Seyfried, Johann Heinrich: Medulla Mirabilium Naturae. Nürnberg, 1679.Von der Natur. hart und rauh machte. Der Wind war daoben so starck/ daß sie kaum aufrecht stehen kon- ten. Hier hielten sie ihr Mittag-Mahl/ be- merckten/ daß die bey sich gehabte Krafft-Was- ser alle ihre Kräffte verloren und fast ohne Ge- schmack: Der Wein aber geist-reicher und schweflichter worden war. Der Rand des Kes- sels oder Caldera, daraus die Feuer-Flammen/ Rauch/ und Dämpffe pflegen aufzusteigen/ war eines Mußqueten-Schusses weit/ und bey hun- dert Elen tieff/ in Form eines Kegels zugespitzt/ überall bedeckt mit kleinen Steinen/ darzwischen Sand und Schwefel ist/ dadurch der Dampff und Rauch ausdringet; auf den Steinen lag eine Art Schwefel wie Saltz aufgestreyet. Von dieser Höhe sahen sie die Jnsul Gros-Ca- narien so 14. und Pallma so 18. Meilen davon gelegen; die Weite scheinete nicht breiter/ als der Fluß Tems der bey Londen in Engelland ist. So bald die Sonne aufgieng/ bedeckte des Bergs Schatten nicht allein die gantze Jnsul/ sondern auch Gros-Canarien/ zusampt dem Meer biß an den Horizont, da der Gipffel des Bergs augen- scheinlich schiene aufwerts zu kehren/ und den Schatten mit höchster ihrer Verwunderung in die Lufft zu werffen. Die Sonne war noch nicht hoch gestiegen/ als die Wolcken schon an- siengen dergestalt sich zu schwingen/ daß ihnen das Anschauen der See und Jnsul benommen ward
Von der Natur. hart und rauh machte. Der Wind war daoben ſo ſtarck/ daß ſie kaum aufrecht ſtehen kon- ten. Hier hielten ſie ihr Mittag-Mahl/ be- merckten/ daß die bey ſich gehabte Krafft-Waſ- ſer alle ihre Kräffte verloren und faſt ohne Ge- ſchmack: Der Wein aber geiſt-reicher und ſchweflichter worden war. Der Rand des Keſ- ſels oder Caldera, daraus die Feuer-Flammen/ Rauch/ und Dämpffe pflegen aufzuſteigen/ war eines Mußqueten-Schuſſes weit/ und bey hun- dert Elen tieff/ in Form eines Kegels zugeſpitzt/ überall bedeckt mit kleinen Steinen/ darzwiſchen Sand und Schwefel iſt/ dadurch der Dampff und Rauch ausdringet; auf den Steinen lag eine Art Schwefel wie Saltz aufgeſtreyet. Von dieſer Höhe ſahen ſie die Jnſul Gros-Ca- narien ſo 14. und Pallma ſo 18. Meilen davon gelegen; die Weite ſcheinete nicht breiter/ als der Fluß Tems der bey Londen in Engelland iſt. So bald die Sonne aufgieng/ bedeckte des Bergs Schatten nicht allein die gantze Jnſul/ ſondern auch Gros-Canarien/ zuſampt dem Meer biß an den Horizont, da der Gipffel des Bergs augen- ſcheinlich ſchiene aufwerts zu kehren/ und den Schatten mit höchſter ihrer Verwunderung in die Lufft zu werffen. Die Sonne war noch nicht hoch geſtiegen/ als die Wolcken ſchon an- ſiengen dergeſtalt ſich zu ſchwingen/ daß ihnen das Anſchauen der See und Jnſul benommen ward
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Von der Natur.
hart und rauh machte. Der Wind war da
oben ſo ſtarck/ daß ſie kaum aufrecht ſtehen kon-
ten. Hier hielten ſie ihr Mittag-Mahl/ be-
merckten/ daß die bey ſich gehabte Krafft-Waſ-
ſer alle ihre Kräffte verloren und faſt ohne Ge-
ſchmack: Der Wein aber geiſt-reicher und
ſchweflichter worden war. Der Rand des Keſ-
ſels oder Caldera, daraus die Feuer-Flammen/
Rauch/ und Dämpffe pflegen aufzuſteigen/ war
eines Mußqueten-Schuſſes weit/ und bey hun-
dert Elen tieff/ in Form eines Kegels zugeſpitzt/
überall bedeckt mit kleinen Steinen/ darzwiſchen
Sand und Schwefel iſt/ dadurch der Dampff
und Rauch ausdringet; auf den Steinen lag
eine Art Schwefel wie Saltz aufgeſtreyet.
Von dieſer Höhe ſahen ſie die Jnſul Gros-Ca-
narien ſo 14. und Pallma ſo 18. Meilen davon
gelegen; die Weite ſcheinete nicht breiter/ als
der Fluß Tems der bey Londen in Engelland iſt.
So bald die Sonne aufgieng/ bedeckte des Bergs
Schatten nicht allein die gantze Jnſul/ ſondern
auch Gros-Canarien/ zuſampt dem Meer biß an
den Horizont, da der Gipffel des Bergs augen-
ſcheinlich ſchiene aufwerts zu kehren/ und den
Schatten mit höchſter ihrer Verwunderung in
die Lufft zu werffen. Die Sonne war noch
nicht hoch geſtiegen/ als die Wolcken ſchon an-
ſiengen dergeſtalt ſich zu ſchwingen/ daß ihnen
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Zitationshilfe: | Seyfried, Johann Heinrich: Medulla Mirabilium Naturae. Nürnberg, 1679, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seyfried_medulla_1679/541>, abgerufen am 16.07.2024. |