Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

len. Nun erzählte ich ihm, dass ich in Luzern für
meine eigene Rechnung vier und dreyssig Batzen und
für die seinige sechs und dreyssig bezahlt habe; das
konveniere mir nicht. Er entschuldigte sich, er habe
einen Landsmann gefunden und mit ihm etwas ge¬
trunken, und der Wirth habe zu viel angeschrieben.
Vielleicht ist beydes, sagte ich, Er hat zu viel getrun¬
ken und jener hat noch mehr angeschrieben, ob mir
das gleich von dem ehrlichen Luzerner nicht wahr¬
scheinlich vorkommt: aber, mein Freund, Er hat
wahrscheinlich der Landsleute viele von Neapel bis
Paris; ich zahle gern eine Suppe und ein Stück Fleisch
und einige Groschen, aber ich lasse mich nur Einmal
so grob mitnehmen. Er verliess mich indessen doch
nicht, wir wandelten zusammen den Albis hinauf und
herab, setzten uns unten in ein Boot und liessen uns
über den See herab nach Zürich fahren, wo ich dem
Sünder einige Lehren und etwas Geld gab, und ihn
laufen liess. Er wird indessen beydes schon oft um¬
sonst bekommen haben.

Hier bin ich nun wieder unter vaterländischen
Freunden und könnte bald bey Dir seyn, wenn ich
nicht noch etwas links abgehen wollte. In Zürich
möchte ich wohl leben: das Oertliche hat mir selten
anderwärts so wohl gefallen. Ich trug einen Brief aus
Rom zu Madam Gessner, der Wittwe des liebenswür¬
digen Dichters, und ging von ihr hinaus an das Mo¬
nument, das die patriotische Freundschaft dem ersten
Idyllensänger unserer Nation errichtet hat, an dem
Zusammenflusse der Siehl und der Limmat. Das Plätz¬
chen ist idyllisch schön und ganz in dem Geiste des

len. Nun erzählte ich ihm, daſs ich in Luzern für
meine eigene Rechnung vier und dreyſsig Batzen und
für die seinige sechs und dreyſsig bezahlt habe; das
konveniere mir nicht. Er entschuldigte sich, er habe
einen Landsmann gefunden und mit ihm etwas ge¬
trunken, und der Wirth habe zu viel angeschrieben.
Vielleicht ist beydes, sagte ich, Er hat zu viel getrun¬
ken und jener hat noch mehr angeschrieben, ob mir
das gleich von dem ehrlichen Luzerner nicht wahr¬
scheinlich vorkommt: aber, mein Freund, Er hat
wahrscheinlich der Landsleute viele von Neapel bis
Paris; ich zahle gern eine Suppe und ein Stück Fleisch
und einige Groschen, aber ich lasse mich nur Einmal
so grob mitnehmen. Er verlieſs mich indessen doch
nicht, wir wandelten zusammen den Albis hinauf und
herab, setzten uns unten in ein Boot und lieſsen uns
über den See herab nach Zürich fahren, wo ich dem
Sünder einige Lehren und etwas Geld gab, und ihn
laufen lieſs. Er wird indessen beydes schon oft um¬
sonst bekommen haben.

