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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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Jetzt lebt er einsam und misstrauisch, mehr als je
ein Morgenländer. Friedrich versäumte selten eine
Wachparade; der Konsul hält alle Monate nur eine ein¬
zige. Er erscheint selten und immer nur mit einer
starken Wache, und soll im Schauspiel in seiner Loge
Reverbers nach allen Seiten haben, die ihm alles zei¬
gen ohne dass ihn jemand sieht. Bey andern Mass¬
regeln könnte er als Fremdling wie eine wohlthätige
Gottheit unter der Nation herum wandeln, und sein
Name würde in der Weltgeschichte die Grösse aller an¬
dern niederstrahlen. Nun wird er unter den Augusten
oder wenigstens unter den Dionysen glänzen; dafür
thut er auf den kleinlichen Ruhm eines Aristides Ver¬
zicht. Ich könnte weinen; es ist mir, als ob mir ein
böser Geist meinen Himmel verdorben hätte. Ich wollte
so gern einmal einen wahrhaft grossen Mann rein ver¬
ehren; das kann ich nun hier nicht.

Man sagt sich hier und da still und leise mehrere
Bonmots, die seinen Stempel tragen. Von dem Tage
an des ägyptischen Manifestes hat sich meine Seele über
seinen Charakter auf Schildwache gesetzt. Das Konkor¬
dat und die Osterfeyer sind das Nebenstück. Als ihn
ein zelotischer Republikaner in die ehemaligen Zim¬
mer des Königs führte, die er nun selbst bewohnen
wollte, und ihm dabey bedeutend sagte: Citoyen, vous
entr
es ici dans la chambre d'un tyran: antwortete er
mit schnellem Scharfsinn: S'il avoit ete tyran, il le
serait encore
: Eine furchtbare Wahrheit aus seinem
Munde. Als ihm vorgestellt wurde, das Volk murre
bey einigen seiner Schritte, er möchte bedenken; er¬
wiederte er: Le peuple n'est rien pour qui le sait me¬

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Jetzt lebt er einsam und miſstrauisch, mehr als je
ein Morgenländer. Friedrich versäumte selten eine
Wachparade; der Konsul hält alle Monate nur eine ein¬
zige. Er erscheint selten und immer nur mit einer
starken Wache, und soll im Schauspiel in seiner Loge
Reverbers nach allen Seiten haben, die ihm alles zei¬
gen ohne daſs ihn jemand sieht. Bey andern Maſs¬
regeln könnte er als Fremdling wie eine wohlthätige
Gottheit unter der Nation herum wandeln, und sein
Name würde in der Weltgeschichte die Gröſse aller an¬
dern niederstrahlen. Nun wird er unter den Augusten
oder wenigstens unter den Dionysen glänzen; dafür
thut er auf den kleinlichen Ruhm eines Aristides Ver¬
zicht. Ich könnte weinen; es ist mir, als ob mir ein
böser Geist meinen Himmel verdorben hätte. Ich wollte
so gern einmal einen wahrhaft groſsen Mann rein ver¬
ehren; das kann ich nun hier nicht.

Man sagt sich hier und da still und leise mehrere
Bonmots, die seinen Stempel tragen. Von dem Tage
an des ägyptischen Manifestes hat sich meine Seele über
seinen Charakter auf Schildwache gesetzt. Das Konkor¬
dat und die Osterfeyer sind das Nebenstück. Als ihn
ein zelotischer Republikaner in die ehemaligen Zim¬
mer des Königs führte, die er nun selbst bewohnen
wollte, und ihm dabey bedeutend sagte: Citoyen, vous
entr
és ici dans la chambre d'un tyran: antwortete er
mit schnellem Scharfsinn: S'il avoit été tyran, il le
serait encore
: Eine furchtbare Wahrheit aus seinem
Munde. Als ihm vorgestellt wurde, das Volk murre
bey einigen seiner Schritte, er möchte bedenken; er¬
wiederte er: Le peuple n'est rien pour qui le sait me¬

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[463 /0491] Jetzt lebt er einsam und miſstrauisch, mehr als je ein Morgenländer. Friedrich versäumte selten eine Wachparade; der Konsul hält alle Monate nur eine ein¬ zige. Er erscheint selten und immer nur mit einer starken Wache, und soll im Schauspiel in seiner Loge Reverbers nach allen Seiten haben, die ihm alles zei¬ gen ohne daſs ihn jemand sieht. Bey andern Maſs¬ regeln könnte er als Fremdling wie eine wohlthätige Gottheit unter der Nation herum wandeln, und sein Name würde in der Weltgeschichte die Gröſse aller an¬ dern niederstrahlen. Nun wird er unter den Augusten oder wenigstens unter den Dionysen glänzen; dafür thut er auf den kleinlichen Ruhm eines Aristides Ver¬ zicht. Ich könnte weinen; es ist mir, als ob mir ein böser Geist meinen Himmel verdorben hätte. Ich wollte so gern einmal einen wahrhaft groſsen Mann rein ver¬ ehren; das kann ich nun hier nicht. Man sagt sich hier und da still und leise mehrere Bonmots, die seinen Stempel tragen. Von dem Tage an des ägyptischen Manifestes hat sich meine Seele über seinen Charakter auf Schildwache gesetzt. Das Konkor¬ dat und die Osterfeyer sind das Nebenstück. Als ihn ein zelotischer Republikaner in die ehemaligen Zim¬ mer des Königs führte, die er nun selbst bewohnen wollte, und ihm dabey bedeutend sagte: Citoyen, vous entrés ici dans la chambre d'un tyran: antwortete er mit schnellem Scharfsinn: S'il avoit été tyran, il le serait encore: Eine furchtbare Wahrheit aus seinem Munde. Als ihm vorgestellt wurde, das Volk murre bey einigen seiner Schritte, er möchte bedenken; er¬ wiederte er: Le peuple n'est rien pour qui le sait me¬ 30

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 463 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/491>, abgerufen am 22.11.2024.