben diese Eifersucht noch Rettung denken. Das schienen sie vorher selbst zu fühlen, und thaten, da die Katastrophe nun einmal herbey geführt war, hier und da etwas, um unter Einen Herrn zu kommen. Ich weiss selbst, dass ich als russischer Of¬ fizier in Posen vor der Hauptwache vor den preussi¬ schen Kanonen von einem Dutzend junger Pohlen be¬ lagert wurde, die mirs nahe ans Herz legten, dass doch die Kaiserin sie alle nehmen möchte; sie sollte ihnen nur einige Bataillone Hülfe schicken, so wollten
plar selbst in Rom gesehen, wo er es einem Freunde zum Andenken geschenkt hat, und die Erzählung aus dem eigenen Munde des Generals. Er sagte mir la¬ chend, Schiller hat mich gerettet, aber er ist vielleicht auch Schuld an der Gefahr: denn die Kugel hat eine Unwahrheit heraus geschlagen. Es stand dort, die Pohlen haben in der Schlacht bey Lützen gefochten: das ist nicht wahr; es waren Kroaten. Die Pohlen haben nie für Geld geschlagen: selbst jetzt schlugen wir noch für unser Vaterland; ob es gleich nunmehr unwiederbringlich verloren ist. Das gab etwas Sich¬ tung der vergangenen Politik. Ich meinte, es wäre voraus zu sehen gewesen, daſs für Pohlen keine Ret¬ tung mehr war. Die Franzosen würden sich in ihrer noch kritischen Lage nicht der ganzen Wirkung der furchtbaren Tripleallianz bloſs stellen, um ein Zwitter¬ ding von Republik wieder zu etablieren, an deren Existenz sie nun gar kein Interesse mehr hatten. Die Eifersucht zwischen den groſsen mächtigen Nachbarn ist wahrscheinlich und ihnen vortheilhaft. Wenn die Pohlen noch unter einem einzigen Herrn wären, so lieſse sich durch eben diese Eifersucht noch Rettung denken. Das schienen sie vorher selbst zu fühlen, und thaten, da die Katastrophe nun einmal herbey geführt war, hier und da etwas, um unter Einen Herrn zu kommen. Ich weiſs selbst, daſs ich als russischer Of¬ fizier in Posen vor der Hauptwache vor den preuſsi¬ schen Kanonen von einem Dutzend junger Pohlen be¬ lagert wurde, die mirs nahe ans Herz legten, daſs doch die Kaiserin sie alle nehmen möchte; sie sollte ihnen nur einige Bataillone Hülfe schicken, so wollten
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[408 /0436]
plar selbst in Rom gesehen, wo er es einem Freunde
zum Andenken geschenkt hat, und die Erzählung aus
dem eigenen Munde des Generals. Er sagte mir la¬
chend, Schiller hat mich gerettet, aber er ist vielleicht
auch Schuld an der Gefahr: denn die Kugel hat eine
Unwahrheit heraus geschlagen. Es stand dort, die
Pohlen haben in der Schlacht bey Lützen gefochten:
das ist nicht wahr; es waren Kroaten. Die Pohlen
haben nie für Geld geschlagen: selbst jetzt schlugen
wir noch für unser Vaterland; ob es gleich nunmehr
unwiederbringlich verloren ist. Das gab etwas Sich¬
tung der vergangenen Politik. Ich meinte, es wäre
voraus zu sehen gewesen, daſs für Pohlen keine Ret¬
tung mehr war. Die Franzosen würden sich in ihrer
noch kritischen Lage nicht der ganzen Wirkung der
furchtbaren Tripleallianz bloſs stellen, um ein Zwitter¬
ding von Republik wieder zu etablieren, an deren
Existenz sie nun gar kein Interesse mehr hatten. Die
Eifersucht zwischen den groſsen mächtigen Nachbarn
ist wahrscheinlich und ihnen vortheilhaft. Wenn die
Pohlen noch unter einem einzigen Herrn wären, so
lieſse sich durch eben diese Eifersucht noch Rettung
denken. Das schienen sie vorher selbst zu fühlen, und
thaten, da die Katastrophe nun einmal herbey geführt
war, hier und da etwas, um unter Einen Herrn zu
kommen. Ich weiſs selbst, daſs ich als russischer Of¬
fizier in Posen vor der Hauptwache vor den preuſsi¬
schen Kanonen von einem Dutzend junger Pohlen be¬
lagert wurde, die mirs nahe ans Herz legten, daſs
doch die Kaiserin sie alle nehmen möchte; sie sollte
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 408 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/436>, abgerufen am 22.11.2024.
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