Hier bin ich nun wieder unter vaterländischen
Freunden und könnte bald bey Dir seyn, wenn ich
nicht noch etwas links abgehen wollte. In Zürich
möchte ich wohl leben: das Oertliche hat mir selten
anderwärts so wohl gefallen. Ich trug einen Brief aus
Rom zu Madam Geſsner, der Wittwe des liebenswür¬
digen Dichters, und ging von ihr hinaus an das Mo¬
nument, das die patriotische Freundschaft dem ersten
Idyllensänger unserer Nation errichtet hat, an dem
Zusammenflusse der Siehl und der Limmat. Das Plätz¬
chen ist idyllisch schön und ganz in dem Geiste des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0453" n="425 "/>
len. Nun erzählte ich ihm, da&#x017F;s ich in Luzern für<lb/>
meine eigene Rechnung vier und drey&#x017F;sig Batzen und<lb/>
für die seinige sechs und drey&#x017F;sig bezahlt habe; das<lb/>
konveniere mir nicht. Er entschuldigte sich, er habe<lb/>
einen Landsmann gefunden und mit ihm etwas ge¬<lb/>
trunken, und der Wirth habe zu viel angeschrieben.<lb/>
Vielleicht ist beydes, sagte ich, Er hat zu viel getrun¬<lb/>
ken und jener hat noch mehr angeschrieben, ob mir<lb/>
das gleich von dem ehrlichen Luzerner nicht wahr¬<lb/>
scheinlich vorkommt: aber, mein Freund, Er hat<lb/>
wahrscheinlich der Landsleute viele von Neapel bis<lb/>
Paris; ich zahle gern eine Suppe und ein Stück Fleisch<lb/>
und einige Groschen, aber ich lasse mich nur Einmal<lb/>
so grob mitnehmen. Er verlie&#x017F;s mich indessen doch<lb/>
nicht, wir wandelten zusammen den Albis hinauf und<lb/>
herab, setzten uns unten in ein Boot und lie&#x017F;sen uns<lb/>
über den See herab nach Zürich fahren, wo ich dem<lb/>
Sünder einige Lehren und etwas Geld gab, und ihn<lb/>
laufen lie&#x017F;s. Er wird indessen beydes schon oft um¬<lb/>
sonst bekommen haben.</p><lb/>
        <p>Hier bin ich nun wieder unter vaterländischen<lb/>
Freunden und könnte bald bey Dir seyn, wenn ich<lb/>
nicht noch etwas links abgehen wollte. In Zürich<lb/>
möchte ich wohl leben: das Oertliche hat mir selten<lb/>
anderwärts so wohl gefallen. Ich trug einen Brief aus<lb/>
Rom zu Madam Ge&#x017F;sner, der Wittwe des liebenswür¬<lb/>
digen Dichters, und ging von ihr hinaus an das Mo¬<lb/>
nument, das die patriotische Freundschaft dem ersten<lb/>
Idyllensänger unserer Nation errichtet hat, an dem<lb/>
Zusammenflusse der Siehl und der Limmat. Das Plätz¬<lb/>
chen ist idyllisch schön und ganz in dem Geiste des<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[425 /0453] len. Nun erzählte ich ihm, daſs ich in Luzern für meine eigene Rechnung vier und dreyſsig Batzen und für die seinige sechs und dreyſsig bezahlt habe; das konveniere mir nicht. Er entschuldigte sich, er habe einen Landsmann gefunden und mit ihm etwas ge¬ trunken, und der Wirth habe zu viel angeschrieben. Vielleicht ist beydes, sagte ich, Er hat zu viel getrun¬ ken und jener hat noch mehr angeschrieben, ob mir das gleich von dem ehrlichen Luzerner nicht wahr¬ scheinlich vorkommt: aber, mein Freund, Er hat wahrscheinlich der Landsleute viele von Neapel bis Paris; ich zahle gern eine Suppe und ein Stück Fleisch und einige Groschen, aber ich lasse mich nur Einmal so grob mitnehmen. Er verlieſs mich indessen doch nicht, wir wandelten zusammen den Albis hinauf und herab, setzten uns unten in ein Boot und lieſsen uns über den See herab nach Zürich fahren, wo ich dem Sünder einige Lehren und etwas Geld gab, und ihn laufen lieſs. Er wird indessen beydes schon oft um¬ sonst bekommen haben. Hier bin ich nun wieder unter vaterländischen Freunden und könnte bald bey Dir seyn, wenn ich nicht noch etwas links abgehen wollte. In Zürich möchte ich wohl leben: das Oertliche hat mir selten anderwärts so wohl gefallen. Ich trug einen Brief aus Rom zu Madam Geſsner, der Wittwe des liebenswür¬ digen Dichters, und ging von ihr hinaus an das Mo¬ nument, das die patriotische Freundschaft dem ersten Idyllensänger unserer Nation errichtet hat, an dem Zusammenflusse der Siehl und der Limmat. Das Plätz¬ chen ist idyllisch schön und ganz in dem Geiste des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/453
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 425 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/453>, abgerufen am 22.11.2024.